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die bank 07 // 2015

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT nicht.

ó FINANZMARKT nicht. Liegt eine Bekanntgabe vor, fällt der Fristbeginn mit dem Zugang der Bekanntgabe zusammen. Bei Fehlen der Bekanntgabe beginnt die Monatsfrist zu laufen, sobald das Institut von dem Beschluss Kenntnis erlangt hat. Nach fristgerechter Einreichung entscheidet der Überprüfungsausschuss über die Zulässigkeit der Beschwerde und gibt anschließend eine Stellungnahme ab. Zeitlich gesehen kann die Bearbeitungsdauer dabei maximal zwei Monate ab Eingang der Beschwerde in Anspruch nehmen, sollte sich aber an der Dringlichkeit orientieren. Nach Abgabe der Stellungnahme überweist der Überprüfungsausschuss den Fall an das Aufsichtsgremium, das dem EZB-Rat unverzüglich einen neuen Beschlussentwurf vorlegt. Reagiert der EZB-Rat nicht binnen zehn Arbeitstagen mit einem Widerspruch, gilt der neue Entwurf als akzeptiert. Widerspricht der EZB-Rat, bleibt die Beschwerde erfolglos und das Institut muss den Rechtsweg weiter beschreiten. In diesem Zusammenhang legt Artikel 24 Absatz 7 SSM-Verordnung fest, dass bereits der neue Beschlussentwurf den alten Beschluss aufhebt oder ersetzt. Somit liegt in jedem Fall ein Beschluss der EZB vor, der in der erneut ausgelösten Rechtsbehelfsfrist angegriffen werden kann. Das Betreiben des Beschwerdeverfahrens schließt etwaige weitere Verfahren vor den Europäischen Gerichten nicht aus. 9 Neben dieser Grundaussage, enthält diese Norm noch eine weitere prozessual bedeutsame Regelung. Durch das Entkoppeln etwaiger Verfahren vor den europäischen Gerichten von vorherigen Beschwerde- und Anhörungsverfahren legt der Verordnungsgeber fest, dass weder das Anhörungsverfahren noch das Beschwerdeverfahren ein notwendiges Vorverfahren darstellen. Sie sind deshalb weder Bedingung für eine Klage noch beeinflussen sie das Rechtsschutzbedürfnis, sodass ein Untätigbleiben in dieser früfl Gegen Maßnahmen im Rahmen der indirekten Aufsicht steht nur der Weg zu den nationalen Verwaltungsgerichten zur Verfügung. Bei einem Beschluss im Rahmen der direkten Aufsicht ist das SI selbst Adressat, sodass es auch immer formell unmittelbar betroffen ist. Anders ist dies aber im Fall der indirekten Aufsicht und der Vollstreckung in Amtshilfe im Rahmen der direkten Aufsicht. Hier ist nur die nationale Behörde der unmittelbare Adressat der Anweisung der EZB, sodass eine formelle unmittelbare Betroffenheit ausscheidet. Nur sie soll vollstrecken oder ihre eigenen Aufsichtsbefugnisse nutzen. Da der nationalen Behörde in diesem Fall ein Ermessensspielraum zusteht, ist zugleich auch die materielle unmittelbare Betroffenheit ausgeschlossen. Gegen Maßnahmen im Rahmen der indirekten Aufsicht und gegen Vollstreckungsmaßnahmen im Rahmen der Amtshilfe – die zuvor ergangenen Beschlüsse im Rahmen der direkten Aufsicht sind weiterhin direkt angreifbar – steht somit nur der Weg zu den nationalen Verwaltungsgerichten zur Verfügung. Dagegen bleibt der Weg zu den europäischen Gerichten verschlossen. Handelt es sich hingegen um eine beschwerdebefugte Person im Sinn der obigen Anforderungen, kann diese einen schriftlichen Antrag auf Überprüfung des ergangenen Beschlusses stellen. Dieser Antrag ist ausreichend zu begründen und fristgemäß innerhalb eines Monats bei der EZB einzureichen. Der Fristbeginn richtet sich danach, ob eine Bekanntgabe des Beschlusses an das Institut erfolgt ist oder 18 diebank 7.2015

FINANZMARKT ó hen Verfahrensphase unbeachtlich bleibt und weiterhin alle nicht verfristeten Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. Nichtigkeitsklage Der danach im Rahmen der gesetzlichen Fristen nächstmögliche Rechtsbehelf ist die Nichtigkeitsklage des Artikels 263 AEUV, die, und das ist prozessual von besonderer Bedeutung, im Gegensatz zu deutschen Verwaltungsklagen, keine aufschiebende Wirkung hat. Nach dieser Norm überwacht der EuGH allgemein auch die Handlungen der EZB. Beide Begrifflichkeiten erfassen die Aufsichtsmaßnahmen der EZB im Rahmen des SSM. Klagende Institute können somit binnen zwei Monaten nach der Bekanntgabe der angegriffenen Handlung der EZB an den Kläger oder – sofern keine Bekanntgabe erfolgte – nach Kenntniserlangung des Klägers von dieser Maßnahme durch schriftliche Klageeinreichung eine Nichtigkeitsklage erheben und Rechtsverstöße geltend machen. Voraussetzung hierfür ist allerdings ebenfalls, dass der Kläger Adressat einer Aufsichtsmaßnahme der EZB oder jedenfalls individuell und unmittelbar von einer solchen betroffen ist. Da diese Voraussetzungen bei den direkt beaufsichtigten Institute gegeben sind, steht ihnen der Weg der Nichtigkeitsklage offen. Sie können vorbringen, die Maßnahmen der EZB seien für nichtig zu erklären, weil sie entweder der Zuständigkeit ermangeln, wesentliche Formvorschriften verletzen, zu denen auch Regeln der SSM-Rahmenverordnung wie das Recht auf rechtliches Gehör vor dem Erlass einer Maßnahme gehören können, die Verträge oder anderweitige Vorschriften während ihrer Ausführungen verletzen oder die EZB ihr Ermessen missbraucht hat. Prozessual geschieht dies in zwei Etappen, dem schriftlichen und dem mündlichen Verfahren. Beide finden dabei vor dem Gericht der Europäischen Union statt, das gemäß Artikel 256 AEUV für dieses Verfahren zuständig ist. Bei dem mündlichen Verfahren handelt es sich dem Grunde nach um den Austausch von Schriftsätzen zwischen der EZB und dem klagenden Institut. Die Klageschrift muss die relevanten Informationen wie den Namen und den Sitz des Klägers, die Bezeichnung der Gegenpartei, den Streitgegenstand, die Anträge und die vorzubringenden Beweismittel darstellen. Der Beklagte muss daraufhin innerhalb von zwei Monaten eine Klagebeantwortung vorlegen, die seine Argumente, seine Anträge und seine Beweismittel enthält. Im anschließenden mündlichen Verfahren müssen die Parteien von einem Bevollmächtigten oder einem Anwalt vertreten werden. Hierbei können die Parteien erneut ihren Standpunkt vertreten. Nach dieser Verhandlung wird ein Protokoll erstellt, auf dessen Grundlage die Kammer ihre Entscheidung fällt. Hält die Kammer danach die Klage für begründet, kann sie den Beschluss der EZB in Gänze oder in Teilen aufheben. Hält sie die Klage für unbegründet, weist sie die Klage ab. Der Kläger kann gegen dieses Urteil als letztes Mittel im Anschluss gemäß Artikel 257 AEUV beim EuGH Rechtsmittel einlegen, woraufhin dieser das Urteil, allerdings auf reine Rechtsfragen beschränkt, erneut überprüft. 10 Den indirekt beaufsichtigten Instituten steht dieser Weg wegen der fehlenden unmittelbaren Betroffenheit nicht offen. Sie können sich allein gegen die unmittelbar an sie gerichteten Verwaltungsakte der nationalen Aufsichtsbehörde zur Wehr setzen und die jeweils nationalgesetzlichen verwaltungsrechtlichen Verfahren anstrengen. Eine Entscheidung über die vorausgehende Maßnahme der EZB selbst kann lediglich über Umwege unter der Voraussetzungen der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH 11 erreicht werden, in dessen Rahmen dem EuGH die Frage vorgelegt werden kann, ob die Maßnahme der EZB mit den europarechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Fazit Die Teilung der Rechtswege – und zwar nicht nur zwischen der direkten und indirekten Aufsicht, sondern auch innerhalb der direkten Aufsicht selbst – erschwert eine einheitliche Rechtsprechung im gesamten SSM-Gebiet und damit das Ziel einer europäisch einheitlichen Aufsicht. Neben der EZB werden sich auch die europäischen Gerichte mit einem signifikanten Anstieg des Arbeitsaufwands durch Klagen konfrontiert sehen. In Anbetracht der ohnehin hohen Klagezahlen und der noch gänzlich neuen Materie sind für aufsichtsrechtliche Klagen Zeiträume, die sich von der gegenwärtigen Durchschnittsverfahrensdauer vor dem Europäischen Gericht von über 23 Monaten 12 positiv unterscheiden, selbst bei wohlwollender Erwartung nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen. Zudem fehlt eine aufschiebende Wirkung von europarechtlichen Rechtsbehelfen, die sich allein unter den engen Voraussetzungen einer besonderen Dringlichkeit sowie einer besonderen Interessenabwägung zwischen Aussetzungs- und Durchführungsinteresse erreichen lässt. Eine besondere Dringlichkeit liegt allerdings nur vor, wenn dem Institut durch eine verzögerte Entscheidung schwere und irreparable Schäden drohen. 13 Für die betroffenen Institute bedeutet dies eine erhebliche Rechts- und Planungsunsicherheit. ó Autoren: Pascal di Prima ist Partner im Bankaufsichtsrecht bei Simmons & Simmons in Frankfurt am Main. Daniel Sander ist wissenschaft licher Mitarbeiter einer internationalen Wirtschaftskanzlei. 1 Lehmann/Manger-Nestler, in: ZBB 2014, 2,18. 2 Monatsbericht der Bundesbank Oktober 2014, Seite 55. 3 Lehmann/Manger-Nestler, wie Anm. 1, 2,14. 4 EuGH Slg. 1963, 211 (238) – Plaumann. 5 EuGH Slg. 1990. I 3847 Rn 20 ff. 6 Monatsbericht der Bundesbank Oktober 2014, Seite 55. 7 Dörr, in Grabitz/Hilf/Nettesheim; Das Recht der Europäischen Union, Artikel 263 AEUV Rn 63f. 8 Haratsch/Koenig/Pechstein, Rn 520. 9 Artikel 24 Absatz 11 SSM Verordnung. 10 Dittert; in: von der Groeben/Schwarze/Hatje; Europäisches Unionsrecht, Artikel 256 AEUV Rn 29 ff. 11 Artikel 267 AEUV. 12 Jahresbericht des EuGH 2014, S. 129. 13 Gaitanides, in: von der Groeben/SchwarzeHatje; Artikel 279 AEUV, Rn 15. 7.2015 diebank 19

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