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die bank 06 // 2019

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT 1 |

MANAGEMENT 1 | Einordnung der Risikokultur in die Unternehmensführung Führung Vorbildverhalten ("walking the talk") Fehlerkultur Sanktionskultur ... Verantwortlichkeit Governance Aufbau- und Ablauforganisation Internes Kontrollsystem Vergütungssysteme ... Tone from the Top Risikokultur Anreizstrukturen Dialogkultur Konfliktkultur Vermeidung von Silodenken ... Kommunikation Kommunikation und Dialog Unternehmenskultur Verhaltenskodex Risikobewusstsein ... Wertesystem Quelle: eigene Darstellung. 3. Kommunikation beinhaltet die Förderung des intensiven Dialogs zu Risikothemen, Wertschätzung für abweichende Meinungen und offenen Umgang mit Kritik sowie mit Fehlern. Eine funktionierende Auseinandersetzung mit dem Risiko erfordert wiederum wirksamen Informationsfluss – und stellt hohe Erwartungen an die Führungskräfte und die Führungskultur auf allen Ebenen. 4. Angemessene Anreizstrukturen spiegeln das Wertesystem wider und unterstützen die gewünschte Risikobereitschaft. Anreize sind nicht ausschließlich finanzieller Natur. Karriereperspektiven, das Ansehen bei Kollegen und Führungskräften sowie weitere nicht finanzielle Aspekte setzen in der Praxis meist nachhaltigere Anreize als der Bonus zum Jahresende. Widerspruchsfreiheit zwischen Anreizsystemen und Risikokultur ist dabei nur die Mindestvoraussetzung. Ziel ist es, dass die gesetzten Anreize in ihrer Gesamtheit die Risikokultur mitgestalten und aktiv fördern – ein sehr viel höherer Anspruch. Praxiserfahrungen zur Risikokultur Die Aufsicht formuliert nicht ohne Grund hohe Anforderungen an die Risikokultur – zeigt doch die praktische Erfahrung in vielen Häusern Schwächen im Umgang mit Risiken, die vielfach auf inkonsistente oder nicht ausreichend wirksame Führung zurückgehen. Der Vorbildcharakter der Geschäftsleitung kann auch ins Gegenteil umschlagen. ÿ 2 Ein guter erster Prüfpunkt ist der Verhaltenskodex. Vielfach eher für die Öffentlichkeit gemacht als tatsächlich mit Leben gefüllt, ist er oft abstrakt formuliert, unzureichend im Hause bekannt, und im praktischen Tagesgeschäft letztlich nicht umsetzbar – weil etwa die Prozesse und Strukturen nicht zum Kodex passen. Anreizsysteme sind Indikator für eine Risikokultur – das heißt in der Praxis allzu oft eher: Indikator für eine nur teilweise ausgeprägte Risikokultur. Ursache ist dabei regelmäßig, dass Anreizsysteme insbesondere für die Markteinheiten vorwiegend unter vertrieblichen und ggf. Effizienzaspekten entwickelt werden. Die Einhaltung der Risikostrategie oder die Orientierung am Verhaltenskodex werden formal in den Systemen abgebildet, aber die Verankerung und Förderung der Risikokultur oder gar die aktive Auseinandersetzung mit dem Risiko von Entscheidungen hat bisher in der Praxis oft nur geringe Bedeutung. Geringe Beurteilungsspielräume Die Gestaltung von Prozessen, Instrumenten und Dokumentationen ist in der praktischen Umsetzung oftmals ein weiterer Schwachpunkt. Mitarbeiter haben aufgrund der internen Regularien nur geringe Beurteilungsspielräume, oder sie sind aufgrund der Komplexität des Anweisungswesens so verunsichert, dass sie nur ungern Verantwortung übernehmen wollen. Dabei ist es bisweilen sogar das Ziel von internen Regelwerken, die Ermessensspielräume der Mitarbeiter zu minimieren – möglicherweise aus einer falsch verstandenen Risikokultur heraus, nämlich der Kultur der Risikovermeidung. Ergebnis ist, dass die Mitarbeiter mangels Übung echte Risiken, wenn sie dann doch auftreten, nur schwer erkennen und noch schwerer einschätzen können. Ein in der Praxis bedeutendes Konfliktfeld ist die Kreditentscheidung im risikoarmen oder nicht risikorelevanten Geschäft. Zwar ist in einer Bank kaum ein Geschäft wirklich risikofrei. Aber durch die Schaffung (und Ausweitung) des Ein-Voten-Falls wird von der Geschäftsleitung signalisiert, dass in diesem Geschäft eine individuelle Risikoanalyse und -einschätzung gerade nicht erforderlich ist. Konsequenterweise werden die Mitarbeiter auf Vertrieb getrimmt und entsprechend gesteuert. Zur Verankerung einer einheitlichen Risikokultur ist es jedoch erforderlich, stets auch den Risikogehalt der Geschäfte abzuwägen. Bedenkenträger unerwünscht Die Auseinandersetzung, die der Mitarbeiter im Markt früher auch bei der privaten Baufinanzierung oder dem Dispositionskredit mit dem Analysten geführt hat, muss er also gleichsam gedanklich mit sich selbst ausfechten. In 34 06 // 2019

MANAGEMENT der Praxis findet eine solche Auseinandersetzung kaum statt, schließlich sind Bedenkenträger in den meisten Vertriebsorganisationen unerwünscht. Die Risikoabwägung im risikoarmen Geschäft muss daher spezifisch gefördert werden – sei es durch entsprechende Prozesse, Anreizsysteme oder „nur“ durch Führung. Die Verschlankung von Regelwerken und das Einräumen höherer Verantwortlichkeit werden vielfach als Zielbild formuliert und gehen richtigerweise mit entsprechenden Entwicklungsmaßnahmen für die Mitarbeiter einher. Allerdings stoßen Versuche, die Mitarbeiter in Risikoentscheidungen einzubeziehen, oftmals auf Umsetzungshürden in der Führung – nicht unbedingt im Top Management, aber vielfach gerade auf den mittleren Führungsebenen. Der Umgang mit eigenverantwortlich agierenden Mitarbeitern, die vielleicht sogar eine kontroverse Sicht einnehmen, erfordert Führungskräfte, die sich nicht nur über ihre Fach- und (formale) Entscheidungskompetenz definieren, sondern sich auch als Coach und Facilitator verstehen. Wirksame Governance notwendig Die Führung als Engpass in der Umsetzung der Risikokultur setzt sich auch auf einer höheren organisatorischen Ebene fort. Wenn im Wertesystem des Unternehmens der Risikoanalyst gegenüber dem Vertrieb oder das Backoffice gegenüber dem Handel immer zweitrangig ist, fällt die Schaffung einer offenen Dialogkultur zu Risikothemen nicht gerade leicht. Im Ergebnis ist also eine konsistente wirksame Governance der Dreh- und Angelpunkt der Implementierung einer einheitlichen Risikokultur. Governance bezieht sich nicht nur auf die Risikokultur, sondern umfasst auch sämtliche Regelungen, Verfahren und Instrumente zur Gestaltung und Steuerung der Organisation. Sie umfasst neben harten Instrumenten wie der Aufbau- und Ablauforganisation, der schriftlich fixierten Ordnung oder dem internen Kontrollsystem eine Vielzahl weicher Faktoren. Sowohl bei Compliance als auch bei der Risikokultur stellt die Aufsicht das Vorbildverhalten und die Kommunikation aus der Geschäftsleitung in den Mittelpunkt ihrer Erwartungen. Beide Bereiche verbindet dabei, dass neben formalen Regelungen und Instrumenten ganz wesentlich auch kulturelle Werte in der Organisation zu verankern sind. Die Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens im Sinne der Unternehmenskultur ist eine zentrale Aufgabe der Führung. Dabei bezieht sich Führung keineswegs nur auf die Rolle der Geschäftsleitung. Das alltägliche Führungs- und Entscheidungsverhalten im Unternehmen, das Selbstverständnis der Führungskräfte in Entscheidungsgremien, die Qualität der Kommunikation und der Diskussionskultur und der Umgang mit kritischen Geistern werden in weitaus stärkerem Maße durch das mittlere Management geprägt. Konsistent durchgesetzter Verhaltenskodex Ein von der Geschäftsleitung konsistent kommunizierter Verhaltenskodex wird nicht zu einer einheitlichen Risikokultur führen, wenn die Führungskräfte auf den nachgelagerten Ebenen ihre eigene Interpretation vornehmen und die ihnen übertragenen Einheiten in einer abweichenden Weise steuern. Aufgabe der Geschäftsleitung ist es somit, sicherzustellen, dass die nachgelagerten Führungskräfte die angestrebte Kultur konsistent über die gesamte Hierarchie hinweg transportieren. Praktische Beispiele für unterschiedliche Risiko- und Compliance-Kulturen innerhalb eines Unternehmens gibt es zuhauf – gerne werden hierfür z. B. kulturelle Unterschiede zwischen dem Investment Banking und dem Retail-Geschäft angeführt. Dem ist zu entgegnen, dass die Natur des Geschäfts zwar andere Verhaltensweisen und auch andere Mitarbeiterprofile benötigt. Aber gerade die Schaffung eines gemeinsamen Wertesystems – unabhängig von der Entscheidung im Einzelfall – und damit auch einer gemeinsamen Risikokultur ist Voraussetzung für die Entstehung eines Unternehmens. Wenn diese Einheitlichkeit der Führung von der Geschäftsleitung nachhaltig als nicht gewollt oder nicht erreichbar angesehen wird, ist die Aufspaltung des Unternehmens etwa anhand der unterschiedlichen als notwendig erachteten Risikokulturen zwangsläufig eine überlegenswerte Option. 06 // 2019 35

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