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die bank 06 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE ZEITGEMÄSSE WIN-WIN SITUATION Führen in Teilzeit Führungskräfte, die in Teilzeit arbeiten, gehören in Banken tendenziell einer Minderheit an. Die Präsenzkultur steht dem oftmals genauso im Weg wie der Mythos, dass ein „guter“ Manager einen vollgestopften Terminkalender haben muss. Trotzdem hat das Modell Zukunft. Wie Mitarbeiter und Unternehmen davon profitieren können, zeigt das Praxisbeispiel der ING-DiBa. 64 06 // 2018

BERUF & KARRIERE Barbara Bender empfindet heute eine höhere Arbeits- und Lebenszufriedenheit. Die Leiterin im Kundendialog bei der ING-DiBa in Hannover führt 20 Mitarbeiter. Dabei arbeitet sie seit Oktober 2016 rund 32 Wochenarbeitsstunden. Das entspricht einer 80-Prozent-Stelle. Um sich als Führungskraft weiterzuentwickeln, hatte sich Bender zu einer Weiterbildung zum systemischen Coach entschlossen. Das Lernprogramm ist umfangreich: 380 Stunden absolvierte sie in 20 Monaten; die Weiterbildung beinhaltet unter anderem den Einsatz von Coaching-Methoden für unterschiedliche Führungssituationen, aber auch die Reflexion ihrer Rolle als Führungskraft. Das Bedürfnis nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance war ein weiterer Beweggrund für die 42-Jährige, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Die freie Zeit möchte sie auch ihren Hobbies widmen, zum Beispiel Yoga, Achtsamkeitspraxis und Tanz. In ihrem Job erfüllt sie Aufgaben, die vorwiegend strategischer Natur sind: Zum Beispiel entwickelt sie Konzepte zur Steigerung der Kundenzufriedenheit. Diese Aufgaben lassen sich gut dosieren. Erleichternd kommt hinzu: Ihre Mitarbeiter arbeiten in selbstorganisierten Teams, was zur Strategie passt: Die ING-DiBa möchte die erste agile Bank Deutschlands werden. Das Unternehmen hat sich im Rahmen dieser Veränderung auf die Fahnen geschrieben, die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter zu stärken. Bender ist als Teilzeit-Führungskraft in ihrem Unternehmen kein Einzelfall: Um qualifizierte Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, beschloss die Bank, auch Führungskräften Arbeit in Teilzeit zu ermöglichen. Bisher nutzen 42 Führungskräfte das Angebot – und das Interesse nimmt zu. Insgesamt liegt die Teilzeitquote bei der Bank bei 28 Prozent von den bundesweit insgesamt rund 4.000 Mitarbeitern. Noch fristet die Teilzeitführung in Deutschland jedoch ein Nischendasein. Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Bundesfamilienministeriums können sich zwar immer mehr Führungskräfte eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit zugunsten der Familie, der Gesundheit oder aufgrund einer berufsbegleitenden Weiterbildung vorstellen, doch sind viele zögerlich, den Wunsch in die Tat umzusetzen. Das gilt insbesondere für Führungskräfte auf höherer Ebene und männliche Führungskräfte, die oftmals meinen, sich rechtfertigen zu müssen und Widerstände im Unternehmen befürchten. Mehrheitlich sind es nach wie vor eher weibliche Führungskräfte auf der unteren und mittleren Ebene, die ihre Arbeitszeit nach der Elternzeit zugunsten der Kinder zurückgeschraubt haben. Teilzeitquote bei Führungskräften in Banken steigt Im privaten Bankgewerbe arbeitet etwa jede neunte Führungskraft in Teilzeit, wobei die meisten in vollzeitnahen Wochenarbeitszeitmodellen arbeiten. ÿ 1 Auch hier zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Während bei den Männern nur jede 20. Führungskraft in Teilzeit arbeitet, ist es bei den Frauen jede vierte – Tendenz: steigend. „Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Teilzeit auch Aufstiegs-Chancen bietet, vor allem für gut qualifizierte Frauen, die eine Führungsposition anstreben. Karriere muss also nicht an Vollzeit hängen“, sagt Carsten Rogge- Strang, Geschäftsführer Tarifpolitik beim Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e.V. (AGV Banken). Dafür sei es wichtig, in den Unternehmen eine Kultur zu fördern, in der Teilzeitführung gelebt und umgesetzt werde. „Damit das gelingt, müssen Teilzeitkräfte genauso anerkannt sein wie Vollzeitkräfte“, so Rogge-Strang. Auch könne es helfen, Stellenprofile etwas schlanker zu gestalten, um die Bewerbungsquote hochqualifizierter Frauen zu erhöhen, die erfahrungsgemäß bei zu umfassenden Jobbeschreibungen häufig zurückschreckten. Allerdings scheuen Unternehmen oftmals die Kosten und den mit einer Teilzeitstelle verbundenen höheren Verwaltungsaufwand. Hinzu kommen Vorbehalte von Führungskräften gegenüber diesem Modell. Dr. Anja Karlshaus, die an der Cologne Business School zum Thema Führen in Teilzeit forscht, hat in ihren Studien herausgefunden: „Neben der Sorge vor der negativen Auswirkung auf ihre Karriere befürchten Führungskräfte, dass sich das Aufgaben- und Verantwortungsvolumen trotz reduzierter Arbeitszeit nicht verringert. Bedenken hinsichtlich einer Arbeitszeitverdichtung beziehungsweise der Verlagerung der Arbeit ins Privatleben sind nicht unbegründet. Keiner will schließlich nur 70 Prozent verdienen und am Ende doch Vollzeit arbeiten.“ Präsenzkultur steht im Weg Ein weiterer Grund, warum sich Teilzeit in vielen Unternehmen noch nicht durchgesetzt hat: die erwünschte Präsenzkultur mit für Führungskräften üblichen 60 Wochenarbeitsstunden und mehr. Dass diese Denke vielfach überholt ist, davon ist auch Rogge-Strang überzeugt: 06 // 2018 65

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