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die bank 06 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG

DIGITALISIERUNG KUNDENSEGMENTIERUNG IM WANDEL Den Kunden besser kennen Die Digitalisierung der Kundenbeziehung hat auch Auswirkungen auf die Kundensegmentierung in Banken und Sparkassen. Viele Institute haben die digitalen Möglichkeiten einer individuellen Kunde- Bank-Beziehung bereits erkannt und innovative Ansätze zur Kundensegmentierung umgesetzt. Früher war der Besuch in der Bankfiliale Alltag im Leben des Kunden. Die Filiale stellte den Dreh- und Angelpunkt für alle Geldgeschäfte dar. Der persönliche Kontakt zwischen Kunde und Berater förderte die Kenntnis der Kunden, ihrer Lebenssituation und ihrer aktuellen Bedarfe, sodass bei Veränderungen eine entsprechende vertriebliche Reaktion möglich war. Durch das Angebot alternativer Kontaktpunkte zur Bank in Verbindung mit einer zunehmenden Nutzung von Online-Kanälen durch den Kunden ist diese hohe Kenntnis des Kunden ein Stück weit verloren gegangen. Allerdings bietet die Digitalisierung vielfältige Möglichkeiten, um den Kunden dennoch individuell zu bedienen. Vorteile der Digitalisierung für das Bankgeschäft Während in anderen Branchen passgenaue Ansprachen mit einem frühzeitigen Erkennen von Bedarfen bereits Alltag ist, sind Kreditinstitute bei der Erhebung und Auswertung von individuellen Kriterien des Kunden sowie der darauf aufbauenden Verwendung beispielsweise für die Ansprache des Kunden oder die Gestaltung von Vertriebs- und Kommunikationskanälen noch zögerlich. Der Einsatz digitaler Möglichkeiten für den Ausbau der Kundenbeziehung bietet zwar noch Potenziale, jedoch haben viele Relationship-Manager die positiven Auswirkungen der Digitalisierung auf das traditionelle Bankgeschäft sowie die Kunde-Bank-Beziehung erkannt. Positiv bewertet werden dabei vor allem Auswirkungen auf die Kommunikation mit dem Kunden, auch über wechselnde Kanäle. Als besonders förderlich bewerten die Befragten die Schnelligkeit der Kommunikation mit dem Kunden (94 Prozent), eine verbesserte Qualität der Kundenansprache durch genauere Informationen über Kontaktpräferenzen (88 Prozent) sowie die medienbruchfreie Kombination mehrerer Kanäle (85 Prozent). Darüber hinaus lassen sich Kundenstammdaten mit weiteren Informationen wie Account-Profilen oder sonstigem User Generated Content verknüpfen (86 Prozent). Hieraus lassen sich Besonderheiten in der Lebenssituation des Kunden erkennen und Bedarfe ableiten. Des Weiteren fördert die Digitalisierung die Selbstständigkeit der Kunden, da diese sich teilweise selbst informieren oder online ohne Mitarbeiterkontakt Produkte erwerben (85 Prozent). Laut 83 Prozent der Experten ermöglichen zentrale Kundendatenbanken eine einheitliche Sicht auf den Kunden, während durch die Auswertung von Big Data passgenauere Produkte erstellt werden können (80 Prozent). Außerdem bestätigen rund zwei Drittel der Teilnehmer, dass Kunden aufgrund der Digitalisierung immer mehr Daten selbst eingeben und pflegen, automatisierte Prozesse die Reklamationsbearbeitung verbessern und Algorithmen eine objektive Bewertung von Kunden ermöglichen. Weiterhin gibt rund die Hälfte der Experten an, dass Kunden mithilfe digitaler Möglichkeiten an der Produktentwicklung mitwirken können und sich dadurch die Kundenzufriedenheit erhöht. ÿ 1 Die Bewertung der Thesen durch die Experten bestätigt das enorme Potenzial der Digitalisierung zur Stärkung der Kunde-Bank-Beziehung. Insbesondere eine zielgerichtete und individuelle Ansprache, die durch weiterentwickelte Ansätze zur Kundensegmentierung in Verbindung mit technischer Unterstützung ermöglicht wird, trägt wesentlich zur Kundenzufriedenheit bei. Status quo in der Kundensegmentierung von Banken und Sparkassen Die beiden wichtigsten Faktoren der Kundensegmentierung stellen die zugrunde liegenden Segmentierungskriterien sowie der verwendete Segmentierungsansatz dar. Als gängige Segmentierungskriterien zeigen sich demografische Kriterien (z. B. Lebenszyklus, geografische Kriterien), soziologische Kriterien (Sozialisation, soziale Schichten, Interaktionskriterien), psychografische Kriterien (Persönlichkeitsmerkmale, produktspezifische Kriterien), verhaltenskritische Kriterien (Produkt, Einkaufsstätte, Kommunikation, Preis), physiologische Kriterien (z. B. körperliche Beschaffenheit, physiologische Defekte) und zeitkritische Kriterien (Situationen, Termine). Die Experten wurden diesbezüglich um eine Einschätzung der Nutzung bzw. Empfehlung dieser Segmentierungskriterien gebeten. Bei beiden Gruppen, also Experten aus Finanzdienstleistungsunternehmen sowie Experten aus branchennahen Unternehmen, dominieren demografische und verhaltenskritische Kriterien das Feld, jedoch werden sie stärker von Nicht-FDL empfohlen als von Banken verwendet. Der deutlichste Unterschied zeigt sich bei den zeitkritischen Kriterien, die nur halb so häufig verwendet (26 Prozent) als empfohlen (50 Prozent) werden. Zum Einsatz psychografischer Kriterien ließ die der Befragung vorangegangene Literaturrecherche vermuten, dass diese aufgrund der schlechten Möglichkeit der Operationalisierung zwar empfohlen, aber kaum verwendet werden. Diese Hypothese wird durch die Resultate nicht bestätigt, sondern tendiert sogar in die gegenläufige Richtung, da immerhin 43 Prozent der Kreditinstitute diese Kriterien verwenden, während hierfür nur 33 Prozent der Nicht-Finanzdienstleister eine Empfehlung aussprechen. 58 06 // 2017

DIGITALISIERUNG Um die Kriterien zielführend zu verarbeiten, spielt neben den Segmentierungskriterien ebenso der Segmentierungsansatz eine große Rolle. Während Banken und Sparkassen vor allem die ABC-Segmentierung (61 Prozent) einsetzen, bei der die Kunden anhand von Kriterien wie z. B. ihres Netto-Haushaltseinkommens in sogenannte A-, B- und C-Kunden eingeteilt werden, so empfehlen Beratungshäuser und IT-Anbieter insbesondere Lebensphasenmodelle (75 Prozent) oder den Customer Lifetime Value (58 Prozent). Lebensphasenmodelle orientieren sich dabei an der familiären bzw. der beruflichen Situation des Kunden und ordnen den Kunden in einen nahezu standardisierten Lebensverlauf ein. Der Customer Lifetime Value hingegen stellt für jeden Kunden einen individuellen Wert dar, der aus den Ein- und Auszahlungen, also dem Cashflow eines Kunden, über eine definierte Zeitspanne ermittelt wird. Letzterer Ansatz wird von lediglich 17 Prozent der Banken genutzt. ÿ 2 Neue Ansätze der Kundensegmentierung Zwar finden in ersten Instituten bereits moderne Segmentierungsansätze wie der Customer Lifetime Value Anwendung, allerdings dominieren traditionelle Formen der Segmentierung. Der digitale Fortschritt bringt neue Formen der Kundensegmentierung hervor, deren Einsatz es in Banken zu prüfen gilt. In einer der Befragung vorangegangenen Recherche wurden dazu verschiedene Ansätze aus dem Bankensektor bzw. aus anderen Branchen und Ländern identifiziert. Zur Bewertung 06 // 2017 59

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