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die bank 06 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BERUF & KARRIERE

ó BERUF & KARRIERE ARUNDHATI BHATTACHARYA Die Symbolfigur fi AT THE TOP An ihr können sich andere Frauen orientieren – und falls notwendig auch aufrichten. Und dies nicht nur in Indien, einem multi-ethnischen Land, in dem es das weibliche Geschlecht nicht leicht hat und in weiten Teilen der Gesellschaft generell auf Widerstand stößt. Die Inderin Arundhati Bhattacharya ist eine Frau, die auch ihren Geschlechtsgenossinnen in anderen Regionen der Welt Mut macht. Als Chairwoman und Vorstandschefin der State Bank of India (SBI), der größten Bank des als bevölkerungsreichste Demokratie der Welt geltenden Landes, ist sie in vielfacher Hinsicht Hoffnungsträgerin und Symbolfigur. Dessen ist sie sich in aller Bescheidenheit sehr wohl bewusst. Arundhati Bhattacharya kennt die hohen Ansprüche, die Menschen nicht nur in Indien, sondern Arundhati Bhattacharya (59) stammt aus der Kaste der Brahmanen, die zu Indiens Oberschicht zählt. Die Tochter eines Stahl- Managers wuchs in behüteten Verhältnissen in Bhilai auf. Ihr Weg ins Banking war nicht unbedingt vorgezeichnet. Zunächst studierte sie englische Literatur an der Jadavpur Universität ihrer Geburtsstadt Kalkutta. Ihre Karriere als Bankerin startete sie 1975 bei der State Bank of India (SBI). Innerhalb dieser Bank führte sie ihr beruflicher Werdegang an verschiedene Einsatzorte in mehreren Ländern, bevor sie die Chefrolle als Nachfolgerin von Pratip Chaudhuri übernahm. auf dem gesamten asiatischen Kontinent an sie als Leitfigur stellen. Dass man ihr als erster Frau in der Geschichte der 208 Jahre alten, überwiegend in Staatsbesitz befindlichen (aber auch börsennotierten) SBI diese Aufgabe übertragen hat, zeugt von der ihr entgegengebrachten Achtung. Die Bankerin genießt nach den langen Jahren, die sie auf vielen Positionen innerhalb der Bank verbracht hat, hohe menschliche und fachliche Anerkennung bei ihrer Belegschaft. Wichtig zu wissen ist auch, dass die Inderin bisher die jüngste Person ist, der diese Führungsrolle in der langen Geschichte der Bank übertragen wurde. Bei einem Besuch in Deutschland auf Einladung des Vereins Frankfurt Main Finance überzeugt sie an diesem Tag in der Main-Metropole auch ihre deutschen Zuhörer. „Wir haben in Indiens Wirtschaft die richtigen Leute – jetzt suchen wir nur noch die richtigen Partner“, sagt die SBI-Chefin. Da hören viele deutsche Manager hoffnungsvoll zu. Denn man sieht diese Frau als populäres und vor allem auch glaubwürdiges Zugpferd für ihr Heimatland. Was viele Betrachter jedoch nicht wissen: In Indiens Unternehmens-Landschaft sind im Top- und Middle-Management vergleichsweise viele Frauen tätig. Dies vor allem auch in der Szene der Finanzdienstleistungen. Arundhati Bhattacharya ist nicht die einzige Bank-Vorstandschefin in Indien. Allerdings ist sie zweifelsfrei die bedeutendste Bankerin des gesamten asiatischen Kontinents. Das Fachmagazin Forbes führt die in Indien sehr bekannte Managerin in der Liste der „mächtigsten Frauen der Welt“ immerhin auf Rang 36. Indien gilt als ein Land, das nicht unbedingt für die Gleichberechtigung von Frauen bekannt ist. In einer diesbezüglichen globalen Rangliste von 136 Ländern erscheint das Land lediglich auf Rang 101. Unzählige Nachrichten berichten über den fehlenden Respekt indischer Männer gegenüber Frauen. Wer um die allgemeinen Verhältnisse des Subkontinents weiß, ist auch in der Lage, die Dimension jener Aufgabe einzuschätzen, die Arundhati Bhattacharya zu bewältigen hat. Einige Mitglieder der vor allem von Männern dominierten Führungsriege in Indiens Polit- Szene äußerten bei ihrer Berufung zur SBI-Chairwoman im Oktober des Jahres 2013 durchaus Zweifel daran, ob sie diese schwierige Aufgabe problemlos werde erfüllen können. Dass die politische Elite den Posten des Vorstandschefs in diesem Fall zum ersten Mal lediglich für die Zeit von drei Jahren besetzte, zeigt die allgemeine Skepsis. Doch die Kritiker haben wohl die Fähigkeiten der am 18. März 1956 in der Millionenstadt Kalkutta geborenen Bankerin unterschätzt. Die Brillenträgerin beweist als Multi-Talent in ihrer Rolle als Bank-Managerin, Ehefrau und Mutter Tag für Tag ihre unzähligen Stärken. 68 diebank 6.2015

BERUF & KARRIERE ó Sie hat bereits während ihrer Kindheit und Jugend gelernt, Verantwortung zu übernehmen und sich mit Problemen auseinanderzusetzen. Sie stammt aus der Kaste der Brahmanen, die zu Indiens Oberschicht zählt, und hatte das Glück, als Tochter eines Stahl-Managers auf die Welt zu kommen und in behüteten Verhältnissen in Bhilai aufzuwachsen. Ihr Weg ins Banking war nicht unbedingt vorgezeichnet; sie studierte zunächst englische Literatur an der Jadavpur Universität ihrer Geburtsstadt Kalkutta. Ihre Karriere als Bankerin begann im Jahr 1975 bei der State Bank of India (SBI). Der berufliche Werdegang führte sie innerhalb der Strukturen und Hierarchien der Bank an verschiedene Einsatzorte in mehreren Ländern, bevor die politischen Entscheidungsträger ihr die Chefrolle als Nachfolgerin von Pratip Chaudhuri übertrugen. Seit ihrem Antritt, bei dem sie die Bank offen und selbstkritisch als „verschlafen“ beschrieb, hat sie bereits vieles bewegt. An der grundsätzlichen Ausrichtung hat sich nichts geändert; denn das von der öffentlichen Hand kontrollierte, jedoch an der Börse in Mumbai quotierte Unternehmen verfolgt primär nicht das Ziel der Gewinnorientierung. Dazu muss man auch wissen, dass nicht nur die SBI, sondern auch andere Banken des Landes noch bis vor kurzem wegen einer steigenden Zahl von Problemkrediten und Skandalen von sich reden machten. Arundhati Bhattacharya hat begonnen, die SBI zu modernisieren und sie technologisch auch im internationalen Vergleich konkurrenzfähig zu machen. Das war nicht gerade einfach in einer Institution, die über die riesige Landfläche Indiens hinweg in mehr als 19.000 Niederlassungen rund 200.000 Mitarbeiter beschäftigt. Da Indiens Volkswirtschaft jedoch über unverkennbare Stärken als Technologie- Standort verfügt, konnte die Bank auf eine Menge technologisches Fachwissen im Land zurückgreifen. fl Bhattacharya ist zweifelsfrei die bedeutendste Bankerin des gesamten asiatischen Kontinents. Verbiegen lässt sich die Bankerin nicht. Sie geht vielmehr konsequent ihren Weg. Auch durch ihre Kleidung hebt sich die SBI-Top-Bankerin vom Modestil westlicher Bank-Managerinnen ab: Durch das Tragen von häufig sehr farbenfrohen Saris und Salwars pflegt sie auch in ihrem äußerlichen Auftreten indische Traditionen. Man kann sich an diesem bestimmten Tag in Frankfurt des Eindrucks nicht erwehren, als wirkten ihre Augen manchmal müde. Sie sitzt ruhig auf ihrem Stuhl, wirkt nur für ganz kurze Zeit nachdenklich, ist dann jedoch bei direkter Ansprache sofort wieder hellwach und voll im Bilde. Dann weist sie am Rande der Veranstaltung auf notwendige Veränderungen in Indien hin. Nach dem Motto „das Land braucht Veränderungen“ hat sich die Managerin zum Ziel gesetzt, die Rolle der Frauen in Indien zu stärken. Das setzt sie zuerst in ihrer Bank um, weil sie Frauen nicht nur Sabbaticals ermöglicht, sondern darüber hinaus auch deren Führungsfähigkeiten in Workshops gezielt fördert. „In Indien liegt die Rolle des Familien- Betreuers weiterhin vor allem fast ausschließlich bei den Frauen“, begründet sie ihr starkes Engagement für das weibliche Geschlecht. „Es sind vor allem die Frauen, die sich um Kinder, um ältere und kranke Menschen innerhalb der Familie sorgen“, begründet sie die personellen Neuregelungen innerhalb ihrer Bank. Dort, wo Frauen früher bei Fehlzeiten Angst um ihren Arbeitsplatz hatten, besteht jetzt die Möglichkeit zu zweijährigen Sabbaticals. Diese Auszeit können die Frauen dreimal innerhalb ihrer beruflichen Laufbahn nehmen. „Hierdurch fühlen sich unsere Frauen nicht mehr länger schuldig, wenn sie dem Arbeitsplatz fernbleiben“, sagt die Chefin mit strahlendem Lächeln. Wenn die SBI-Chefin über die aktuelle und künftige Entwicklung der indischen Realwirtschaft spricht, zeigt sie ein ernstes, allerdings nicht unbedingt besorgtes Gesicht. Sie freut sich über die zahlreichen Lösungsansätze der Regierung Narendra Modis. „Die Regierung nimmt Ratschläge der Wirtschaft entgegen und hört zu“, strahlt Arundhati Bhattacharya. Hilfreich für die Volkswirtschaft seien unter anderem die stark rückläufigen Energiepreise, die zu einer Verbesserung der Leistungsbilanz Indiens führen dürften. fl Seit ihrem Antritt, bei dem sie die Bank offen und selbstkritisch als „verschlafen“ beschrieb, hat sie bereits vieles bewegt. Positive Impulse für die Unternehmen der Wirtschaft in der aus 29 Bundesstaaten bestehenden Republik Indien erwartet sie auch von der Geldpolitik. „Die Zinsen werden wohl weiter fallen“, ist die Bankerin nach dem ersten Zinsschritt von Notenbankchef Raghuram Rajan von Nachfolge-Aktionen überzeugt. Der aufgrund dieser Entwickungen absehbare konjunkturelle Aufschwung in Indien werde wohl zuerst in den Bereichen ländliche Infrastruktur, Verkehrswesen, Ausbau der Häfen, Bauwesen und Rohstoff- Exploration spürbar werden. All das wird den in den vergangenen Jahren schwächelnden Banken des Landes auf die Beine helfen. Arundhati Bhattacharya wird das freuen. ó Jonas Dowen 6.2015 diebank 69

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