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die bank 06 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT gaben – in der Regel starr und nach Kundensegmenten, nicht nach Risikogehalt strukturiert. Ein offensichtlich sehr kreditwürdiger Kunde wird oft unabhängig vom Volumen des angefragten Kredits durch das gleiche Prüfungsraster geschickt, wie ein weniger gut einzuschätzender Kunde. Dies bedeutet eine enorme Fehlallokation von knappen Prüfressourcen. Die Einführung eines risikoadjustierten Kreditprozess-Routers könnte nicht nur erhebliche Kosten sparen, sondern dies zugleich mit einem reduzierten Kreditrisiko im Gesamtportfolio verbinden. Die deutliche schnellere Möglichkeit der Kreditzusage gibt der Bank einen Vorteil im Sinne adverser Selektion: Solche Kunden, die eine sehr hohe Bonität haben, wissen das in der Regel auch. Sie warten zu lassen, erhöht daher das Abwanderungsrisiko, während Kunden schlechter Bonität mangels Alternative auch gerne auf eine langsame Entscheidung warten. Die Möglichkeit einer schnelleren und dennoch risikotechnisch sauberen Zusage durch die Bank verbessert daher alleine durch die Geschwindigkeit des Prozesses die Portfolioqualität und verhindert eine adverse Selektion zulasten der Bank. Kreditprozess-Router Die Frage, welcher Aufwand für die Kreditprüfung gerechtfertigt ist, sollte sich letztlich am quantifizierten Risiko des einzelnen Engagements bemessen. Die beste Kennzahl hierfür ist der erwartete Verlust, der sich aus Ausfallwahrscheinlichkeit, Verlust im Verzugsfall und Volumen des Kredits zusammensetzt. Damit können wir Rating und Kreditvolumen als Determinanten einsetzen, um die Gründlichkeit, Intensität und auch die Kosten des Kreditprozesses optimal einzustellen. Idealerweise sollte dies in einem automatisierbaren Prozess-Router geschehen, die die einzelnen Kreditanträge gleich zu Beginn des Prozesses dem passenden Prozess zuordnet. Kleine Kredite und solche an Kunden mit einem erstklassigen Rating können in einem automatisierten Prozess beim Kundenbetreuer abgearbeitet werden, Anträge unterhalb einer bestimmten, vom Risikoappetit abhängigen Qualität werden frühzeitig abgelehnt und erzeugen so keine weiteren Prüfungskosten, Grenzfälle werden von der Kreditabteilung mit unterschiedlicher Intensität und Aufwand geprüft. Die Preissetzung erfolgt im Front Office, also bei den Kundenbetreuern. Dabei müssen die Risikokosten entweder automatisiert oder von der Kreditabteilung vorgegeben werden. Der Algorithmus für die Zuordnung von Anträgen zu Prüfprozessen ist je nach Portfolio und Risikoappetit der Bank unterschiedlich einzustellen. Risikotrennung und Rating Der Kreditprozess hat letztlich das Ziel, künftige Kreditausfälle im Portfolio zu vermeiden, indem die „schwarzen Schafe“ frühzeitig erkannt werden. Da das nie mit vollkommener Treffsicherheit erfolgen kann, besteht das zweite Ziel des Prozesses darin, eingegangene Risiken nach Wahrscheinlichkeiten des Ausfalls und des Verlusts zu bemessen und dann die zu erwartenden Kosten in der Zinsmarge abzubilden, damit diese künftige Verluste abdecken kann. Hierfür ist es entscheidend, über ein zuverlässiges, robustes und hoch trennscharfes Ratingtool zu verfügen, das idealerweise diese Trennschärfe mit harten, quantifizierbaren und verfügbaren Daten erreicht. Spätestens seit der Einführung von Basel II stehen solche Instrumente in den meisten Banken zur Verfügung. Aber bei weitem nicht alle sind so ausgefeilt, dass man sie als State-of-the-Art bezeichnen könnte. Moderne, gut konzipierte Ratingverfahren zeichnen sich durch eine Reihe von Merkmalen aus: Es wird nur eine begrenzte Menge von Daten benötigt, statistisch optimierte Ratingalgorithmen auf Basis von Bilanzkennzahlen benötigen in der Regel nicht mehr als fünf bis sieben Faktoren, um eine akzeptable Trennschärfe zu 2 Optimierungshebel für das Rating der Bank Typischer Prozess 0 Akquisition 1 Kundendaten- Kompilation 2-4 Risikomessung und Pricing 5-6 Portfolio- Management 9-10 Portfolio- Administration und Workout Risikoadjustierter Prozess 1 Kundendaten- Kompilation NEW Kundendaten- Pflege NEW Interne Limit- Vergabe 0 Akquisition und Zusage 2-4 Risikomessung, Pricing und Auszahlung 9-10 Portfolio- Administration und Workout Pre-Akquisition Prozess 36 diebank 6.2015

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó erzielen. Das Hinzufügen weiterer Faktoren kann die Diskriminanzfunktion sogar verwässern und die Fähigkeit des Ratings, gute von schlechten Kreditnehmern zu trennen, beeinträchtigen. Qualitative Daten können die Ergebnisse vor allem dann verbessern, wenn sie sich in quantitative Größen transformieren und so statistisch auswerten lassen. Die Dateneingabe für Finanzkennzahlen kann voll automatisiert werden. Ein Detailstudium des gesamten Rechnungslegungswerks wird damit überflüssig. Je höher die Trennschärfe, desto geringer sind die künftigen Ausfälle im Portfolio. Trennschärfe Die im Zuge der Basel-II-Einführung von den Banken zur Implementierung des IRB-Ansatzes entwickelten internen Ratings sind in der Regel durchaus leistungsfähig. Es lohnt sich aber die Frage zu stellen, ob sie ihr Leistungsoptimum erreicht haben bzw. ob die seit ihrer Einführung gewonnenen neuen Daten in Form von Ausfallerfahrungen im Portfolio bei allen Banken systematisch eingepflegt worden sind. Dies nicht zu tun, führt unweigerlich zu einem Wettbewerbsnachteil und auch zu steigenden Ausfällen, sowohl absolut, als auch im Vergleich zum Wettbewerb. Warum ist das zwingend? ” 3 zeigt die Messung der Trennschärfe eines Ratings. Das Verfahren sortiert eine Stichprobe von ausgefallenen und nicht ausgefallenen Krediten und kann so auf Basis von Ex-Post-Daten zeigen, ob es in der Lage gewesen wäre, das Portfolio nach seiner relativen Kreditqualität zu ordnen. Die Einteilung in Gruppen erlaubt dann die Ableitung von Ratingklassen mit einer bestimmten Ausfallwahrscheinlichkeit. Umso höher die Trennschärfe, desto mehr ausgefallene Kredite werden in dieser Sortierfunktion angesammelt. Die perfekte Voraussicht, die in der Realität nicht existiert, würde daher alle ausgefallenen Kredite identifizieren, und der Anteil der erkannten Ausfälle beträgt 100 Prozent. Ein Verfahren, das keine Information erkennen kann, wird im Gegensatz dazu alle Ausfälle dem Zufall folgend gleichmäßig verteilen. Risikoadjustierte Preissetzung Diese Fähigkeit korrekter Kreditrisikomessung ist zugleich die notwendige Voraussetzung für die richtige Anwendung der risikoadjustierten Preissetzung von Krediten. Wie man modellhaft aufzeigen kann und wie es auch die Erfahrung des Kreditgeschäfts immer wieder bestätigt, führt die nicht risikoadäquate Preissetzung von Krediten zu einer unvermeidlichen Akkumulation schlechter Risiken im Portfolio, die lange Zeit unbemerkt bleiben, weil der erwartete Verlust eines Portfolios nicht der am häufigsten auftretende Verlust ist. Vielmehr beobachtet man über mehrere Jahre den Medianverlust, der meist deutlich darunter liegt. Dies hat seine Ursache in der Schiefe der Verlustverteilung, die eher 3 Messung der Trennschärfe von Ratingverfahren 100 % Ausfälle 4 Schlecht Perfektes Rating („Glaskugel“) A Realistisches Rating B „Zufall“ Portfolio nach Rating sortiert Wirkung der adversen Selektion durch risikoadjustierte Preissetzung Preis Bank A Risiko A B C D Preisfunktion Rating Preis Kundenwanderung Bank B Risiko A B C D 100 % einer Beta-Verteilung als einer Normalverteilung ähnelt. Der erwartete Verlust als langjähriges Mittel wird dann in der Regel durch einen sehr hohen Einzelverlust oder eine Vielzahl korrelierter Verluste innerhalb kurzer Zeit erreicht. Es stellt sich dann heraus, dass die durchschnittlich erzielte Marge eben nicht in der Lage ist, diesen Verlust abzudecken und in Folge dessen schneidet das Tail-Ereignis in die Eigenkapitaldecke der Bank. Passiert dies bei vielen Banken gleichzeitig, so ist eine Rationierung der Kreditversorgung und eine Verschärfung des konjunkturellen Zyklus die Folge. Adverse Selektion Eine risikoadjustierte Preissetzung von Krediten kann dieses Risiko deutlich verringern. Es führt nicht nur zu einer Verbesserung der Bruttomargen, sondern auch zu einer Portfoliobereinigung und zu einer Verschiebung der Verluste zu den Banken, die mit einer nicht risikoadjustierten Marge kalkulieren ” 4. Es ist intui- Gut Preisfunktion Rating 6.2015 diebank 37

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