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die bank 06 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT

ó FINANZMARKT tatsächlich entwickelten sich die Preise wegen physischer Knappheiten auf der einen und spekulativer Einflüsse auf der anderen Seite kräftig nach oben. Zunächst jedenfalls. Immer mehr Banken boten um die Jahrtausendwende nicht nur riesige Projekt-Finanzierungen an. Sie offerierten ihrer Kundschaft auf der Anlageseite darüber hinaus neben börsengelisteten Rohstoff-Derivaten auch eigene synthetische OTC-Rohstoff-Produkte. Das ging lange Zeit gut. Doch inzwischen sind die Preise um teilweise deutlich mehr als 50 Prozent eingebrochen. Rohöl kostet heute nicht mehr 150 US-$, sondern weniger als 50 US-$ je Barrel. Finanzmarkt-Akteure hätten aufgrund der während vergangener Superzyklen gemachten Erfahrungen eigentlich wissen müssen, dass Rohstoffpreise generell sehr stark schwanken. Und so kam es auch in diesem Zyklus wie es kommen musste, nämlich zu einer Mean Reversion: Die Preise drehten und kehrten in Richtung der langfristigen Mittelwerte der Vergangenheit zurück. Geschäfte rund um den Bereich Rohstoffe weisen andere Charakteristika auf als in anderen Wirtschaftssektoren. Aber konnte dieses Mal wirklich alles anders sein, wie 1 WTI Rohöl 150 126 102 78 54 30 so manche Auguren angesichts der stark steigenden Weltbevölkerung und des daraus abgeleiteten riesigen Nachfragepotenzials prophezeiten? Wohl kaum, denn Rohstoffunternehmen reagierten auch in diesem Zyklus auf die vermeintlich anhaltend steigende Nachfrage mit massiven Investitionen in die Exploration neuer Vorkommen. Die Folge war eine entsprechend starke Ausweitung des Angebots. Und so drifteten Angebot und Nachfrage in der Folge stark auseinander. Auf diesen Fakt haben jetzt auch die Internationale Energie Agentur, die Opec und das International Energy Forum auf einer gemeinsamen Veranstaltung hingewiesen. Vor allem die Erfolge der USA bei der Suche nach Schieferöl- und Schiefergas- Vorkommen mittels des Fracking-Verfahrens werden von den Sprechern dieser Energie-Verbände als Ursache für das global steigende Angebot und die daraufhin kollabierenden Energiepreise genannt. Da sich vor allem amerikanische Banken bei der Finanzierung von Schieferöl-Vorkommen in Nordamerika und in anderen Regionen der Welt bei Fremdkapital-Finanzierungen in den vergangenen Jahren aus der Deckung gewagt haben, ist mittelfristig 16.01.2005 14.02.2010 15.03.2015 DB Rohstoffe Max. Quelle: Deutsche Börse AG. mit nicht unerheblichen Kreditverlusten zu rechnen. Zu den heutigen Ölpreisen von unter 50 US-$ je Barrel West Texas Intermediate (WTI) rechnet sich die Aufrechterhaltung oder sogar Ausweitung dieser sogenannten Shale-Energie-Förderung für viele Unternehmen schon längst nicht mehr. Zahlreichen Energiefirmen in den USA – vor allem den kleineren Playern der Branche – droht daher also der Bankrott. Das aber heißt: Auf die bei der Schieferöl- Finanzierung tätigen Banken kommen möglicherweise große Verluste zu. ” 2 Rohstoffe sollten also – so eine Lehre aus der Vergangenheit – nicht mit der Brille der Kurzfristigkeit gesehen werden. Da reale Rohstoff-Investitionen eine zeitliche Perspektive von 15 Jahren und mehr benötigen, sind Commodities auf der Zeitschiene eine völlig andere Anlageklasse als zum Beispiel Aktien. Doch das ist nur die eine Seite der Rohstoff-Medaille. Auf der anderen Seite muss kritisch festgehalten werden, dass Banken mit ihren lebhaften Aktivitäten bei der Finanzierung und der Entwicklung von Anlageprodukten die Spikes der Rohstoffpreise deutlich verstärkt haben, vor allem mit teils fragwürdigen Derivate-Produkten. Und genau das hat sowohl die Banken selbst als auch deren Anleger zuletzt sehr viel Geld gekostet. In den Chefetagen der Finanzbranche läuteten daher die Alarmglocken. „Rohstoffe? Nein, danke“, äußerten sich Top-Manager zahlreicher Institute kritisch. Beim Rückzug der Banken aus dem internationalen Geschäft mit Rohstoffen sind durchaus sehr populäre Namen aus der Branche dabei, wie die Deutsche Bank, Credit Suisse, JP Morgan, Jeffries, Goldman Sachs, Barclays, Hermes Investment Management, Clive Capital, Blue Gold oder Higgs Capital Management. Und so überrascht es nicht, dass auch große Banken, Investmentfonds, Private-Equity- Unternehmen und auch Hedgefonds-Manager in den vergangenen Monaten entweder einen völligen Rückzug aus oder aber eine deutliche Reduzierung der Aktivitäten im 16 diebank 6.2015

FINANZMARKT ó Rohstoffgeschäft angekündigt haben. Die offizielle Lesart aufseiten der Banken: Hier ist kein Geld mehr zu machen, vor allem weil die Kapitalanleger kaum mehr an Rohstoffen interessiert sind. Das Rohstoffgeschäft wird wieder stärker den wirklichen Experten überlassen. Unter der Betrachtungsweise des Behavioral Finance ist die geradezu hysterische Flucht großer Teile der Finanzbranche möglicherweise allerdings als ein erstes Zeichen für ein nahendes Ende des Baisse-Zyklus sowie für eine Wiederkehr des Rohstoff-Superzyklus zu verstehen. Dies vor allem auch wegen einer ganz simplen Erkenntnis: In der Welt dreht sich alles um Rohstoffe. Menschen müssen essen und trinken und müssen sich im Zeitalter der Mobilität mithilfe energetischer Rohstoffe fortbewegen. Dies gilt umso mehr, wenn die Zahl der Menschen auf dem Planeten in den kommenden 15 Jahren tatsächlich von sieben auf zehn Milliarden steigen sollte, wie von den UN prognostiziert. ” 3 Banken und Finanzhäuser in Europa und in den USA erkennen zudem die Gefahr, dass ihnen die Konkurrenz aus China das Wasser abgraben könnte. Denn Banken und Staatsunternehmen aus dem Reich der Mitte sind zunehmend bereit, langfristig zu denken und den großen Playern der globalen Rohstoff-Szene vor allem in Lateinamerika (zum Beispiel Ecuador) und Afrika die nachgefragten Kapitalmengen zur Verfügung zu stellen. Dies auch, weil zum Beispiel Timothy Lane, stellvertretender Gouverneur der Bank of Canada, zuletzt die riesige Bedeutung von Rohstoffen betonte und große Rohstoffhändler in Anspielung auf die Situation in der Banken-Szenen in die Reihe jener globalen Unternehmensgiganten rückte, die „too big to fail“ seien, also falls notwendig vom Steuerzahler gerettet werden müssten. Wohl nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser von Lane geäußerten Besorgnis auf der einen Seite sowie der lebhaften Aktivitäten der Chinesen auf der anderen Seite haben sich aus den Banken in Europa 2 Gold 1.900 1.570 1.240 910 580 250 und in den USA in jüngster Zeit die ersten Contrarians zu Wort gemeldet und erklärt, bestimmte Finanzierungsnischen in der Rohstoffwelt suchen und wieder gezielt besetzen zu wollen. Hierzu zählen etwa die Canadian Imperial Bank of Commerce, ABN Amro und Macquarie. Deren Aktivitäten stehen unter dem Motto: Ohne Rohstoffe funktioniert das Leben auf dem Planeten Erde nun einmal nicht. Aber möglicherweise wird sich die Wende an den Rohstoffmärkten in diesem Zyklus wegen der ernsthaften und sehr tief liegenden strukturellen und systematischen Probleme in der Weltwirtschaft etwas länger hinziehen als erwartet; denn die Lager sind mit den meisten Rohstoffen derzeit noch recht üppig gefüllt. ó 21.01.1996 21.08.2005 15.03.2015 DB Rohstoffe Max. Quelle: Deutsche Börse AG. 3 Weizen 1.200 1.028 856 684 512 340 05.02.2006 29.08.2010 15.03.2015 DB Rohstoffe Max. Quelle: Deutsche Börse AG. 6.2015 diebank 17

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