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die bank 05 // 2021

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT

MANAGEMENT ZENTRALISIERUNG ALS WUNDERWAFFE Ein organisatorischer Mythos Handeln in und um Organisationen ist viel weniger ausgerichtet an klassischen betriebswirtschaftlichen Kriterien als mancher Theoretiker gern glauben mag oder mancher Manager als Entscheidungskriterium präsentiert. Am Ende sind es meist persönliche Ziele und eine daraus resultierende „personenorientierte Organisation“, die dominieren. Der Artikel zeigt dies an zwei Beispielen. 28 05 // 2021

MANAGEMENT Die BWL-Literatur – sowohl die theoretische der Universitäten als auch die der Unternehmensberater, die einen nicht unwesentlichen Anteil und Einfluss aufweisen – ist angefüllt mit normativen Vorstellungen von „Vor- und Nachteilen“ zu Aufbau-Organisationsformen oder direkten Meinungen, dieses oder jenes sei besser als das andere. Dazu gehört u. a. auch die „Zentralisierung“ als Wunderwaffe im Themenfeld der Reduktion der „Komplexität“ (was auch immer man darunter verstehen mag) und der „Kosten“. Leider ist dies wohl in großen Teilen nur ein Mythos. Wer in seinem Leben schon einmal ein Restrukturierungsprojekt gemanagt oder als Betroffener über sich ergehen lassen musste, weiß genau, dass der klassische Ablauf – von Praktikern auch böse als „Schweinezyklus“ bezeichnet – der ist, immer genau das vorzuschlagen, was das Gegenteil der aktuellen Struktur darstellt, und es so abzuwandeln, dass man (a) die aktuellen „Modetrends der Organisation“ nutzen sowie (b) die versteckten persönlichen Ziele der Auftraggeber im Top-Management erfüllen kann. Dies hat neben der Frage „Funktionale / Divisionale / Matrix- et al. (Makro-) Organisation“ in der Tendenz nicht selten zwei Schwerpunkte: 1. Backoffice-Einheiten in der Fläche, 2. Konzerngesellschaften. Blick auf die Backoffice-Einheiten Beginnen wir mit 1.: Verfügt man über mehr als ein Backoffice in der Fläche, kommt umgehend (und meist im Detail ungeprüft) der Vorschlag, die dort abgewickelten Aufgaben zu „zentralisieren“, um mindestens 30 Prozent der FTE einzusparen (insb. im „Overhead“ der Einheiten, also den Führungsebenen und ggf. vorhandenen Stabsstellen). Schade, dass dabei nicht selten Folgendes gilt: Z Z Z Z Können nicht alle Aufgaben zentralisiert werden, dann bleiben die Flächeneinheiten als solche existent und damit auch zumindest große Teile der Führungs- und Stabsbereiche, der Sach- und anderer Kosten. Sind Aufgaben ohnehin umfassend von der IT abgedeckt, wird es real kaum größere Einsparungen geben, denn die neue Zentralstelle muss diese analog zum alten Zustand abwickeln – mit dann erweiterter, eigener IT-Kapazität für mehr Transaktionsvolumen. Ist diese Kapazität aber ausreichend, dann hat man schon vorher einen Fehler begangen, den man auch anders hätte beheben können. Es geht der lokale Bezug verloren, der ggf. bis dato einen Wettbewerbs- oder zumindest Effizienzvorteil darstellte, weil z. B. die lokalen Mitarbeiter ihre Kunden und Lieferanten sehr gut, nicht selten persönlich kannten, dies aber leider 500 Kilometer entfernt nicht mehr der Fall ist, und neben Kundenverlusten Mehrarbeit und höhere Risiken bedeuten dürfte. Wird im Grenzfall gar eine mit dem Thema bisher nicht vertraute (z. B. externe) Einheit oder eine Einheit mit bisher anderer IT / anderen Prozessen mit den Aufgaben betraut, muss diese ihre IT anpassen und ggf. sogar eine solche (typischerweise: „Gegen Einwurf von hohen Geldsummen“) neu aufbauen, um die Kundenwünsche abdecken zu können. Alternative Handlungsweisen sind bestenfalls für Monopolisten denkbar, die ihre Kunden (un-) sanft darauf hinweisen können, dass es nun anders sei. An Rationalität glaubende Menschen könnten sich jetzt fragen, wie man nur auf solche Ideen kommen kann. Die versteckten Antworten zu den Top-Manager-Denkweisen lauten typischerweise: Z Weil man an die Modeworte glaubt, die der Berater vorträgt – oder glauben möchte, damit man dann öffentlich sagen kann: „Wir sind ‘State of the art’“. Z Weil man damit als Top-Manager persönlich ungeliebte Führungskräfte in der Fläche in ihren Machtpositionen (die nicht selten im allgemeinen Blick über FTE-Mengen definiert sind) reduzieren, wenn nicht gar komplett „entsorgen“ kann (falls es so doch gelingt, große Standorte zu schließen). Z Weil man damit „schöne“ Führungspositionen am neuen Zentralstandort mit Menschen besetzten kann, die man als Top-Manager dort gern sehen würde. Z Weil man als Top-Manager glaubt, dass es irrelevant ist, wenn es dann nicht mehr so gut funktioniert wie vorher und später doch wieder teurer wird – „Hauptsache die FTE sind abgebaut / die Show ist gut“, und man kann die Einsparungen in der Öffentlichkeit noch vor der Umsetzung verkünden. Z Weil man damit den (zentralen) „Empfänger“ retten kann, der ohne den Zufluss an FTE, ggf. auch zugerechneten Erlösen (die bisher dezentral anfielen) in Probleme geraten wäre oder es bereits ist. Dies gilt umso mehr, wenn man als Top-Manager persönlich dafür verantwortlich war oder ist, dass die zentrale Einheit so ist, wie sie ist … Z U. v. m. Man sieht, da hört die monetäre Rationalität auf, und es siegt der individuelle Nutzen derjenigen, die die Reorganisationen veranlassen. Die Denkweise und das Ergebnis kann man auch als „personenzentrierte Organisation“ bezeichnen; sie dürfte große Teile der Praxis prägen. 05 // 2021 29

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