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die bank 05 // 2021

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT „Green QE“ als

MARKT „Green QE“ als Wegbereiter einer nachhaltigen Transformation? Mit dem Leitzins auf Nullniveau verlegte sich die EZB zunehmend auf geldpolitische Lockerungen (Quantitative Easing, QE) in Form verschiedener Finanzmarktinterventionen wie beispielweise dem Ankauf von Staats- und Unternehmensanleihen. Dabei handelt sie nach dem Prinzip der Marktneutralität, wonach die EZB die jeweiligen Kapitalmarktsegmente durch ihre Interventionen weder verzerrt noch einzelne Staaten oder Unternehmen bevorzugt – die EZB „buys the market“. Die angestrebte Neutralität begünstigt in dieser Form jedoch CO2-intensive Industrien und Investitionen. So stammen 63 Prozent der von der EZB seit 2016 im 242 Mrd. € schweren Corporate Sector Purchase Programme erworbenen Unternehmensanleihen aus nur wenigen Sektoren, deren CO2-Emissionen jedoch maßgeblich zum Klimawandel beitragen. 2 Ende 2020 warf EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Frage auf, inwieweit die EZB bei Ankäufen für ihr geldpolitisches Portfolio verstärkt Klimarisiken berücksichtigen sollte. Sie könnte damit dem Beispiel der Bank of England folgen, die beim Ankauf von Unternehmensanleihen bereits im Laufe dieses Jahres auf ökologische Nachhaltigkeit achten wird. Eine Privilegierung „grüner Anleihen“, die im Sinne der EU-Taxonomie als nachhaltig gelten, würde deren Preis erhöhen, wodurch klimaschonende Vorhaben günstiger finanziert werden könnten. Kritische Stimmen geben jedoch zu bedenken, dass der Nachfrageschub nicht nur die Preise und Renditen der gekauften Anleihen beeinflussen würde, sondern die Finanzierungskosten in der Wirtschaft insgesamt drücken würden. Eine geldpolitische Umweltstrategie könnte also eine weitreichende Kapitalreallokation anstoßen, deren Verteilungs- und Wettbewerbswirkungen schwer zu prognostizieren sind. Unabhängig von Überlegungen zu grünen Ankaufprogrammen haben sich der EZB-Rat sowie die 19 nationalen Zentralbanken im Euroraum auf einen gemeinsamen Rahmen für die Anwendung nachhaltiger Anlageprinzipien für die von ihnen verwalteten nicht-geldpolitischen Anleihen-Portfolios verständigt. Dazu zählen beispielsweise Eigenkapitalanlagen, Rücklagen und Rückstellungen. Die stärkere Gewichtung klimafreundlicher Anleihen dient dabei als Vorbild für weitere Finanzinstitute. Klimaschutz als Aufgabe der Bankenaufsicht In ihrer Funktion als Bankenaufsicht für die 115 größten der rund 6.000 Geschäftsbanken der Eurozone ist die EZB darauf bedacht, Störungen vom Finanzsystem abzuwenden. Dabei trägt die EZB Sorge dafür, dass Kreditinstitute Klimarisiken adäquat in ihren Risikosystemen abbilden. So beeinflussen beispielsweise der Verlust von Vermögenswerten, der Wertverfall von Sicherheiten oder non-lineare Folgen von Klimakatastrophen die Risiken der Kre- ditvergabe. Die Bank of Canada startete Ende 2020 ein Pilotprojekt, um Klimarisiken mithilfe detaillierter Szenarien bewerten zu können. Zudem könnte die EZB die Großbanken im Sinne der Finanzstabilität zukünftig darauf verpflichten, Umweltrisiken mehr Bedeutung bei der Kreditvergabe einzuräumen. Dieses Szenario erscheint plausibel, wenn man bedenkt, dass die fortschreitende Transformation des Wirtschaftssystems die Geschäftsmodelle ganzer Industrien infrage stellt. Banken, die Anleihen entsprechender Unternehmen als Sicherheiten halten, werden Wertverluste kompensieren müssen. Im November 2020 veröffentlichte die EZB einen Leitfaden, der beschreibt, wie Banken relevante Klima- und Umweltrisiken im Rahmen der geltenden aufsichtlichen Anforderungen steuern und offenlegen sollten. Für 2022 kündigte die Notenbank einen entsprechenden Stresstest an. Mit ihren Plänen ist die EZB nicht allein. Auch die U. S. Federal Reserve plant, Klimarisiken sowohl bei der Überwachung des Finanzsystems als auch bei der Aufsicht über Einzelinstitute stärker in den Fokus zu rücken. Die Überwachung der kleineren Banken der Eurozone liegt in der Verantwortung nationaler Aufsichtsbehörden. Für diese entwickelt die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) einheitliche Standards. Um umweltund klimabezogene Aktivitäten transparent zu machen, fordert die EBA, dass Banken zukünftig den Anteil klimafreundlicher Geschäfte offenlegen müssen (Green Asset Ratio). Als 16 05 // 2021

MARKT Klassifizierungssystem wird die EU-Taxonomie zugrunde gelegt. Ferner stellt die EZB die monetäre Basis bereit, die Geschäftsbanken über Kredite als Buchgeld an ihre Kunden weiterreichen. Im Gegenzug hinterlegen sie beispielsweise Staats- und Unternehmensanleihen als Sicherheiten bei der Notenbank. Auch an dieser Stelle könnte die EZB Anreize schaffen, um neben Ausfallrisiken auch Umweltkriterien stärker zu gewichten. Die chinesische Zentralbank akzeptiert bereits heute grüne Anleihen als Sicherheiten. Die Privilegierung grüner Anleihen stößt Multiplikatoreffekte an, da Geschäftsbanken incentiviert werden, verstärkt auf klimafreundliche Anlagen zu setzen. FAZIT Der Handlungsspielraum der EZB wird durch ihr Mandat bestimmt, und dieses kann grundsätzlich auch die Unterstützung klimapolitischer Ziele im Rahmen der Notenbankstrategie einschließen. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass eine „grüne Geldpolitik“ die Allokation von Kapital maßgeblich beeinflussen würde. Es ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass Kritiker eine Industriepolitik der Notenbanken ohne parlamentarische Kontrolle befürchten. Klimafreundliche Interventionen könnten zur Folge haben, dass der Druck auf die EZB wächst, zukünftig auch weitere gesellschaftliche oder politische Ziele zu unterstützen. Die Wahl „grüner“ Notenbankinstrumente wird daher wohl ein steter Balanceakt bleiben. Autor Florian Pestel ist Manager bei der Unternehmensberatung Berg Lund & Company und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Green Banking und Sustainable Finance. 1 Artikel 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Original: Consolidated Version of the Treaty on European Union - Title I: Common Provisions - Article 3). 2 Dafermos, Gabor, Nikolaida et al. (2020): Decarbonising is easy. Beyond Market Neutrality in the ECB’S Corporate QE. 05 // 2021 17

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