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die bank 05 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG DIGITALE

DIGITALISIERUNG DIGITALE TRANSFORMATION Chatbots als Chance im Kundenservice Die Digitalisierung verändert das Banking. Das ist bereits überall sichtbar: Immer mehr Banken fahren die Anzahl ihrer Geldautomaten und Filialen – also das Herz des Kundenservices – zurück. Gleichzeitig verlangen die Kunden eine immer nahtlosere „Customer Experience“. Alles soll möglichst einfach, im besten Fall bargeldlos, ortsunabhängig und bitte ohne Wartezeiten funktionieren. Digitale Lösungen können hier Abhilfe schaffen. In welche Richtung es gehen könnte, zeigen junge FinTechs wie N26, Atom Bank, Fidor Bank oder Transferwise. Sie adressieren die Anforderungen der Nutzer mit einem kundenzentrierten Serviceverständnis und einer digitalen Denke. Aber auch große Technologiekonzerne wie Google oder Apple wollen ihr Stück vom Kuchen und erschließen das Thema Banking zunehmend als neues Geschäftsfeld. Dabei haben sie vor allem die jüngeren, ausprobierfreudigen Zielgruppen im Visier. Neben den neuen Geschäftsmodellen, die sich meist am Prinzip „mobile first“ orientieren, winken zudem innovative Technologien. Sie können die bisherige Infrastruktur im Kundenservice grundlegend verändern. Ganz vorne dabei: Chatbots. Chatbots – eine neue Art der Kommunikation Hype, Hype, Super-Hype: Das Thema Chatbots ist kaum mehr aus den Köpfen der Entscheider wegzudenken. Trotzdem erkennen viele Manager noch nicht das gesamte Potenzial dieser „intelligenten Assistenten“. Besonders die Möglichkeiten der Integration von künstlicher Intelligenz (KI) sind immer noch nicht greifbar. Bisher ist gerade KI aus Unternehmenssicht auf die Themen Data Analytics und Predictive Analysis beschränkt – insbesondere im Bankensektor. Die Fragen, die es künftig zu beantworten gilt, lauten daher: Was kann diese neue Technologie? Ist sie für die Kundenkommunikation geeignet? Hält sie den Anforderungen der gewohnten Kontaktpunkte stand? Wohin kann eine automatisierte (und damit unkontrollierte) Kommunikation ausufern? Werden Webseiten und Apps durch Chatbots obsolet? Sind Chatbots in der Lage, komplexe Zusammenhänge zu erkennen und Anfragen im Kontext sinnvoll zu beantworten? Was Siri und Co. heute können Chatbots sind Computerprogramme, die auf Grundlage künstlicher Intelligenz eine Konversation mit einem Menschen simulieren. Sie sind text- oder sprachgesteuert und können dem Kunden beispielsweise auf Smart TVs, Emerging Devices wie Amazon Echo, Webseiten, in Apps oder Messenger-Diensten zur Verfügung gestellt werden. Hierbei variiert die künstliche Intelligenz in Qualität und Anwendung sehr stark. Seit vielen Jahren wird im Rahmen der künstlichen Intelligenz mit der Erzeugung von Gesprächen experimentiert. Momentan können Unternehmen für ihre Messenger- Bots klare Anwendungsfälle definieren und die Kunden schnell durch einen vorgegebenen Prozess navigieren. Hierbei lernt der dahinter liegende Algorithmus ständig dazu und passt sich dem Verhalten der Nutzer an. Teils automatisch durch Datenbanken, teils durch manuelle Erweiterung der Datenbasis. Das sprachgesteuerte Siri ist sicherlich eines der populärsten Beispiele. Bisher haben sich Chatbot-Anwendungen besonders in Märkten wie den USA und China etabliert. Im Reich der Mitte dominieren sie im sehr populären Messenger-Dienst WeChat die Kommunikation mit Unternehmen und machen viele Anwendungen innerhalb des Messengers möglich: Geldtransfers, Taxibuchungen oder Pizza-Bestellungen. In Deutschland gilt Eve von Yellow Strom als Vorreiter. Eves Wissen wurde in ca. 60 Kategorien gegliedert und mit der gesamten Website und einer Vielzahl externer Links verknüpft. Kunden konnten auf der Yellow-Strom-Webseite Fragen zur Rechnung stellen oder einen persönlichen Gesprächstermin vereinbaren. So konnten lange Wartezeiten an der Hotline vermieden werden. Den Nutzer abholen, wo er sich aufhält Auch für die Banking-Branche kann sich das Experiment mit den Chatbots lohnen. Denn die Welt chattet. Das Smartphone ist mittlerweile ständiger Begleiter der Menschen. Es wird täglich hundertfach gecheckt – am häufigsten stehen dabei klassischerweise Social- Media-Apps und Messenger-Dienste im Nutzerfokus. Öffnen sich diese Kontaktpunkte für Chatbots, ergeben sich für Marken ganz neue Möglichkeiten der digitalen Präsentation. Daher sollten auch Banken diese Möglichkeit einsetzen, um mit Chatbots ihre Kunden wieder dort abzuholen, wo sie sich sehr häufig befinden: im Chat auf dem Smartphone. Chatbots runden das neue digitale Ökosystem ab und sollten in der Omnichannel- Strategie eine tragende Rolle spielen. Sehr wahrscheinlich werden sie in Zukunft mehr Traffic erzeugen als Websites. Das User Interface und die User Experience der Messenger werden zunehmend mehr Spielraum bieten, um Inhalte markengerecht darzustellen. Die weltweit bekanntesten Messenger We- Chat, Facebook Messenger, WhatsApp und 46 05 // 2017

DIGITALISIERUNG Kik haben mittlerweile ihre Dienste für externe Anwendungen wie Bots geöffnet. Sie haben technische Schnittstellen für Entwickler von externen Anwendungen geschaffen. Kik, sehr populär in den USA, hat bereits einen Bot- Store eröffnet. Dieser ist vergleichbar mit den App-Stores von Apple und Google und bietet die Möglichkeit, Bot-Anwendungen zentral in einem Portal zu bewerben. Auch die populäre Collaboration-Plattform Slack hat ihre Pforten für zahlreiche externe Anwendungen geöffnet. Ein gutes Beispiel ist etwa der in Slack integrierte Taco Bell-Bot. Mit seiner Gruppenorder- Funktion für den ‚Fast Food Lunch’, ist er in den USA bereits ein großer medialer Erfolg. Chatbots als digitale Helfer für standardisierte Prozesse Die Anwendungsmöglichkeiten von Chatbots sind vielfältig und erste Ergebnisse durchaus imposant. Der kanadische Telekommunikations-Anbieter Rogers reduzierte mit seinem Bot Service-Beschwerden um bis zu 65 Prozent. Und Mildred von Lufthansa hilft dabei, einen Flug in weniger als 30 Sekunden zu finden. Die Anwendungsmöglichkeiten von Chatbots lassen sich in fünf Cluster unterteilen: Lead/Loyalty (z. B. Probefahrtbuchung), Sales (z. B. Website im Messenger mit Checkout-Möglichkeit), Customer Care (z. B. Beantwortung der FAQs via Messenger), Productivity (z. B. einfacheres Auffinden von Informationen für Sales-Mitarbeiter) sowie Entertainment (z. B. Nutzung des Kanals als kommunikativem Markenbotschafter). Auch das Thema Education darf als großer Bereich nicht vergessen werden. Bildungs-Bots werden zukünftig spielerische Weiterbildung ermöglichen. Chatbots in Finance und Banking Das Thema Datensicherheit spielt im deutschen Banking-Sektor eine große Rolle. Bei vielen Bankmanagern schrillen vermutlich die Alarmglocken schon bei der bloßen Vorstellung, etwa Überweisungen im Messenger zu tätigen. Fakt ist allerdings: In den USA und in China wird Geld bereits heute per Messenger transferiert – Tendenz steigend. Auch für Unternehmen gibt es bereits die Möglichkeit, Kunden Produkte oder Dienstleistungen direkt in einem Messenger bezahlen zu lassen. Neben Facebook hat kürzlich auch PayPal Bezahldienste im Messenger ausgerollt. Und auch erste Banken springen direkt auf den Chatbot-Zug auf: Etwa hat die Bank of America angekündigt, Ende 2017 den Banking-Bot Erica zu launchen. Erica soll die Möglichkeit bieten, über Text- und Sprachsteuerung mit der Bank zu interagieren. Den Nutzern soll er helfen, das Ausgabeverhalten zu verbessern oder einen schnelleren Überblick über die eigenen Finanzen zu erhalten. Weitere interessante Anwendungsmöglichkeiten für die Finanzbranche sind einfache Push-Benachrichtigungen bei Abbuchungen, schnelle Kontenund Umsatzanzeigen, Konto-Eröffnungen oder eine schnelle Filial- und Bankautomatensuche. Auch das Beantragen von Krediten oder Customer-Care-Anfragen spielt eine große Rolle. In Deutschland hat nun die Sparkasse erstmalig einen Bot im Facebook Messenger eingesetzt, um auf eine erfrischende Art und Weise das neue Produkt Kwitt zu kommunizieren. FAZIT Chatbots haben das Potenzial, dem Kunden eine neue Art der Kommunikation sowie mehrwertige Services zu bieten. Banken sollten sich wegen des Themas Datensicherheit nicht davon abschrecken lassen, mit Chatbots zu experimentieren. Vielmehr sollten sie versuchen, klare Use Cases zu de finieren, mit denen sie das Leben der Kunden ein Stück einfacher gestalten können. Diese intelligenten Assistenten bieten Banken zudem die Chance, vor allem die Zielgruppe der Millennials dort zu bedienen, wo sie sich am häufigsten befindet – im Messenger. Die Technologie ist aber nicht das Allheilmittel der Branche: Ihr volles Potenzial werden sie künftig nur als Teil einer guten und durchdachten Omnichannel-Strategie der Banken entfalten können. Diese gilt es schnell zu entwickeln und umzusetzen, sonst verpassen gerade deutsche Finanzdienstleister den internationalen, digitalen Anschluss. Den Mutigen steht eine große Bandbreite an Möglichkeiten offen. Was zählt, ist nicht Perfektion. Es sind die Schnelligkeit und die Eindeutigkeit des Anwendungsfalls sowie der Wille, Neues auszuprobieren. Autoren: Florian Wienbrügge ist Partner des Berliner Innovation Studios Martian & Machine. Mathias Blüm ist Partner und Geschäftsführer der Berliner Digital Consulting Firma Netural diffferent. 05 // 2017 47

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