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die bank 05 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULIERUNG BESTEUERUNG

REGULIERUNG BESTEUERUNG VON KAPITALANLAGEN Auslaufmodell versus Neuerung Die grundlegenden Veränderungen in der Besteuerung von Kapitalanlagen müssen frühzeitig im Rahmen der strategischen Kapitalanlage berücksichtigt werden, sofern dies angesichts häufiger Wechsel in der Steuersystematik überhaupt noch möglich ist. Für die Institute erhöht sich durch komplexe und kostenintensive Umsetzungsprojekte in kurzer Zeitabfolge der Aufwand in zunehmendem Maße. Das Land Brandenburg hat im November 2016 im Bundesrat eine Initiative zur Abschaffung der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent auf Kapitaleinkünfte gestartet. Hinzu kommen noch der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer. Das sollte von der Höhe her genügen, sagen die einen. Schließlich werden die Erträge aus bereits versteuertem Geld wie etwa dem Arbeitseinkommen dann ein weiteres Mal besteuert. Andere sagen, die 25 Prozent seien eine Privilegierung gegenüber einem persönlichen Einkommenssteuersatz im Privatvermögen von in der Spitze bis zu 42 Prozent bzw. 45 Prozent, weshalb auch Kapitaleinkünfte dem persönlichen Steuersatz zu unterwerfen seien. Initiative im Bundesrat und Scheindebatte? Bei der letztgenannten Sichtweise wird gerne verschwiegen, dass die meisten Anleger diese hohen Steuersätze nicht erreichen. 45 Prozent werden nämlich erst für jeden Euro Einkommen fällig, der rund 256.000 € übersteigt (Grenzsteuersatz). Dabei sind die Einkünfte – bei Angestellten der Bruttoarbeitslohn – noch nicht einmal die Bemessungsgrundlage, sondern das typischerweise um bestimmte Abzugsposten wie Sonderausgaben gekürzte und somit niedrigere sogenannte zu versteuernde Einkommen. Bei 54.000 € beträgt der Grenzsteuersatz 42 Prozent, während der Durchschnittssteuersatz auf die gesamten 54.000 € mit weniger als 30 Prozent deutlich darunter liegt. Es könnte sich also um eine Diskussion handeln, die in eine Scheindebatte zur viel beschworenen Steuergerechtigkeit mündet. Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob die von der Politik so oft betonte Förderung der privaten Vorsorge nicht konterkariert wird, sind durch einen Wechsel der Besteuerungsystematik doch kaum Erleichterungen zu erwarten. Hier fehlt ein übergreifender und überzeugender Plan, der durch ministerialen Dissens ausgelöste widersprüchliche Signale vermeidet. Anlegern ist angesichts dieser Gemengelage zu raten, stets einen kundigen und im Kapitalanlagesteuerrecht versierten berufsständischen Steuerexperten zu konsultieren. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Abführung der Abgeltungssteuer derzeit grundsätzlich nur von einer inländischen Depotbank durchgeführt wird. In bestimmten Konstellationen jedoch, etwa bei Involvierung ausländischer Depotbanken, ist die Abführung der Abgeltungssteuer nicht gesichert, sodass der grundsätzlich steuerlich verpflichtete Anleger selbst für die Steuerzahlung sorgen muss. Auslaufmodell? Die Abgeltungsteuer wurde 2009 eingeführt. Sie sollte der Eindämmung der Steuerflucht insbesondere jener Anleger dienen, die Kapitalerträge vor der als zu hoch empfundenen persönlichen Einkommenssteuer illegalerweise „in Sicherheit bringen“ wollten. In der Zwischenzeit hat der Gesetzgeber mit Einführung des internationalen automatischen Informationsaustauschs jedoch ein recht wirksames Mittel gegen Kapitalflucht und Steuerhinterziehung geschaffen, wie zahlreiche Selbstanzeigen in den letzten Jahren offenbaren. Seit 2017 bzw. ab 2018 werden nach und nach mit den USA und rund weiteren 100 OECD-Staaten und Gebieten Daten über Kontoinformationen und ausländischen Einkünften ausgetauscht. Mit solchen Maßnahmen steigt das Entdeckungsrisiko für Steuerbetrüger erheblich. Der Bundesrat hat sich inzwischen mehrheitlich der Initiative des Landes Brandenburg zur Abschaffung der Abgeltungssteuer angeschlossen und den Antrag zur weiteren Beratung in den Finanz- und Wirtschaftsausschuss überwiesen. Es ist mithin denkbar, dass die Tage der Abgeltungssteuer gezählt sind. Investmentsteuergesetz ab 2018 wirft Schatten voraus Ab 2018 steht zudem ein gesetzlich schon beschlossener und weitreichender Wechsel der Steuersystematik an. Es geht dabei um die Abkehr vom bisherigen Transparenzprinzip bei der Besteuerung von Investmentanteilen. Das bis Ende 2017 gültige Prinzip postuliert die Besteuerung des Anlegers, nicht des jeweiligen Fonds. Der grundlegende Wechsel im Investmentsteuergesetz wirft bereits seine Schatten voraus. Diese maßgebliche Neuerung kann und sollte anlagestrategisch schon jetzt berücksichtigt werden. Anders als bisher werden Investmentanteile künftig selbst zum Steuersubjekt und folglich besteuert, was den Ertrag des Investors 40 05 // 2017

REGULIERUNG zunächst schmälert. Auf Anlegerebene wird es deshalb je nach Fondstyp (z. B. Aktienfonds, Mischfonds) verschiedene „Entlastungen“ geben, die einer Teilfreistellung von der sonst zu stark steigenden Steuerlast gleichkommen. Allerdings zeigen Vergleichsrechnungen, dass ein steuerlich als Mischfonds eingestuftes Investment je nach Konstellation zum Beispiel einen um 10 Prozent oder 25 Prozent höheren Gewinn erzielen muss, um auf das gleiche Veräußerungsergebnis nach Steuern zu kommen wie ein Aktienfonds. 2 Das lädt zur steuerlichen Arbitrage ein. In der fachlichen und technischen Umsetzung in den Banken stellen sich darüber hinaus Fragen wie: Zählt ein Aktienindex oder ein Indexfuture zur steuerlichen Aktienquote, und wie erfolgt die Anrechnung? Was gilt für Aktienoptionen oder Optionen auf Aktienindexfutures? Müssen Short-Positionen dagegengerechnet werden, und wenn ja, wie? Die Höhe der Entlastungssätze hängt zudem davon ab, ob die Anteile im Betriebs- oder Privatvermögen gehalten werden. Auch sollte bei Anlageentscheidungen bedacht werden, wie der steuerliche Systemwechsel vollzogen wird. Denn für den Altbestand, das heißt die vor 2009 gekauften Fondsanteile gilt, dass künftig nur noch die bis 31. Dezenber 2017 aufgelaufenen Gewinne Bestandsschutz genießen. Zum 31. Dezember 2017 unterstellt der Steuergesetzgeber nämlich fiktiv den Verkauf der Anteile, und zwar selbst dann, wenn de fakto gar nicht verkauft wird. Einen Tag später zum 01. Januar 2018 wird steuerlich stets ein Kauf eben jener Anteile fingiert. Die Depotbank hat hierbei den rechnerischen (in der Regel nicht realisierten) Gewinn aus der Veräußerungsfiktion zu ermitteln und die Daten bis zur tatsächlichen, späteren Veräußerung vorzuhalten. 3 Dies ermöglicht dem Fiskus, ab 2018 in das neue Steuerregime überzuwechseln, auch wenn die Anteile ununterbrochen im Depot verweilen. Somit endet 2018 insbesondere der bislang zeitlich und betragsmäßig unbegrenzte Bestandsschutz für die oben genannten Altanteile. Stattdessen wird ein nach oben gedeckelter Freibetrag von 100.000 € eingeführt, der für ab 2018 anfallende Gewinne aus Veräußerung von Investmentanteilen des Altbestands eingeräumt wird. Auswirkungen schon heute berücksichtigen Wegen des Freibetrags erscheint der Wechsel der Steuersystematik kurzfristig gesehen akzeptabel. Langfristig aber wirkt der Wegfall des unbeschränkten Bestandsschutzes wesentlich stärker als der abmildernde Freibetrag glauben machen möchte. Repressalien für den oft gezwungenermaßen privat vorsorgenden Anleger finden sich folglich tief im Steuerdickicht, das aufgrund der Komplexität medial nicht angemessen thematisiert wird, schon gar nicht in der verbreiteten Talkshow-Maschinerie. Dort geht es allenfalls oberflächlich um die angebliche Steuergerechtigkeit – oder ausschließlich um Wählerstimmen? Dem ab 2018 geltenden Investmentsteuer-Gesetz liegt noch die Abgeltungssteuer zugrunde. Überlebt diese nicht, muss das neue Investmentsteuerrecht abermals angepasst werden. Dadurch dürfte die Komplexität, die nicht nur steuerrechtlich, sondern auch anlagestrategisch von Bedeutung ist, weiter zunehmen. Durch häufiges Wechseln der Steuerregimes steigt in jedem Fall die Unsicherheit und somit die Unwägbarkeit in der strategischen Anlageplanung, sofern überhaupt noch von Planbarkeit gesprochen werden kann. FAZIT Für die Banken bedeutet ein häufiger Wechsel ganzer Steuersystematiken einen erheblichen, mit hohen Kosten einhergehenden Umsetzungsaufwand in Projekten ohne unmittelbaren Kundenbezug, der zudem qualifiziertes Personal bindet. Ob das für die deutsche Bankenlandschaft der geeignete Weg ist, um international zumindest ein wenig aufzuschließen, muss bezweifelt werden. War da nicht einmal etwas von wegen Bürokratieabbau? Autor: Dr. Alexander Suyter ist Geschäftsführer der Dr. Suyter GmbH, München. 1 Dem Transparenzprinzip zufolge ist der Anleger von Investmentanteilen grundsätzlich so gestellt wie bei einer Direktanlage zum Beispiel in Aktien. 2 Ein Fonds qualifiziert sich steuerlich zum Beispiel dann als Aktienfonds, wenn mindestens 51 Prozent der darin enthaltenen Gelder dauerhaft in Aktien angelegt sind, ein Mischfonds durch eine Aktienquote von über 25 Prozent und weniger als 51 Prozent. 3 Banken könnten den Depotinhabern dafür im Depotauszug eine Art steuerliche Rückstellung ausweisen, damit der Anleger bei Verkauf von Investmentanteilen durch den erst dann vorzunehmenden Steuerabzug keine für ihn unerwartete Überraschung erlebt. 05 // 2017 41

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