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die bank 05 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT Kühl kalkulierte Konzepte um spannende Spiele FUSSBALLFINANZIERUNG Professionelle Finanzierungslösungen für den deutschen und europäischen Profifußball können sich zu einem lukrativen Nischenprodukt für die Banken entwickeln, zu einem Geschäft mit Ausblick auf gute und sichere Renditen. Allerdings herrscht zugleich Rechtsunsicherheit. So läuft aktuell ein Rechtstreit zwischen einem Torhüter und seinem – ggf. nur vermeintlich – früheren Club, der für die Branche ähnlich gravierende Folgen haben könnte wie einst das bekannte „Bosman-Urteil“. Es geht um derzeit noch ungeklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Wie passen ungeklärte Rechtsfragen und kühl kalkulierte Finanzierungskonzepte zueinander? Lars Figura | Jörg Wulfken Keywords: Geschäftsmodelle, Kreditlinien, Fananleihen Der Finanzierungsbedarf der Fußball- Clubs in den europäischen Top-Ligen steigt. Investitionen in Spieler, Stadien oder Trainingszentren erreichen häufig mittlere bis hohe zweistellige Millionenbeträge. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Fernsehübertragungsrechten und aus Sponsoring-Verträgen stiegen in den zurückliegenden Jahren ebenfalls stetig an. Betrachtet man längere Zeiträume, dann sind die Preisentwicklungen sogar exponentiell – und zwar auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite gleichermaßen. Die Ausgaben für neue Spieler basieren dabei häufig auf optimistischen Annahmen. Gleichwohl sind Insolvenzen in der 1. Bundesliga bislang ausgeblieben – und in der 2. und 3. Liga die seltene Ausnahme. Angesichts anhaltend steigender Einnahmen aus Fernsehrechten, Werbung und Spielertransfers sind zunehmend professionelle Finanzierungslösungen gefragt, sowohl bei kaufenden als auch bei verkaufenden Clubs. Damit wird das internationale Fußballfinanzierungsgeschäft für Banken, Versicherungen und Fonds immer interessanter. Risiken identifizieren und analysieren Es ist aber unerlässlich, die Risiken genau zu kennen. Landläufig gilt das Zurückbleiben des sportlichen Erfolgs hinter den Erwartungen als maßgebliches Risiko. Eine Beschränkung auf diesen Aspekt wäre für einen Finanzier aber verkürzt. Die Einkünfte der Clubs hängen natürlich entscheidend vom sportlichen Erfolg ab. So werden etwa die TV-Gelder aus der Ligavermarktung nach einem Schlüssel an die Clubs verteilt, der sich an den jeweiligen Tabellenplätzen am Ende der Saison orientiert. Zudem setzen Teilnahmegelder und Punktprämien in europäischen Wettbewerben die Qualifikation voraus. Für eine Risikobetrachtung und -bewertung lassen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser (Miss-) Erfolge aber recht simpel berechnen – und sind damit gut kalkulierbar. Anders ausgedrückt: Einnahmenkalkulationen auf Basis pessimistischer Annahmen sind unbeliebt, aber unproblematisch. Das Risiko eines Finanziers besteht in dieser Hinsicht allenfalls in der Falschbewertung der für die Finanzierung gestellten Sicherheiten infolge der Besonderheiten des Sports. Entscheidend ist daher, welche Sicherheiten ein Club für den Fall anbieten kann, dass die erwarteten oder erhofften sportlichen Erfolge ausbleiben – und wie diese Sicherheiten zu bewerten sind. Häufig ist die größte Schwierigkeit dabei aber nicht eine Fehleinschätzung der erkannten Risiken, sondern deren vollständige Identifizierung. Denn Risiken ergeben sich häufig aus den besonderen rechtlichen Rahmenbedingungen im Sport. A priori entscheidend ist, eine Finanzierung unabhängig vom kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg eines Clubs zu strukturieren. Dies gelingt, wenn auf Forderungen aus Spielertransfers, auf Medien-, Werbe- und Vermarktungseinnahmen oder auf Teilnahme- und Erfolgsprämien aus internationalen Wettbewerben zurückgegriffen werden kann. Vorstellbar ist dies sowohl als klassische Kreditsicherheit als auch in Form von Asset- Based- oder Limited-Recourse-Finanzierungen, bei denen die Kapital- und Zinszahlungen ausschließlich von den zugrunde liegenden Aktiva abhängen. Eine weitere Variante sind Forderungskäufe, die ähnliche Finanzierungseffekte haben. Die Besonderheiten des „lex sportiva“ Grundsätzlich ist zu beachten, dass Transfererlöse und Forderungen gegen Verbände wie UEFA, FIFA oder DFB stets auf der „lex 34 diebank 05.2016

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó sportiva“ beruhen – also dem von den Verbänden selbst gestalteten Rechtsrahmen. In diesem Bereich gibt es weder staatliche Bestandsgarantien noch rechtlichen Vertrauensschutz. Ein Beispiel hierfür ist das Anfang 2015 von der FIFA verfügte Verbot, nach dem sich Vereine den Kauf von Spielern nicht mehr von externen Geldgebern finanzieren lassen dürfen. Auch die Financial-Fairplay-Regeln der UEFA gehören in die Kategorie der Verbandsvorschriften, die starken Einfluss auf Forderungen gegen Clubs haben können. Und wer an eine Besicherung durch die Abtretung von Gesellschaftsanteilen denkt, sollte die „50+1-Regelung“ kennen: eine verbandsrechtliche Bestimmung im deutschen Fußball, die die Mehrheitsbeteiligung eines eingetragenen Vereins an einer ausgegliederten Kapitalgesellschaft zur Bedingung für die Lizenzierung (also für die Teilnahme am Spielbetrieb) macht. Fragen nach der Vereinbarkeit von sportlichen Regelwerken mit dem geltenden staatlichen Recht liegen nahe. Hierbei tauchen oft schwierige Abgrenzungsfragen auf, die regelmäßig verfassungsrechtliche Überlegungen erfordern. So kollidiert nicht selten das Recht der Verbände auf autonome Selbstbestimmung – die „Satzungsautonomie“ in Form der allgemein anerkannten und vielzitierten „Autonomie des Sports“ aus Art. 9 des Grundgesetzes – mit Grundrechten anderer Beteiligter. Die Fälle Bosman und Müller So können sich Sportler, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, auf die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 des Grundgesetzes berufen. Entsprechende Freiheitsrechte sind auch auf europäischer Ebene statuiert, und auch dort sind kollidierende Interessen von Verbänden und Vereinen Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen geworden. Das „Bosman-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1995 ist bislang das vermutlich bekannteste Beispiel für eine Unvereinbarkeit von Verbands- mit Europarecht und hatte weitreichende wirtschaftliche Folgen für Vereine, Spieler und natürlich Investoren. Damals stellte der Europäische Gerichtshof heraus, dass Profi-Fußballer in der Europäischen Union nach Ende eines Vertrags ablösefrei wechseln dürfen. Entscheidend waren ihre Einstufung als Arbeitnehmer im Sinn des EG-Vertrags und der damit verbundene Anspruch auf Freizügigkeit. Aktuell macht der Fall „Heinz Müller gegen Mainz 05“ Schlagzeilen: Der Torwart hatte gegen seinen „vermeintlichen“ Ex-Club geklagt, weil er nach der Verlängerung seines Vertrags im Jahr 2012 für weitere zwei Jahre in die zweite Mannschaft beordert worden war. Der Torwart sah sich durch diese Einstufung der Chance beraubt, dass sich sein Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Gemäß einer Klausel wäre dies nach einer bestimmten Anzahl von Einsätzen in der ersten Mannschaft der Fall gewesen. Das Arbeitsgericht Mainz gelangte zu der Ansicht, dass Fußballspieler arbeitsrechtlich nicht anders zu behandeln sind als andere Arbeitnehmer. Damit greife in diesem Fall das Teilzeit- und Befristungsgesetz, demzufolge ein Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds maximal auf zwei Jahre befristet werden darf. Da Müller bereits von 2009 bis 2012 auf Basis eines befristeten Vertrags für Mainz 05 spielte, sei das Limit längst überschritten, womit das Arbeitsverhältnis nun unbefristet bestehe. Allgegenwärtige Rechtsunsicherheit Das Landesarbeitsgericht Mainz kam in zweiter Instanz jedoch zu dem Schluss, dass die besondere Tätigkeit eines Fußballspielers einen „sachlichen Grund“ darstelle, der Befristungen über das Zweijahres- Limit hinaus rechtfertige. Die Richter dürften – die schriftlichen Urteilsgründe lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor – auf den „Verschleißtatbestand“ im Teilzeit- und Befristungsgesetz abstellen. 05.2016 diebank 35

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