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die bank 04 // 2021

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT

MANAGEMENT Sinnhaftigkeit und Interesse an einer Tätigkeit) beeinflussen im Zusammenspiel mit- und gegeneinander menschliches Verhalten. Auch Mechanismen der operanten Konditionierung – für welches Verhalten belohnt oder bestraft wird – stellt eine der Grundlagen für Anreizsysteme dar. Identifikation und Bewertung Der erste Schritt bei der konkreten Beschäftigung mit Risiken besteht in der Identifikation des Universums möglicher Risiken sowie der Bewertung dieser Risiken – im Bereich der Non-Financial Risks traditionell anhand von Eintrittswahrscheinlichkeiten und Auswirkungshöhe. Fehler, die an dieser Stelle passieren, beeinflussen den gesamten Risikomanagement-Prozess, da Risiken nicht oder nicht angemessen dargestellt werden und daher nicht effektiv gesteuert und überwacht werden. Die Vorbereitung der Risiko-Identifikation und -bewertung ist entscheidend. Durch die Auswahl an Themen, die konkrete Formulierung von Fragestellungen sowie die Moderation von Workshops können Ergebnisse erheblich beeinflusst werden. Psychologische Effekte, die in diesem Zusammenhang oft zum Tragen kommen, sind das sogenannte Priming sowie der Anchoring Effect. Bei Ersterem handelt es sich um eine Form der Aktivierung impliziter Gedächtnisinhalte durch einen vorangegangenen Reiz, die meist unbewusst abläuft – z. B. die berühmten Millisekunden Cola-Werbung mitten im Kinofilm, die zum Kaufen animieren soll. Beim „Anchoring“ hingegen bewirkt das Setzen eines Referenzwerts, dass eine Schätzung tendenziell in die Nähe dieses Werts fallen wird. In der Praxis bedeutet dies beispielsweise, dass ein finanzieller „Anker“ für die Schätzung der Schadenshöhe in so mancher Szenario- oder Risiko-Analyse dazu beitragen kann, die Risiko-Effekte zu unterschätzen. Dies erfolgt oft unbeabsichtigt, z. B. indem die eigene Datenhistorie herangezogen wird: Traten bislang keine größeren Verluste durch einen Cyber-Angriff auf, fällt die Schätzung der Effekte bei einem Cyber-Szenario unter Umständen 22 04 // 2021

MANAGEMENT zu gering aus, wenn diese (niedrigen) Werte als Startpunkt für die Schätzung verwendet werden. Auch die weltweiten Auswirkungen der Corona-Pandemie wurden in den Pandemie- Szenarien der Banken meist unterschätzt. Berichte aus der Zeit der Spanischen Grippe legen jedoch nahe, dass es durchaus globale Pandemien ähnlichen Ausmaßes im 20. Jahrhundert gab, die vergleichbare politische Maßnahmen hervorriefen und daher als Ankerpunkte für eine Szenario-Schätzung hätten herangezogen werden können. Auch kommt es nicht selten vor, dass derselbe Risikosachverhalt von unterschiedlichen Bereichen oder gar schon Nachbarabteilungen unterschiedlich schwerwiegend eingeschätzt wird. Hierbei spielen nicht nur kulturelle Faktoren (z. B. inwieweit das mittlere Management in seinem Bereich Risikotransparenz fördert) und Risiko-Awareness (Werden Risiken überhaupt als solche erkannt und wahrgenommen?) eine Rolle, sondern zumeist auch Gruppeneffekte. So kann „Group Think“ – die Tendenz, dass eine Gruppe als Ganzes homogenere Entscheidungen trifft als es die Einzelpersonen im Mittel tun würden, da jedes Gruppenmitglied seine Meinung unbewusst an die erwartete Gruppenmeinung anpasst – dazu führen, dass kritischere Meinungen bei der Entscheidungsfindung vernachlässigt werden. Begünstigt wird diese Tendenz, neben gezielter Beeinflussung durch die Führungskraft, insbesondere durch eine ohnehin starke Gruppen-Kohäsion, Homogenität der Gruppe sowie ein ausgeprägtes Konsensstreben – je stärker das Harmoniebedürfnis der Gruppe oder des Managements, desto seltener werden Einzelmeinungen persistent vertreten, auch wenn diese vielleicht objektiv das sinnvollste Vorgehen aufzeigen würden. Die Relevanz psychologischer Effekte bei qualitativen bzw. semiquantitativen Verfahren wie Szenario-Analysen liegt auf der Hand. Aber auch bei quantitativen Modellen sind solche Probleme relevant. Beispielsweise hat die Finanzmarktkrise ein übertriebenes Vertrauen in Modelle bei gleichzeitiger Vernachlässigung der (Experten bekannten) Einschränkungen der Verwendbarkeit in Extremsituationen zutage gebracht, was sowohl in erweiterten Modellrisiko-Rahmenwerken (jenseits der quantitativen Validierung) Niederschlag gefunden als auch zu einer gewissen Abkehr von Modellen seitens der Bankenaufsicht geführt hat. Reporting Die materiellen Risiken aus der Identifikations- und Bewertungsphase sollten den Entscheidungsträgern in angemessener Form als Basis der Risikosteuerung zur Verfügung gestellt werden. Hier kann es sowohl auf der Sender- als auch der Empfänger-Seite zu verzerrten Wahrnehmungen kommen. Informationen, die vom Risikocontrolling oder anderen für das Risikoreporting verantwortlichen Stellen gar nicht an die Leitungsebenen kommuniziert werden, verengen deren Blickfeld (Filterblase). Ebenso kann eine Überfrachtung der Risikoinformationen den Blick auf das Wesentliche verwässern und die Initiierung von Steuerungsimpulsen behindern. Umgekehrt neigen Menschen (und insbesondere Führungskräfte) dazu, Informationen selektiv wahrzunehmen und bevorzugt solche Fakten zu berücksichtigen, die die eigene Meinung bestätigen. Dies bezeichnet man in der Sozialpsychologie als Confirmation Bias. Insbesondere in Kombination mit Gruppeneffekten – je homogener und weniger divers das Team oder das Entscheidungsgremium, desto größer die Tendenz, eine stromlinienförmige Meinung zu vertreten – sowie negativen Leadership-Effekten (autoritärer Führungsstil, cholerische Persönlichkeit) kann sich hier eine Schieflage hinsichtlich der Risikowahrnehmung bilden. Steuerung und Überwachung Risikosteuerungsmaßnahmen sollten auf Basis vorliegender Informationen getroffen werden. Hier kann der „Hindsight Bias“ eine Rolle spielen – die Neigung, dass ein Ereignis rückblickend als vorhersehbarer eingeschätzt wird und Schätzungen teilweise nachträglich zugunsten des tatsächlichen Ausgangs des Ereignisses verzerrt werden. In Einzelfällen werden gar keine Entscheidungen getroffen, da die entsprechenden Informationen ignoriert werden (Ostrich Effect). Ferner werden mit Risikosteuerungsmaßnahmen oft persönliche oder politische Ziele verfolgt, die nicht notwendigerweise mit den Unternehmenszielen kompatibel sind – also gemäß Principal Agent Theory eine Asymmetrie in der Interessensverfolgung zwischen Management (Agent) und Eigentümern (Principal) besteht. Wurde das Risikomanagement über Jahre hinweg in vielen Management-Etagen eher als „Ballast“ empfunden – als ein schwerfälliges, mitunter sogar geschäftsverhinderndes, primär aus regulatorischer Notwendigkeit heraus vorangetriebenes System – so wird es in neuerer Zeit durchaus stärker von Führungskräften als ein Instrument erkannt und genutzt, das auch die eigene Karriere befördern kann. Dass der amtierende CEO einer deutschen Großbank keinen Investmentbanking-, sondern Risikomanagement-Background hat, spiegelt diese Entwicklung wider. Das Risikomanagement bietet hierbei auch für unterschiedliche Führungs- und Persönlichkeitsstile eine Plattform: Vom Bedenkenträger, der als mahnende Instanz durch Krisen führt, über den Aufräumer, der das Risikomanagement weiter ausbaut, bis hin zum Kontrolleur, der sich mit einer engen Risikosteuerung als Herr der Lage empfiehlt. Insbesondere im Zusammenhang mit Krisen müssen Risikosteuerungs-Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden. Die Qualität solcher Entscheidungen ist erwiesenermaßen schlechter als jene im Fall ausreichender Zeit für die strukturierte Ausarbeitung von Plänen. Studien deuten darauf hin, dass Stress nicht nur die Empathiefähigkeit reduziert, sondern die Wegnahme eines Stressors auch nicht unmittelbar zu einer Verhaltensänderung führt, da das Stresslevel aufgrund einer höheren Cortisol-Konzentration über einen längeren Zeitraum (chronischer Stress) für eine gewisse Zeit bestehen bleibt. Auch bei der Überwachung des Erfolgs von Risikosteuerungs-Maßnahmen spielen psychologische Elemente eine wichtige Rolle. So kommt es nicht selten vor, dass an im 04 // 2021 23

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