MANAGEMENT 1 | 4-Stufen-Vorgehensmodell zum Aufbau eines Ökosystems Selbsterneuerungsphase Leadership-Phase » Die Relevanz des Ökosystems wird erhalten und gestärkt Startphase » Die Idee zum Ökosystem wird entwickelt » Entscheidend beim Aufbau sind die Geschwindigkeit, die Partnerauswahl und der enge Kundendialog Expansionsphase » Weitere zahlreiche Unternehmen werden an das Ökosystem angebunden » Ein gesunder Mix aus Start-ups und etablierten Unternehmen ist zu empfehlen » Das Ökosystem hat eine große Relevanz und Reichweite » Die Unternehmen arbeiten eng zusammen und können so kurze Innovationszyklen realisieren » Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Unternehmen werden generiert » Die Mittel hierfür sind ein Trendradar, stetige Kommunikation mit dem Kunden und immer kürzere Innovationszyklen, die den Kunden mit neuen Produkten überraschen Quelle: TME AG. Immobilienportals durchforsten, einen Termin zur Besichtigung vereinbaren und vor Ort den Marktwert des Hauses oder der Wohnung ermitteln lassen. Dazu kommen ein Budgetrechner und die Erstellung eines Zertifikats, mit der die Machbarkeit der Baufinanzierung garantiert wird. Zudem können alle nötigen Dokumente und Unterlagen per Smartphone aufgenommen und über die App hochgeladen werden. Noch deutlich weiter gehen asiatische Anbieter wie WeChat oder Alipay. Mit der „Lifestyle-Super-App“ von Alipay werden nicht nur Finanzdienstleistungen angeboten, sondern auch Händlersuche, Restaurantreservierungen oder direkte Reisebuchungen. Der Lifestyle rückt in den Vordergrund, Banking-Dienstleistungen in den Hintergrund. Challenger Banks aus Großbritannien – insbesondere die Mobile- Only-Bank Starling – positionieren sich gar als Marktplatz für weitere Financial Services, die Kunden der Bank wahlweise integrieren können, wie etwa Moneybox zum Sparen von Aufrundungsbeträgen. Aufbau des Ökosystems in vier Stufen Für den konkreten Aufbau des digitalen, bankzentrierten Ökosystems empfiehlt sich ein Modell in vier Stufen. ÿ 1 In der Startphase wird u. a. abgesteckt, welche Themen die geplante Plattform abdecken soll. Auch wird gleich zu Beginn ein Image festgelegt. Von diesem hängt die Auswahl der Zielgruppen ab, innerhalb derer möglichst viele Menschen angesprochen werderungen zu bewältigen, die den Akteuren sehr viel abverlangen. Kreditinstitute müssen einen hohen Standard in punkto IT-Sicherheit und regulatorischer Sicherheit erfüllen. Deren Einhaltung ist für die eher finanzschwachen potenziellen Partner, die Start-ups, oft unmöglich. Für eine finanzielle Unterstützung fehlt aufseiten der Bank jedoch bisher meist die Bereitschaft. In technischer Hinsicht entpuppen sich die häufig veralteten IT-Architekturen der Banken als Hindernisse. Zum Beispiel fehlen genügend APIs, also offene Schnittstellen, für die Anbindung kooperierender FinTechs, oder auch eine Microservices-Architektur, die einen schnelleren und modularen Aufbau von Anwendungssoftware ermöglicht. Diese Anknüpfungspunkte müssen einwandfrei funktionieren, weil nur so eine hohe Geschwindigkeit für den Datenaustausch gewährleistet wird. Diese kann der bei Banken sehr strikten IT-Sicherheit entgegenstehen, sodass ein Kompromiss gefunden werden muss. Der Weg zum Business-Modell-Design Die genannten Herausforderungen und die Komplexität des Themas machen spezialisierte Beratung sinnvoll. Erfolg versprechend ist eine Begleitung von der Konzeption des Ökosystems über dessen Aufbau bis zur permanenten Erweiterung. Im Rahmen eines Customer-Experience-Designs lassen sich die Kundenwünsche Stolpersteine auf dem Weg zum ersten Ökosystem Das alles sind erste Schritte, doch ein übergreifendes Ökosystem fehlt noch. Banken haben neben den bereits erwähnten auch den Vorteil, dass sie die benötigte Plattformlogik bereits seit Langem einsetzen. Allerdings sind auch Herausforexakt erarbeiten und Mehrwerte schaffen. Dabei sollte das Ökosystem Teil einer integrierten Digitalstrategie sein. In Verbindung mit den Kundenwünschen bildet diese die Basis für das Business Model Design, also für die Definition von Basis-Angeboten im Ökosystem und prinzipieller Ausrichtung. Steht das Konzept, wird entschieden, welche Services die Bank selbst übernimmt und für welche sie Partner ins Boot holt. Anschließend folgt die schwierige Aufgabe, die passenden Unternehmen – wie etwa FinTechs – auszuwählen. Um später eine hohe Kundenzufriedenheit zu erreichen, ist beim folgenden Aufbau ein intelligentes Service-Design nötig, das Menschen ins Ökosystem zieht und dort gerne verweilen lässt. Und schließlich sollte die Plattform kontinuierlich weiterentwickelt werden. Neue Service- oder Produktideen müssen frühzeitig getestet werden, ein Trendradar liefert wertvollen Input. 30 04 // 2018
MANAGEMENT 2 | Aufbau eines digitalen Ökosystems Service- und Produktangebot Intensive Kundenkommunikation Plattformtechnologie Kooperationspartner Service-Design Quelle: TME AG. den sollten. Von großer Bedeutung ist auch der Praxistest, nämlich die Verprobung der vorgesehenen Angebote mit einer ausreichenden Anzahl an Kunden. Und selbstverständlich muss eine Skalierungsfähigkeit gewährleistet werden. Während der Expansionsphase werden weitere Unternehmen an das Ökosystem angebunden, die zueinander passen müssen. Zu empfehlen ist ein gesunder Mix aus etablierten Unternehmen und Start-ups. Die „Großen“ bringen Relevanz und Reichweite, was jedoch oft mit einer Gegenleistung „erkauft“ werden muss, etwa der Bestätigung der Bonität von Kunden durch die Bank. Start-ups steuern vor allem ihre Innovationskraft bei und können ihre Ideen im Gesamtverbund schneller zur Marktreife bringen. Ideal ist eine gegenseitige Befruchtung der Partner, die einer straffen Führung durch die initiierende Bank bedarf. In der Leadership-Phase werden die schon erwähnten Kriterien Relevanz und Reichweite maximiert. Nun erlangt das Ökosystem Aufmerksamkeit im Markt. Dazu trägt auch eine konstruktive Zusammenarbeit der einzelnen Player im System bei, durch welche die Innovationszyklen verkürzt werden. So lässt sich die Vorherrschaft festigen, denn Wettbewerber können Kunden nur mit hohen Kosten abwerben. Die Phase trägt ihren Namen aus gutem Grund, denn der Leader ist nun besonders gefordert. Je größer die Plattform wird, desto strikter muss die Bank ihre Partner auf Kurs halten. Die vierte Stufe ist die Selbsterneuerungsphase, in der die Relevanz des geschaffenen Ökosystems erhalten und gestärkt wird. Nun kommt das schon angesprochene Trendradar zum Einsatz. Ziel ist es, die Kunden immer wieder positiv zu überraschen und Bedürfnisse zu befriedigen, die erst mit den schon angebotenen Produkten oder Services entstehen. So muss in dieser Phase ein ständiger, intensiver Dialog mit dem Kunden geführt werden. ÿ 2 Nur Kundenfokussierung und permanenter Wandel halten ein Ökosystem an der Spitze. Bank muss die Kontrolle behalten Schon im Aufbau und auch im späteren „Betrieb“ des Ökosystems muss die Bank auf eine straffe Führung achten, um federführend zu bleiben, das Maximum an Profit zu erzielen und die Kontrolle über das Wachstum zu behalten. Die Daten ihrer Kunden sollten daher als höchstes Gut erkannt und behandelt werden. Die Bank ist der Initiator, wählt die Kooperationspartner aus und bindet sie nach und nach an das System an, gibt die strategische Ausrichtung vor. Zudem steht die Bank in ständigem Austausch mit den Kunden, um Änderungen bei deren Wünschen rechtzeitig zu erkennen und darauf reagieren zu können. Welche Bank das Rennen machen und die erste mit einem ausgefeilten Ökosystem sein wird, ist derzeit noch völlig offen. Alle arbeiten mit Hochdruck daran, wobei diejenigen einen Startvorteil besitzen, die sich bereits mehr und mehr digitalisiert und konsequent in offene Plattform-Technologien investiert haben sowie Erfahrungen in Sachen Kooperationen sammeln konnten. Die etablierten Banken sollten darüber hinaus mit der großen Anzahl ihrer treuen Kunden und ihrem gewachsenen guten Ruf punkten. Dagegen werden die jüngeren Challenger Banks versuchen, ihre Überlegenheit in technischer Hinsicht auszuspielen. FAZIT Gehen die Banken das Thema digitales Ökosystem geschickt an, machen sie sich damit fit fürs digitale Zeitalter. Dabei ist Eile geboten, denn die First Mover werden gewinnen. Sie können voraussichtlich einen Großteil der Kunden zu sich ziehen – nämlich sowohl die bestehenden halten als auch neue gewinnen. Hat jemand erst einmal ein Ökosystem für sich gefunden, wird es – wie die Dominanz der Digital Giants zeigt – für Wettbewerber schwer, ihn in ein anderes zu locken. Es reicht jedoch nicht, als erste Bank im Markt ein breites Portfolio an Leistungen anzubieten. Diese müssen unbedingt im Austausch mit den Kunden entwickelt werden, um deren Bedürfnisse exakt zu erfüllen sowie möglichst neue Bedürfnisse zu wecken. Autoren Stefan Roßbach ist Mitbegründer der TME AG und verantwortet als Partner den Bereich Digital Banking. Zudem ist er im Vorstand des TME Instituts für Vertrieb und Transformationsmagament e. V. Jana Ebner ist Senior Consultant bei der TME AG. Sie ist Expertin in den Bereichen digitale Ökosysteme und Service-Design und der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. 04 // 2018 31
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