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die Bank 04 // 2017

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG

DIGITALISIERUNG MITTELSTANDSBANKING Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Digitalisierung Sekundenschneller Datenaustausch, mobil geprägte Mehrwertangebote sowie neutrale Vermittlungsportale beginnen sich im Mittelstandsbanking langsam zu etablieren. Aus diesem Grund wird die Zukunft mit den angestammten und traditionellen Kunden- bzw. Vertriebskanälen alleine nicht zu meistern sein. Der bereits in dieser Zeit spürbare Wandel wird in den kommenden Jahren zunehmend durch die digitale Transformation geprägt. Es kann keinerlei Zweifel bestehen, dass die Bedeutung des mittelständischen Firmenkundengeschäfts für die Finanzwirtschaft eine stetig wachsende Komponente aufweist. Jüngere Analysen haben ergeben, dass der Ergebnisanteil des Mittelstandsbankings bzw. des mittelständischen Firmenkundengeschäfts am Gesamtkundengeschäft, je nach Bankengruppe, zwischen 40 und knapp 60 Prozent ausmacht. Somit setzt die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase neben dem Transformationsergebnis im Treasury auch die Konditionsbeiträge aus dem Retail- Privatkundengeschäft und vor allem aus dem mittelständischen Firmenkundengeschäft verstärkt unter Druck. Immerhin lässt sich positiv konstatieren, dass die Margen im Geschäftsfeld des mittelständischen Firmenkundengeschäfts aufgrund des höheren Kreditanteils momentan noch erträglich sind. Da der Wettbewerb jedoch auch in diesem Segment deutlich zunimmt, wird sich dieser Zustand aus Bankensicht in naher Zukunft als instabil erweisen. Die Wettbewerbsintensität steigt zum einen durch neue Produkte, zum anderen durch erste Auswirkungen der weiteren Daten- und Prozessautomatisierung bzw. Digitalisierung. Erste (neutrale) Vermittlungsportale, deren Bedeutung heute zwar begrenzt ist, wenn das Gesamtvolumen des Mittelstandsbankings betrachtet wird, bieten den Kunden perspektivisch neue Möglichkeiten und Vergleichskriterien. Bankmitarbeiter werden online kontaktiert oder über Crowdsourcing an innovativen Auswahlund Vertriebsprozessen beteiligt. Industrie 4.0 als Ausgangspunkt tiefgreifender Veränderungen Die mittelständische Industrie, dies bedarf keiner visionären Deutungen, wird sich in den nächsten Jahren ganz erheblich verändern. Die unter dem Begriff der Industrie 4.0 subsumierten digitalen Neuerungen werden gesamte Wertschöpfungsketten in der Realwirtschaft erfassen und diese einem grundlegenden Wandel unterziehen. Dieses wiederum hat massive Auswirkungen auf das gesamte Mittelstandsbanking und insbesondere auf die Finanzierung relevanter Investitionsvorhaben. Eine der wesentlichen Herausforderungen wird es sein, um dies am konkreten Beispiel aufzuzeigen, Lösungen für die Finanzierung dieses digitalen Strukturwandels zu finden. Die Verantwortung zur Sicherstellung geeigneter Rahmenbedingungen zu dieser Entwicklung liegt jedoch nicht alleine bei Banken und Sparkassen, sondern vielmehr auf den Schultern unserer Volkswirtschaft insgesamt. Vonseiten der Politik hat in der Vergangenheit, trotz anderslautender Aussagen, weder initiatives Handeln stattgefunden noch wurde die Umsetzung klarer strategischer Rahmenbedingungen forciert. Deutschland, so scheint es zumindest, ist gegenüber digitalisierungsaffinen Ländern, nicht nur in Amerika und Asien, sondern auch in Europa, ein ganzes Stück ins Hintertreffen geraten. Positiv hervorzuhebende Beispiele in näherer geografischer Umgebung sind die baltischen Staaten, Finnland, Schweden und auch die Niederlande. Aufgrund des bereits stattfindenden Wandels sind einige Konsequenzen dieser Entwicklung für mittelständische Unternehmen schon heute spürbar: Verlängerte Wertschöpfungsketten mit verschiedenen Projektpartnern mit sehr unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten und differenziertem Finanzierungsbedarf. Zunahme weicher Kosten, z. B. von Ausbildungsmaßnahmen, Entwicklungskosten und immateriellen Vermögenswerten wie Software und Patente. Verlängerte Projekt- und Entwicklungszyklen mit einem fortwährenden Finanzierungsbedarf. Es wird sich herausstellen, ob die Finanzwirtschaft dieser Entwicklung samt Konsequenzen einerseits gewachsen ist und sie andererseits mit klaren Strategien proaktiv wird mitbestimmen können. Dazu ergeben sich im Mittelstandsbanking insbesondere folgende Fragestellungen, die einer zeitnahen Beantwortung bedürfen: Wie (schnell) verändert sich der Kapitalbedarf bei Investitionen in die Industrie 4.0? Inwieweit sind neue Softwareentwicklungen vor dem Hintergrund der rapide zunehmenden Bedeutung von Software auch als Kreditsicherheiten geeignet? Wie sehen die immer noch hochkomplizierte Bewertung von Patenten aus sowie ihre Eignung als Kreditsicherheit? 68 04 // 2017

DIGITALISIERUNG Können auch weiche Kosten in eine Finanzierung eingebunden werden? Wie können kontinuierliche, fortschrittsrelevante Auszahlungen für einzelne Projektabschnitte in Folge verlängerter Projekt- und Entwicklungszyklen mit einem fortwährenden Finanzierungsbedarf gestaltet werden? Klar indes scheint, dass es in der Zukunft wesentlich mehr mittelständische Unternehmen und Freiberufler geben wird, die einen differenzierten Finanzierungsbedarf und eine unterschiedliche Bonität aufweisen und dass die grundsätzliche Bedeutung von Forschung und Entwicklung zunehmen wird. Es wird für Kreditinstitute eine der großen Herausforderungen in der nahen Zukunft sein, Antworten auf diese Fragen zu finden. Die deutsche Finanzwirtschaft muss in Zukunft ihre Kompetenzen zur Bewertung technischer Innovationen neu justieren bzw. stärken. Hier ist gleichermaßen interner als auch externer Sachverstand gefordert. Dabei wird es ein maßgeblicher Erfolgsfaktor sein, die gesamte Wertschöpfungskette im Auge zu behalten. Ebenso sind die Förderpolitik der öffentlichen Hand sowie Banken und Sparkassen in diesem Segment gefordert. Sie müssen sich mit ihren Angeboten und Dienstleistungen an die digitale Transformation anpassen und ihre bisherige Geschäftspolitik überdenken. Enormes Digitalisierungspotenzial Aktuelle Studien aus den Jahren 2015 und 2016 zeigen, dass das onlinefähige Marktpotenzial im Mittelstandsbanking in Deutschland ein Bruttoertragspotenzial von mehr als 9 Mrd. € ausmacht. Knapp 5 Mrd. € davon können bereits in den kommenden drei bis fünf Jahren, bei entsprechend vernetzten onlinebasierten Strategien, als akquisitionsfähig betrachtet werden. Noch eindrucksvoller sind die Schätzungen und Prognosen im Kontext mit den gesamten Bruttoertragspotenzialen im mittelständischen Firmenkundengeschäft. 2016 werden diese im Gesamtmarkt mit 04 // 2017 69

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