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die bank 04 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BANKING

ó BANKING Geschäftsmodelle zukunftsfähig machen STRATEGIE Banken müssen ihre Geschäftsmodelle verändern, um sich robust und zukunftsfähig aufzustellen. Ein Weitermachen wie bisher dürfte kaum zum Erfolg führen. Im Vordergrund steht die Interaktion zwischen Bank und Kunde sowie eine neues Konsumentenverhalten. Immer mehr Kunden sind mit dem Internet und immer schnelleren Technikzyklen groß geworden. Ralph Hientzsch | Ralf Bocken Keywords: Change Management, Digitalisierung, Retailbanken Gerade für die jüngere Klientel ist inzwischen das Internet die wichtigste Anlaufstation in Finanzfragen – nicht mehr die Filiale. Wie fortgeschritten diese Entwicklung ist, zeigt eine aktuelle Umfrage von Vouchercloud in England, wonach nur noch 13 Prozent der 18- bis 30-Jährigen ihre Finanzgeschäfte vorwiegend in der Filiale abwickeln. Knapp die Hälfte der Befragten gab an, nicht einmal zu wissen, wo sich die nächste Zweigstelle ihrer Bank überhaupt befindet. Undenkbar wäre dieses veränderte Kundenverhalten ohne den eigentlichen großen Trend, der die Branche momentan zu überrollen droht, die Digitalisierung. Auf dieser technischen Basis haben sich in den vergangenen Jahren weltweit Tausende FinTechs gegründet, von denen einige das Zeug haben dürften, zum Amazon der Finanzindustrie zu werden. Furchtlosigkeit in Kombination mit Ideenreichtum, Aggressivität, Umsetzungsstärke und einer entsprechenden Kapitalausstattung beflügelt neue Anbieter mitunter zu kühnen Entscheidungen. Unternehmen wie der Zahlungsdienstleister PayPal graben sich inzwischen tief hinein in die Wertschöpfungskette der Banken, während sogenannte Peer-to-Peer-Plattformen (P2P-Lender) sogar ins eigentliche Kerngeschäft der Branche vordringen – die Kreditvergabe. Unterdessen entstehen in den USA neue „App-Banken“ wie Moven oder Mint, die das Potenzial besitzen, dank nutzerfreundlicher Mobil-Tools in den kommenden Jahren Millionen von Kunden zu gewinnen. Die klassischen Filialbanken drohen zum Verlierer dieser revolutionären Entwicklung zu werden. Sie müssen also neue Zugangswege zum Kunden finden. Consileon geht davon aus, dass die meisten deutschen Retail-Institute ihre „Omni- Channel“-Strategien bis 2020 umsetzen werden. Ziel ist es, die Vertriebswege und die Prozesse so miteinander zu verzahnen, dass der Kunde ein ganz neues Erlebnis von „Banking“ bekommt. Dies ist auch dringend nötig, denn der „Bankkunde 4.0“ stellt qualitativ andere Anforderungen an seine Bank als der klassische Filialkunde. Der Bankkunde im digitalen Zeitalter Der „Bankkunde 4.0“ will in seiner Individualität verstanden und angenommen werden. Er verlangt eine korrekte Personalisierung und maßgeschneiderte Angebote. Er ist Qualitätskäufer und Schnäppchenjäger in einer Person und verlangt eine große Auswahl an Produkten, die höchsten Anforderungen genügen, zugleich aber nicht teurer sein sollen als bei der Konkurrenz. Der Bankkunde neuer Generation wartet nicht, bis die Filiale nach dem langen Wochenende wieder öffnet oder der Berater nach dem Urlaub wieder an seinen Platz zurückkehrt. Er verlangt stattdessen eine unmittelbare Kontaktaufnahme, kurze Reaktionszeiten, direkte Lieferung und schnelle Transaktionen. Für ihn ist die Bank nicht mehr gleichbedeutend mit der Filiale. Er verlangt von seiner Bank, immer und überall erreichbar zu sein, vom heimischen Laptop genauso wie unterwegs vom Smartphone, mittwochmittags genauso wie samstagabends. Sechs strategische Impulse für die „Bank 2020“ Diese unmittelbaren Auswirkungen der Digitalisierung stellen die Zukunftsfähigkeit vieler Retailbanken vor große Herausforderungen. Institute, die sich diesen Herausforderungen stellen, müssen sich deshalb auf eine umfassende Transformation ihres Geschäftsmodells einlassen. Dafür lassen sich vor allem sechs strategische Herausforderungen identifizieren, die aktiv angegangen werden müssen: 1. Denke vom Kunden aus, und vernetze die Kanäle! Die Bank der Zukunft erstellt für die Vertriebskanäle ein Omni-Channel-Zielbild. Dabei wird die Rolle der Filiale neu gedacht. Das heißt zunächst einmal, dass Filiale, Online, Mobile, Call Center, Apps, mobiler Vertrieb und GAAs einen jeweils eigenen USP benötigen. Darüber hinaus müssen die Vertriebskanäle eng miteinander verzahnt werden. Dadurch kann die Bank mithilfe 36 diebank 04.2016

BANKING ó neuartiger Tracking-Methoden verfolgen, wie sich der Kunde zwischen den verschiedenen Kanälen bewegt (Customer Journey). So wird das Risiko, dass der Kunde der Bank auf seiner Reise abhandenkommt, deutlich reduziert. Die Verzahnung der Kanäle berücksichtigt Information, Beratung, Transaktion und Empfehlung. Die Profit- Center-Logik einzelner Vertriebskanäle wird obsolet. Der Beratungsprozess sowie das Customer Relationship Management (CRM) werden ganz neu definiert. 2. Schaffe ein digitales Kundenerlebnis! Die Bank 2020 etabliert ein konsistentes, digitales Kundenerlebnis. Für die zentralen Kundenbedürfnisse wie Sparen, Anlegen, Absichern oder Finanzieren stehen dem Kunden interaktive und intuitive Apps zur Simulation zur Verfügung. Dabei hat der Kunde die Möglichkeit, seinen Bedarf im Online-Kanal weiter zu vertiefen. Einfache Produkte des täglichen Bankgeschäfts wie Konto und Kreditkarte sind dort problemlos abschlussfähig. Die Verbindung zwischen Apps und Online-Banking ist fließend. Einmal erhobene Daten sind durchgängig bei der Bank verfügbar. Sollte der Kunde sich allerdings tiefergehend mit beratungsnahen Themen wie Sparen, Vorsorgen oder Finanzieren auseinandersetzen, so bekommt er direkte Beratungsangebote. Hier beginnt die Interaktion mit der Bank. Quasi per Knopfdruck wählt der Kunde, ob er per Video mit einem Spezialisten sprechen oder ob er in die Filiale kommen möchte. 3. Die Beratung wird interaktiv Die Bank 2020 erfindet ihre Beratungsprozesse neu. Zentrales Element ist die gleichberechtigte Interaktion mit dem Kunden, was zum Beispiel bedeutet, dass Berater und Klient den Beratungsprozess gemeinsam verfolgen. Die Ansprache wird dadurch erleichtert, dass der Banker die Customer Journey, die Simulationen und damit die individuellen Bedürfnisse des Kunden kennt. Das macht die Beratung sehr viel zielgerichteter als das heute der Fall ist – und als Nebeneffekt sinken die regulatorischen Risiken immens. Der Kunde wird für die neue Form der Interaktion sehr dankbar sein, sobald er sich an sie gewöhnt hat. Die Finanzberatung wird durch den Beratungsprozess 2.0 neu erlebbar. 4. CRM 2.0 ist der Rohstoff der Banken Die moderne Bank der Zukunft verarbeitet die Informationen ihrer (potenziellen) Kunden – und zwar vollständig, so, wie es in anderen Branchen heute schon der Fall ist. CRM 2.0 bedeutet, dass das relevante Kundenverhalten systematisch analysiert und verarbeitet wird. Das Wissen aus der Interaktion wird konsolidiert und zusammengeführt. Das Customer Relationship Management avanciert somit letztlich selbst zum Rohstoff. Damit ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, den Kunden zu adressieren, etwa über personalisierte Mails. Das CRM 2.0 unterstützt den Beratungsprozess 2.0, da der Berater ganz gezielt auf das Gespräch mit dem Kunden vorbereitet ist. Die Interaktion zwischen Bank und Kunde bekommt eine neue Qualität. 5. Die Digitalisierung wird in den Prozessen spürbar In der Bank 2020 braucht der Kunde eine Information nur noch an einer Stelle einzugeben – von dort wird sie dann in allen Systemen umgesetzt. Die schwierigste Aufgabe der Transformation beginnt in den Verarbeitungsprozessen, also da, wo es nicht mehr um schicke Apps geht. Zunächst ist diese Modernisierung mit Investitionen verbunden. Letztlich allerdings profitiert die Bank durch erheblich effizientere Workflows. So werden die Institute ihren Kunden jederzeit und binnen Sekunden sagen können, in welcher Bearbeitungsphase sich zum Beispiel ihr Kreditantrag gerade befindet – egal ob am Telefon, per Video oder im persönlichen Gespräch in der Filiale. Sämtliche Prozesse werden digital vorliegen. 6. Die IT ist der Schlüssel zum Erfolg Die Bank der Zukunft verfügt über eine nachvollziehbare Digitalisierungs-IT-Strategie, die von allen Mitarbeitern umgesetzt wird. Egal, ob es um die Verzahnung der Vertriebskanäle, das neue Kundenerlebnis oder die Optimierung des Workflows geht: Die Zukunftsfähigkeit der Retailbanken steht und fällt mit der passenden IT. Bei ihrer technischen Transformation sollten die Banken keine Option von vornherein ausschließen – auch nicht die Möglichkeit, mit externen Partnern wie ausgewählten FinTechs zusammenzuarbeiten. Denn solche Kooperationen können helfen, neue Funktionalitäten schneller zu implementieren. Auf jeden Fall aber ist eine klare und umfassende Roadmap notwendig, um vorhandene Initiativen in einem schlagkräftigen Programm zu bündeln. Fazit Die neuen Wettbewerber der klassischen Finanzinstitute erfinden das Bankgeschäft nicht neu. Sie verstehen es aber, dank moderner Datenanalysemethoden und mithilfe zahlreicher, vor allem personenbezogener Datensätze einzelne Finanzdienste digital so zu individualisieren, dass sie einen höheren Nutzen versprechen. Die Zeit drängt, denn immer mehr neue Anbieter machen den Banken Konkurrenz. Dem Change Management kommt im Rahmen des Transformationsprogramms eine herausragende Bedeutung zu. Denn nur mit erstklassigen Methoden und Werkzeugen ist ein erfolgreicher, vor allem auch schneller Wandel möglich. Das Gelingen komplexer Veränderungsprojekte hängt dabei weniger vom Werkzeug selbst ab als vom Kontext, in dem es angewendet wird. Sicher ist, dass sich die Bankenwelt signifikant ändert und der Digitalisierungsstrategie dabei eine Schlüsselrolle zukommt. ó Autoren: Ralph Hientzsch ist Geschäftsführender Gesellschafter, Ralf Bocken Partner der Consileon Frankfurt GmbH. 04.2016 diebank 37

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