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die bank 03 // 2023

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT FINTECHS IM

MANAGEMENT FINTECHS IM VERGLEICH: SOLARIS VS. BRYGGE Aufbruchstimmung trotz Krise FinTechs, einst wachstumsstarkes Segment in der umtriebigen Start-up-Szene, liefern längst nicht mehr nur positive Schlagzeilen. Bei der Solaris ist die BaFin zu Gast, Brygge wurde zu einem Zeitpunkt gegründet, an dem bei den einst spendablen Investoren das Geld längst nicht mehr so locker saß. Ihren Optimismus wollen sich beide Unternehmen trotzdem nicht nehmen lassen. „die bank“ sprach mit Carsten Höltkemeyer, designierter CEO der Solaris SE, sowie Cornelia Schwertner und Bianca Steinke, den Gründerinnen der Brygge GmbH, über Wachstumstreiber, Milestones, Banking für alle und die Liebe zum Fußball. Berlin-Kreuzberg, Wrangelkiez unweit des berüchtigten Görlitzer Parks. Hier zeigt sich die Hauptstadt von ihrer typischen Seite: Multikulti, buntes Sprachengewirr und wuseliges Treiben, Dönerstände, Pommesbuden und Spätis säumen die Schlesische Straße. Die großen Klinkerbauten an der Ecke Cuvrystraße wirken da wie ein Fremdkörper. Hier hat der Berliner Lieferdienst Lieferando gut sichtbar sein Quartier bezogen. Im Hinterhof sitzt etwas unauffälliger die Neobank Solaris SE. Nachmittags um 17 Uhr liegen die meisten stylish eingerichteten Großraumbüros schon im Dunkeln. Nur im Konferenzraum brennt noch Licht. Darin arbeitet Carsten Höltkemeyer einen Termin nach dem anderen ab und stellt sich auf einen langen Abend ein. Seine gute Laune trübt das nicht. Hamburg, Alter Wall, nur wenige Schritte vom prächtigen Rathaus entfernt. Hier säumen repräsentative Geschäftshäuser aus der Zeit um 1900 die breiten Straßen. Strahlend blauer Himmel und Sonnenschein setzen die Gebäude in perfektes Licht und beweisen, dass die Hansestadt selbst im tiefsten Winter keinesfalls durchgehend ins berüchtigte Schmuddelwetter abtaucht. Cornelia Schwertner und Bianca Steinke haben für das Interview ein zentral gelegenes Restaurant vorgeschlagen. Noch pendeln die beiden Unternehmerinnen zwischen Homeoffice und Meetings in- und außerhalb der Hansestadt. Die teure Miete für Büroräume wollen sie sich bis auf Weiteres sparen. Und anders als die traditionsreichen Banken werden sie ihre Kundin- 30 03 | 2023

MANAGEMENT nen und Kunden ohnehin nie persönlich in einer Filiale empfangen. Sorgten alte und neue FinTechs jahrelang für viele positive Schlagzeilen, war das vergangene Jahr vor allem von Massenentlassungen, Pleiten und ausbleibenden Finanzierungsrunden geprägt. Miriam Wohlfarth, die erfolgreich den Zahlungsdienstleister Ratepay gegründet und groß gemacht hatte und dann mitten in der Pandemie mit dem Kredit-Startup Banxware startete, bezeichnete 2022 für die Branche gar als das schwierigste Jahr seit der Finanzkrise. Vor allem Ukraine-Krieg, Rekordinflation und Zinswende setzten den FinTechs zu. Neobanken wie Ruuky und Nuri gingen pleite, der Zahlungsdienstleister Klarna, Neobroker Trade Republik oder auch das Öko-FinTech Tomorrow bauten massiv Arbeitsplätze ab. Laut einer Anfang Februar 2023 veröffentlichten Analyse von Finance Forward und Finanz-Szene haben die 64 größten deutschen FinTechs im vergangenen Jahr knapp 1.300 Stellen gestrichen und noch rund 16.000 Mitarbeitende beschäftigt. Die gute Botschaft: Allein bei LinkedIn seien aber bereits wieder 1.090 offene Stellen ausgeschrieben. „Somit könnte die große Entlassungswelle auf Zweijahressicht schon wieder zum Nullsummenspiel für den Sektor werden“, so die Newsletter. Keine Verunsicherung spürbar Von Insolvenzen und zurückhaltender Stimmung bei den Investoren wollen sich weder Schwertner und Steinke noch Höltkemeyer verunsichern lassen. Im Mai 2021 gründeten Schwertner und Steinke Brygge, Ende 2022 ging die Plattform live. Das Kunstwort bildeten die Finanzfrauen aus dem dänischen „Hygge“ (auf deutsch: Gemütlichkeit) und dem deutschen „Brücke“. Ihren Anspruch bringt Schwertner so auf den Punkt: „Wir sind ein FinTech mit Impact und bieten Banking zum Wohlfühlen.“ Erreichen will Brygge vor allem zwei Zielgruppen: Menschen in der zweiten Lebenshälfte – auf denen zunächst der Fokus liegt – und Online-Banking-Einsteiger. Dass sie einen Nerv treffen könnten, lassen Zahlen des Statistischen Bundesamts vermuten. Rund zwei Drittel aller Personen über 65 Jahre hätten im Jahr 2021 ihre Bankgeschäfte noch analog erledigt. Und selbst bei den Jüngeren, der Gruppe der 45- bis 65-Jährigen, lag die Quote bei einem Drittel. Wollen diese eine Filiale aufsuchen, müssen viele einen immer längeren Weg in Kauf nehmen. Allein zwischen 2010 und 2021 sank die Zahl der Bankstellen in Deutschland von 40.276 auf 23.231. „Menschen über 60 werden laut einer Pilotstudie der Bafin zudem doppelt so häufig Opfer von schlechter Beratung wie Jüngere“, unterstreicht Schwertner. Viele FinTech-Geschäftsmodelle würden ausschließlich für digitalaffine Nutzer und Akademiker mit umfangreichem Finanzwissen gebaut, aber nicht für die breite Masse. „Das wollen wir ändern.“ Auch die einfach strukturierte Website mit originellen Illustrationen soll Berührungsängste mit Online Banking nehmen. In ausführlichen Interviews lernten die Brygge-Gründerinnen ihre potenziellen Zielgruppen kennen und fanden heraus: „Bei Paaren kümmert sich in der Regel nur einer um die Finanzen, mal die Männer, aber auch die Frauen. Der jeweils andere weiß wenig, fühlt sich technisch schnell überfordert und ist deshalb auf einen Notfall schlecht vorbereitet“, so Steinke. Ihnen will Brygge mit drei Dienstleistungen den Alltag in Gelddingen erleichtern. „Wir bieten ein auf reduzierte Funktionen wie Überweisungen oder Suche nach Umsätzen basierendes Online Banking mit intuitiver Be- 03 | 2023 31

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