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die bank 03 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

REGULATORIK ALS CHANCE

REGULATORIK ALS CHANCE FÜR DEN STANDORT Digitalisierung erfordert Denken und Handeln im Ökosystem Die Digitalisierung transformiert die Marktbedingungen für Finanzdienstleister grundlegend. Es eröffnen sich enorme Potenziale des partnerschaftlichen Handelns im Ökosystem. Um sie zu erschließen, müssen sich Unternehmen in ihrem Kern neu aufstellen. Auch der Gesetzgeber ist gefordert, regulatorische Grundprinzipien für das Ökosystem neu zu definieren – dann kann der Standort maßgeblich profitieren. Ratenkredite im Autohaus, Fluggesellschaften als führende Anbieter von Kreditkarten: Das Aufbrechen der Wertschöpfungskette für Finanzdienstleistungen ist schon lange Realität. Seit Jahrzehnten verlagert sich die Finanzierung von Neuund Gebrauchtwagen immer mehr an den Point of Sale; vergleichbar entwickelt sich die Kreditvergabe im Elektro- und Möbelhandel. Entsprechend lesen sich die Zahlen: 2019 wurden 27 Prozent der Ratenkredite beim Autohändler abgeschlossen, weitere 19 Prozent im Einzel- und Versandhandel, 7 Prozent bei sonstigen bankexternen Anbietern. Diese Entwicklung ist auch bei anderen Finanzdienstleistungen zu beobachten. So wird nicht einmal mehr jede zweite Baufinanzierung in einer klassischen Bankfiliale abgeschlossen. Der Point of Sale für die Baufinanzierung ist der Wohnungs- oder Hauskauf. Die Digitalisierung wirkt als Katalysator dieser Entwicklung, sie beschleunigt das Aufbrechen der Wertschöpfungskette exponentiell. Der digitale Wandel erleichtert Partnerschaften im Ökosystem Die Digitalisierung funktioniert als Markttransformator, weil sie neue Bedingungen im Markt und dadurch Vorteile für vernetzungsbereite Unternehmen schafft: Erstens stellt sie eine hohe Transparenz über das Angebot und die jeweils individuell beste Leistung her. Der digitale Zugriff auf Informationen erlaubt zeit- und kosteneffektive Preis- und Leistungsübersichten, die Marktteilnehmer aktiv nutzen. Auch Unternehmen können nach den für sie relevanten Kriterien individuell vergleichen, wie ihr Angebot im Vergleich abschneidet, welche Leistungen das eigene Angebot optimal ergänzen und wer für diese Leistungen jeweils der beste Partner ist. Zweitens erleichtert die Digitalisierung den Zugang zu und steigert die Auswahl an Dienstleistungen: Gerade bei virtuellen Leistungen, wie im Finanzdienstleistungsbereich üblich, spielt auch geografische Entfernung keine Rolle mehr. Die Erreichbarkeit und die Zugriffsmöglichkeiten auf Services unterschiedlicher Anbieter steigen. Die entsprechend geeignete Infrastruktur und Prozessorganisation vorausgesetzt, gibt es kaum noch natürliche Zugangsbeschränkungen. Drittens erhöht sich mit der Digitalisierung die Verfügbarkeit der Leistungen: Lösungen sind unabhängig von zeitlichen, volumenabhängigen oder anderen Einschränkung verfügbar – just in time und bedarfsoptimiert. Neben vergleichsweise starre Eigentumskonzepte treten flexible und vor allem individualisierte Nutzungsformen, etwa 34 03 // 2020

„rent statt buy“, und damit verbundene Vergütungsmodelle, wie „pay as you use“. So lässt sich auch im Unternehmenskontext die nutzungs- und ressourcenoptimale Ausgestaltung, beispielsweise von Rechnerkapazitäten, sicherstellen. Nutzenmaximierung im Ökosystem – optimiert auf individuelle Präferenzen Im Ergebnis ermöglicht die Digitalisierung eine maximale Individualisierung von Lösungen: Jeder Marktteilnehmer kann die für sich optimale Kombination an Leistungen auswählen und so den eigenen Nutzen maximieren. Kunden installieren auf dem Smartphone genau die Apps, die sie persönlich, beruflich und abgestimmt auf die jeweilige Lebenssituation präferieren: von der Babyphone- App für Kleinkind-Eltern über Fitness-Apps für Sportler bis hin zur Aufnahme-App für Journalisten, die jeweils frühere, separierte technische Geräte oder Services ablösen. Die Smartphones sind dabei ähnlich, die genutzten Applikationen sind jeweils für sich komplett skalierbar, aber die nutzerspezifischen Konfigurationen sind individuell komplett unterschiedlich. Ähnliche Prozesse spielen sich zunehmend im Ökosystem zwischen Unternehmen ab. Entscheidend ist die optimale Ergänzung der eigenen Kernkompetenzen. Ergänzende Dienstleistungen für Banken und Finanzdienstleister reichen dabei von Vertriebspartnerschaften über die Nutzung von Spezialfunktionalitäten, etwa der Dokumentenerkennung per Foto, bis hin zu Cloud-basierten IT-Plattformen. Egal, ob Lösungen und Services auf Datenbasis automatisiert angepasst oder durch die Nutzer aktiv ausgewählt werden: Ihre variable Kombination nach den eigenen Präferenzen ermöglicht auch für Unternehmen maximale Individualisierung. Genau hier liegt der Kern der Digitalisierung. Mehrwert schaffen im Ökosystem: die eigene Kernkompetenz finden Unternehmen müssen auf die Anforderungen der digitalen Transformation reagieren. Der erste und wichtigste Schritt ist es, die eigene Kernkompetenz klar zu erkennen und herauszustellen. Wo setzt sich ein Unternehmen klar gegenüber dem Wettbewerbsumfeld ab? Wo besteht die Chance zur Marktführerschaft? Wo bestehen strategische Unterschiede zur Konkurrenz, was macht das Unternehmen einzigartig? Welches Alleinstellungsmerkmal bewegt Kunden dazu, ihre Wahl für den Anbieter zu treffen? Diese Fragen helfen bei der Findung der eigenen Kernkompetenz, die relevant und differenzierend sein muss. Es genügt nicht, wenn Finanzdienstleister dasselbe Leistungsspektrum in vergleichbarer Qualität wie ihr Marktumfeld anbieten und auf das Beste hoffen. Es muss für potenzielle Partner eindeutig sein, warum sie sich ausgerechnet für diese Partnerschaft entscheiden sollten: Was genau ist die Value Proposition im Ökosystem? Für Unternehmen gilt: Nur wer Mehrwert im Ökosystem schafft, sichert nachhaltig die eigene Daseinsberechtigung. Ohne klare Differenzierung und echten Mehrwert führen Transparenz, Zugang und Verfügbarkeit zur Neuverteilung des Markts. Unternehmen müssen sich neu aufstellen, um vom Ökosystem zu profitieren Der nächste, notwendige Schritt ist die Ableitung des eigenen Target Operating Models, das unter der Prämisse der Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen neu zugeschnitten werden muss. Wer sind die Kern-Kundengruppen, welche Neukunden kommen womöglich dazu? Wie wird die offerierte Leistung zugeschnitten und abgegrenzt? Welche notwendigen eigenen Ressourcen müssen bereitgestellt werden? Welche idealen Partner ergänzen die eigenen Kernkompetenzen optimal? Das so definierte Target Operating Model dient als Basis der Prozessgestaltung, der IT-Architektur und aller weiteren Kernfragen der Operationalisierung. Wer in diesem Sinn das eigene Target Operating Model definiert und umsetzt, kann unmittelbar von den Netzwerkeffekten des Ökosystems profitieren und gemeinsam mit komplementären Anbietern die individuell beste Lösung für Kunden bieten. Hierbei 03 // 2020 35

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