Aufrufe
vor 3 Jahren

die bank 03 // 2020

  • Text
  • Banken
  • Unternehmen
  • Deutschland
  • Risiken
  • Digitalisierung
  • Mitarbeiter
  • Wirtschaft
  • Deutschen
  • Frankfurt
  • Themen
die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

Hinzu kommt, dass in der

Hinzu kommt, dass in der Politik in Brüssel und Berlin andere Aspekte als das Risikomanagement im Vordergrund stehen, wenn es um Sustainable Finance geht – etwa die Mobilisierung privaten Kapitals für den Umbau der Wirtschaft oder die Emission grüner Staatsanleihen. Besondere Herausforderungen… Konsens besteht aber darin, dass klimabezogene Risiken von der Real- auf die Finanzwirtschaft überschwappen und auch für Banken sehr relevant sein können. Geschäftsrisiken sind für Unternehmen im Grunde nichts Neues, aber klimabezogene Risiken sind mit dem althergebrachten Werkzeugkasten des Risikomanagements kaum zu erfassen. Warum ist das so? „Klimabezogene physische und transitorische Risiken beinhalten interagierende, nichtlineare und grundsätzlich unvorhersehbare ökologische, soziale, ökonomische und geopolitische Dynamiken,“ formuliert die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in einem ersten umfassenden Papier mit dem Titel „The Green Swan“ und stellt zudem die Frage, ob es sich möglicherweise gar nicht mehr um klassisch berechenbare Risiken, sondern schlicht um „radikale Unsicherheit“ handele. Worum geht es also genau? Physische und Transitionsrisiken werden zwar oft in einem Atemzug genannt, unterscheiden sich aber von Grund auf: Das physische Klimarisiko besteht in der Veränderung der Lebenswelt durch den Anstieg der Durchschnittstemperatur. Diese Entwicklung kann erhebliche Auswirkungen auf die Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen haben, etwa durch Schäden in Folge von Überschwemmungen, Ausfällen in der Landwirtschaft durch Extremwetterereignisse oder eine dauerhafte Veränderung der klimatischen Bedingungen. Ob, und in welcher Form, in welchem Umfang und mit welcher Wahrscheinlichkeit sich klimatische Veränderungen negativ in den Portfolien von Banken niederschlagen werden, ist hingegen schwer abzuschätzen. Zum einen kann nicht präzise prognostiziert werden, wie die globale Erwärmung tat- sächlich vonstattengeht, denn hier wirken komplexe klimatische und biochemische Dynamiken. Gleichzeitig ist unklar, wie zügig CO2-Emissionen reduziert werden können und wie stark und zeitnah eine solche Reduzierung den weiteren Temperaturanstieg noch hemmen könnte. Zum anderen sind die Wirkungsketten für den Niederschlag der Temperaturveränderungen in den Bankbilanzen lang. Schon die Transmissionskanäle in bestimmte Branchen und auf die Ebene des einzelnen Unternehmens sind komplex. Zahlreiche, wenig belastbare Annahmen müssen getroffen werden, um das Risiko für einen spezifischen Kredit einzuschätzen: Wie wirkt sich etwa ein Anstieg um zwei Grad auf die Natur und im zweiten Schritt auf ein Unternehmen tatsächlich aus? Wie gut ist das Unternehmen für einen solchen Fall gerüstet, welche Gegenmaßnahmen können ergriffen werden? Und was bedeutet das tatsächlich für die Bonität des Schuldners? Transitionsrisiken sind anders geartet und noch weniger kalkulierbar: Sie erwachsen vor allem aus Maßnahmen, die zur Verringerung 10 03 // 2020

ade für kleine und mittlere Institute eine besondere Herausforderung darstellt. Gleichwohl können die Institute inzwischen in Bezug auf die erforderlichen Datengrundlagen auf ein sich beständig vergrößerndes Angebot durch spezialisierte Informationsanbieter zurückgreifen. Allerdings gibt es bisher keine allgemein akzeptierten Standards, weswegen sich Nachhaltigkeitsratings verschiedener Datenanbieter zum Teil sehr deutlich unterscheiden. Zudem ist die Datenabdeckung, gerade in Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen, noch unzureichend. Im Hinblick auf das Exposure gegenüber kreditnehmenden Unternehmen dürfte eine in die Zukunft gerichtete Analyse von Geschäftsmodellen in jedem Fall eine weitaus größere Rolle als bislang spielen. Um abzuschätzen, wie stark ein einzelnes Unternehmen von der Dekarbonisierung der Wirtschaft betroffen sein könnte, kann dessen Branchenzugehörigkeit ein erster Indikator sein. Einen starken Einfluss haben aber auch der individuelle Anpassungswille und die Anpassungsfähigkeit – gerade in den Sektoren, die eine besonders hohe CO2- Intensität aufweisen, wie z. B. die Automobilindustrie inklusive ihrer Zulieferer. Sowohl für Kredit- als auch für Marktrisiken gilt, dass konventionelle Modelle zur Risikoberechnung für die Messung der Klimarisiken nicht direkt verwendet werden können, da diese Modelle stark auf der mathematischstatistischen Analyse historischer Daten beruhen. Diese sind aber nicht ohne Weiteres auf die Zukunft übertragbar – dies gilt vor allem für klimabezogene Risiken, die sich in der Vergangenheit noch nicht materialisiert haben. Risikoanalysen müssen stattdessen künftig stärker auf zukunftsgerichtete Methoden zurückgreifen, zum Beispiel Szenarioanalysen und Stresstests. Die Beschreibung plausibler und/oder besonders ungünstiger Entwicklungspfade tritt dabei an die Stelle wahrscheinlichkeitsbasierter Kennzahlen. Szenariodes CO2-Ausstoßes ergriffen werden, z. B. eine Erhöhung der Preise für Emissionszertifikate, ein Ausstieg aus der Kohleverstromung oder ein Verbot von Verbrennungsmotoren. Auch technologische Durchbrüche oder stark veränderte Konsumenten- bzw. Marktpräferenzen können Transitionsrisiken treiben. Ohne Zweifel können die Auswirkungen für bestimmte Personengruppen, Wirtschaftsbranchen und damit für Bankaktiva gravierend sein. Auslöser für solche Veränderungen sind vor allem politische Entscheidungen. Diese hängen von Präferenzen der Amtsträger, von der öffentlichen Meinungsbildung und nicht zuletzt von Wahlen ab – und sind damit schwer vorherzusehen. Wie bei den physischen Klimarisiken ist außerdem schwer abschätzbar, wie sich derartige Entwicklungen für ein einzelnes Unternehmen in Euro und Cent tatsächlich auswirken. Welchen Wertverlust erleidet ein Vermögensgegenstand? Wie stark sind die Umsatzeinbußen? Wie hoch fallen notwendige Investitionen aus? Welche Alternativen bestehen? Welche neuen Technologien werden verfügbar sein? Die Messung beider Risikoarten, physischer und transitorischer Risiken, wird darüber hinaus durch den Mangel an geeigneten historischen Daten erschwert: Es gibt schließlich keine Präzedenz. Außerdem vollziehen sich manche der Veränderungen über lange Zeiträume, die den klassischen Horizont des Risikomanagements weit überschreiten. …und erste Lösungsansätze Trotz dieser scheinbar unüberwindbaren Schwierigkeiten versuchen Risikomanager weltweit, sich der Herausforderung zu nähern. Einig sind sie sich, dass die klassischen Methoden der Risikomessung allein kaum geeignet sind. Deshalb entwickeln sie neue Ansätze. Zunächst ist es naheliegend, die „neuen“ klimabezogenen Risiken im Kontext der „klassischen“ Risikoarten zu betrachten; d. h., dass sie als Kreditrisiken, Marktpreisrisiken, Liquiditätsrisiken, operationelle Risiken oder Reputationsrisiken negativ auf die Vermögens- und Ertragslage eines Finanzinstituts einwirken können. Hinsichtlich der Beurteilung von Kreditrisiken stehen grundsätzlich die etablierten Ratingagenturen zur Verfügung. Diese nehmen für sich in Anspruch, sämtliche für die Bonitätsbeurteilung relevanten Aspekte zu berücksichtigen. Gegenwärtig ist allerdings noch weitgehend unklar, wie sich physische und Transitionsrisiken in den Methodiken der Agenturen niederschlagen und wie sich die Methoden weiterentwickeln werden. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass der Beurteilungshorizont der Ratingagenturen deutlich kürzer ist als die für viele klimabezogene Risiken charakteristische langfristige Perspektive. Sollte die Integration von Klimaaspekten bei externen Ratings als nicht ausreichend angesehen werden, sind die Risikomanager in den Banken noch stärker als bisher auf ihre eigenen Analysekapazitäten angewiesen, was ge- 03 // 2020 11

die bank