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die bank 03 // 2018

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE BETRIEBLICHE SELBSTERNEUERUNG Durchsetzungskraft hat nichts mit einem Ego-Trip gemein „Digitalisierung, Disruption und Transformation sind die Leitworte einer Wirtschaft im Aufbruch zu grundsätzlich Neuem. Gegen die Beharrungskraft der bestehenden müssen die Grundlinien der sich abzeichnenden neuen Strukturen durchgesetzt werden. Dazu brauchen Führungskräfte eine ganz bestimmte Eigenschaft: Selbstbehauptung beziehungsweise Durchsetzungsstärke“, sagt Jens Weidner. die bank: Professor Weidner, weshalb heben Sie die Eigenschaft der Selbstbehauptung so hervor? Weidner: Weil Selbstbehauptung, lieber spreche ich eigentlich von Durchsetzungsstärke, das beschreibt präziser, worum es geht, die Voraussetzung dafür ist, Vorstellungen, Projekte oder Innovationen vom Wunsch zur Wirklichkeit werden zu lassen. Wer etwas erreichen muss und will, darf hier keine Schwachstelle haben. Ist das erkennbar eine offene Flanke, muss sie geschlossen werden. Durchsetzungsstärke ist nicht gleichzusetzen mit tumbem Ellenbogen-Karrierismus. Durchsetzungsstärke ist in dieser Grundsituation notwendiger Teil einer außerordentlich anspruchsvollen Führungsaufgabe. Und hat viel damit zu tun, sich selbst zu fordern, um sich dadurch zu fördern. Denn sich selbst zu behaupten, sich durchzusetzen und sich Durchsetzungsstärke anzutrainieren, bedeutet auch, sich immer wieder selbst zu überwinden, um stärker zu werden. die bank: Sie sehen Selbstbehauptung also als einen Muskel, der trainiert werden will? Weidner: Darauf läuft es hinaus. Ich will das illustrieren. Die stärksten Ideen entwickeln keineswegs immer die Menschen, die sich auch am stärksten dafür einsetzen können. Zumal „Neues“ oder etwas über den gängigen Horizont hinaus Gedachtes nicht automatisch Begeisterung auslöst. Wie Schumpeter schon gesagt haben soll, ‘Fortschritt ist schöpferische Zerstörung’. Deshalb löst er Widerstand aus. Wer für Neues plädiert, muss nicht nur mit Widerstand rechnen, sondern diesen Widerstand auch ertragen können. Ohne Durchsetzungsstärke und Einstecker-Qualitäten bleiben die üblichen Standardsätze Sieger in diesem Wettkampf: „Das geht hier nicht!“; „Das haben wir schon immer so gemacht!“; „Haben Sie denn keinen Respekt vor den Traditionen unseres Hauses!“; „Sie sind noch zu neu hier. Machen Sie sich erst einmal mit den Gepflogenheiten bei uns vertraut!“ die bank: Das klingt mehr nach Selbstzucht denn nach Ellenbogen… Weidner: Machen wir uns nichts vor, der Grat zwischen Selbstbehauptung beziehungsweise Durchsetzungsstärke und Ellenbogen-Karrierismus ist schmal. Aber er kann definiert werden, und das ist mir wichtig. Positiv durchsetzungsstarke Menschen, die sich in ihrer Aufgabenstellung selbst behaupten, haben gelernt, hart für ihre Vorstellungen und Ziele zu kämpfen, aber sie streben dabei keine Vernichtung von Gegnern an. Sie zielen auch nicht auf die Demütigung unterlegener Gegner ab. Sie gehen respektvoll mit ihnen um. Sie achten auf Fairness und Sachlichkeit; auf Zuverlässigkeit und Seriosität. Mitgefühl ist für sie kein Fremdwort. Aber sie legen Zivilcourage an den Tag. Auch wenn die Befriedigung egoistischer Interessen eine durchaus motivierende Kraft ist, bei der positiven Selbstbehauptung steht sie nicht im Vordergrund. Was nur einem Vor- und diversen anderen Nachteile bringt, kennen wir nur zu Genüge als karrieristisches Handeln. Seriöse Selbstbehauptung verfolgt andere Ziele und folgt anderen Grundprinzipien: sich nicht an die Wand spielen zu lassen, sich nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen zu lassen, sich nicht hinters Licht führen zu lassen, sich nicht übervorteilen zu lassen, sich gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen und den eigenen Standpunkt besser einzubringen. Und das hinzubekommen, ist gar nicht so einfach. die bank: Wie kann das gelingen? Weidner: Aus der Optimismus-Forschung kennen wir den schönen Satz: Es wird nur der ein Superheld, der sich auch selbst für super hält. Wissenschaftlich spricht man vom Above Average Effect. Wer sich durchsetzen will, der braucht Selbstbewusstsein. Wer auf einmal anfängt, sich besser zu positionieren, Forderungen lau- 68 03 // 2018

BERUF & KARRIERE Professor Dr. Jens Weidner lehrt an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften Kriminologie, Viktimologie sowie Sozialisationstheorie. Zudem ist er als Management-Trainer am Schranner Negotiation Institute in Zürich tätig und unterrichtet dort Führungskräfte in Durchsetzungsstärke. ter zu stellen, zu widersprechen und in den Augen anderer „herumzuzicken“, der trifft auf den Widerstand der Etablierten. Pflegen Sie Ihren Above Average Effect, also den Effekt, sich im Beruflichen und Privaten für überdurchschnittlich zu halten – ohne sich zu überschätzen und ohne das groß raushängen zu lassen! Was auf den ersten Blick unangenehm narzisstisch klingt, erweist sich auf den zweiten Blick als notwendige Grundlage für die Entwicklung von Selbstbewusstsein. Liegt doch die größte Gefahr für dessen Entwicklung darin, sich selbst für einen notorischen Underdog zu halten. Wer in den eigenen Augen klein ist, kann nicht in denen der anderen groß sein. Selbstbewusstsein braucht den Glauben an sich selbst. Wer sich diese Handlungsbasis selbst ständig unter den Füßen wegzieht, darf sich nicht wundern, wenn es die anderen auch tun und von Durchsetzungsstärke weit und breit nichts zu entdecken ist! die bank: Wird die Selbstbehauptung abgesichert? Weidner: Mit Fragen! Menschen mit dem Gespür, was Selbstbehauptung fordert, überprüfen ihr Standing und ihr Handeln immer wieder anhand folgender Fragen: Von wo könnte potenzieller Ärger drohen? Was könnte mir möglicherweise schaden? Welche Entwicklungen bergen Gefahren für meine Selbstbehauptung? Sie sind auf der Hut und folgen einem vordergründig pessimistischen Menschenbild. Und sie messen ihre Gegenüber nicht an deren Worten, sondern an deren Taten. Hat man mir in einer schwierigen Situation geholfen? Oder mich im Regen stehen lassen? Durchsetzungsstärke baut auf drei wichtigen Erfolgsfaktoren auf: Erstens der Schnelligkeit, um mit der eigenen Dynamik das Gegenüber zu verblüffen und potenzielle Gegner ins Leere laufen zu lassen. Zweitens: Geduldig sein und momentan Unauflösliches auf der Zeitschiene an eine Lösung heranführen. Drittens: Aktuelle Schieflagen und Zukunftsprobleme unter vier Augen in gedämpfter Tonlage (damit kein Gesichtsverlust entsteht) beim Namen nennen, ohne Rücksicht auf falsch verstandene Harmonien. Mit diesem Bewusstseinshintergrund ist man exzellent aufgestellt! die bank: Was schadet hingegen der Selbstbehauptung? Weidner: Da wären an vorderster Stelle unsinnige Kraftproben zu nennen, selbst wenn sie eigentlich angesagt wären. Auf gar keinen Fall so etwas anzetteln. Der Einstieg in eine kämpferische Auseinandersetzung sollte erst dann erfolgen, wenn die Gewinnchance 51 Prozent zu 49 Prozent ist. Liegen die Erfolgsaussichten darunter, ist die Gefahr der Selbstbeschädigung zu groß. Das kostet nur Energie, Zeit, schadet häufig auch der eigentlichen Aufgabe und sorgt zum unguten Schluss auch noch für eine Rufschädigung. Wer potenzielle Problemsituationen nicht einigermaßen richtig einzuschätzen vermag, ist kaum durchsetzungsfähig und kein Meister der Selbstbehauptung. Unbedingt auch auf Distanz zu Dauernörglern und Bedenkenträgern bleiben. Sich mit solchen Zeitgenossen einzulassen, beschwört die Gefahr herauf, früher oder später mit deren negativen Eigenschaften assoziiert zu werden. Die Larmoyanten einzubeziehen und ihnen Zuspruch zu geben, hilft denen nicht aus ihrer unglücklichen und demotivierenden Rolle heraus, schadet aber dem eigenen Image. die bank: Herr Professor Weidner, haben Sie vielen Dank für dieses Interview. Die Fragen stellte Hartmut Volk. Hartmut Volk, Diplom-Betriebswirt, bearbeitet seit 30 Jahren als freier Journalist an der Schnittstelle von Wirtschaft und Wissenschaft Themen aus dem Bereich der Unternehmensführung für Fachzeitschriften und Tageszeitungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 03 // 2018 69

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