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die bank 03 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT INTERVIEW

MANAGEMENT INTERVIEW „Sicherer Hafen in Krisenzeiten“ Für einen internationalen Automobilhersteller hat Dr. Matthias Henke jüngst eine Captive Bank gegründet. Mit dem Prozess und den Hürden kennt er sich also bestens aus. Um eine Firmenbank zu gründen, sei eine Projektdauer von mindestens einem Jahr realistisch, sagt der Jurist. Im Zuge der steigenden Regulierung würden die Markteintrittsbarrieren für Industrieunternehmen noch steigen. Seit 2010 arbeitet der Rechtsanwalt bei KPMG in Düsseldorf. Zuvor war er Referent bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und dort u. a. für die Prüfung der Erlaubnispflicht von Geschäftsmodellen und die Verfolgung unerlaubter Geschäfte zuständig. die bank: Mit der im November 2016 gegründeten Hyundai Kia Bank hat fast jeder Autobauer eine eigene Firmenbank. Aber auch der Flugzeugbauer Airbus, der Spezialchemie-Hersteller Degussa, der Mischkonzern Werhahn, der Versandhändler Otto oder Maschinenbauer Trumpf betreiben eigene Banken. Was ist der USP von Firmenbanken? Henke: Industriebanken, sog. Captives, ergänzen die Wertschöpfungskette von Konzernen und unterstützen den Vertrieb der Produkte. Gerade bei neu gegründeten Captives ist der „Enabler“-Gedanke die tragende Motivation. Insbesondere am Beispiel der Automobilbanken zeigt sich, dass ein Captive einen substantiellen Anteil zum Konzernergebnis beitragen kann. Darüber hinaus können Captives helfen, die Markentreue der Kunden zu steigern. Captives nutzen Gestaltungsspielräume, die aufgrund der engen Verbindung zu den Industrieunternehmen entstehen, und stellen durch industriespezifisches Knowhow und Marktmacht die Wettbewerbsfähigkeit der Geschäftsmodelle langfristig sicher. die bank: Inwiefern können Firmenbanken zur finanziellen Flexibilität der Eigentümer-Firma beitragen? Henke: Natürlich kann ein Captive einen positiven Beitrag zum Finanzierungsmix leisten. Im Konzernverbund gelten jedoch auch Großkreditgrenzen, die ein zu großes Engagement des Captives beschränken. Nicht zuletzt kann durch die Konzernbank in Krisenzeiten der „sichere Hafen“ der Zentralbank genutzt werden und diese so zur finanziellen Stabilität der Unternehmensgruppe beitragen. die bank: Wo lauern Gefahren bei dem Geschäftsmodell, das vorrangig auf die Kunden des Herstellers bzw. Dienstleisters zielt? Henke: Ist eine Branche von einem wirtschaftlichen Abschwung betroffen, belastet dies aufgrund des geringeren Umsatzes auch die Performance des Captives. Steigende Kreditrisiken mindern auch die Ertragslage der Bank und können zusätzlichen Eigenmittelbedarf auslösen. die bank: Die Beantragung einer Vollbanklizenz ist mit einem enormen Aufwand verbunden. Gelten für Firmenbanken bei der Gründung und im Geschäftsalltag exakt dieselben Vorschriften wie für andere Vollbanken? Henke: Das Bankaufsichtsrecht gilt uneingeschränkt für alle Banken in gleicher Weise. Es gibt weder für Industriebanken, noch für FinTechs beim Aufbau und dem Betrieb Erleichterungen. die bank: Mit welcher zeitlichen und finanziellen Belastung muss ein Unternehmen rechnen, das eine Firmenbank gründen will? Henke: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Der Aufwand hängt vor allem von der Komplexität des geplanten Geschäftsmodells und der Bankprodukte ab. Zusätzlich entstehen Anforderungen durch neue IT-Systeme und Prozesse zur Risikosteuerung und -überwachung. Realistisch ist eine Projektdauer von mindestens einem Jahr. Kosten schwanken sehr stark in Abhängigkeit von den gewählten IT-Lösungen und den Beiträgen aus der Unternehmensgruppe. Der größte Aufwand entsteht in der Implementierungsphase, in der die IT-Infrastruktur aufgebaut 26 03 // 2017

MANAGEMENT wird und die zuvor ausgearbeiteten Prozesse parallel weiter detailliert und dokumentiert werden müssen. Der Aufbau der gesamten Bank-IT stellt häufig die größte zeitliche und finanzielle Belastung dar. Entscheidend ist, dass frühzeitig die Anforderungen an die IT-Infrastruktur (auch auf Dokumentenebene) detailliert und vertraglich den aufsichtsrechtlichen Anforderungen entsprechend ausgearbeitet werden können. die bank: Der Regulierungsdruck steigt eher noch, sprich die Gründung wird komplizierter. Wie muss ein Mittelständler oder Konzern aufgestellt sein, damit sich eine Gründung überhaupt lohnt? Henke: Die steigenden Anforderungen belasten nicht die Komplexität der Bankgründung. Das Erlaubnisverfahren und der Aufbau einer Bank machen ohnehin eine starke Einbindung externer Berater notwendig, die die Compliance mit den aufsichtsrechtlichen Anforderungen sicherstellen. Aufsichtsrechtlich ändern sich vor allem Parameter, die die Geschäftsmodelle bzw. den Business Case einer Bank belasten. Als Beispiel werden unter dem Stichwort Basel IV u. a. erhöhte Eigenmittelunterlegung für operative Risiken und gesteigerte Anforderungen an die IT-Architektur erwartet. Damit steigen auch die Anforderungen an ein nachhaltiges Geschäftsmodell, das der Aufsicht nachzuweisen ist. Für Industrieunternehmen steigen damit die Markteintrittsbarrieren. Grundsätzlich sollte das Industrieunternehmen bereits über höhere Umsätze im Kerngeschäft verfügen, die durch Bankleistungen weiter ausgebaut werden können. Hilfreich ist es auch, wenn die Geschäfte vor allem in der Europäischen Union betrieben werden, damit das Potenzial möglichst vollständig durch eine regulierte Einheit erschlossen werden kann. die bank: Firmenbanken wie die BMW Bank bieten nicht nur Finanzierung und Leasing von Autos an, sondern auch das Einlagengeschäft mit oftmals attraktiven Konditionen. Welche Bedrohung geht von diesen Instituten für traditionelle Banken aus? Henke: Das Passivgeschäft ist zur Refinanzierung des Kreditund Leasinggeschäfts der Banken notwendig. Auch im deutschen Markt sind die Retailkunden preissensibel und reagieren auf entsprechende Angebote von Captives. Diese Einlagen gehen den traditionellen Banken zwar verloren. Das ist jedoch in der aktuellen Niedrigzinsphase für diese Banken eher von geringerer Bedeutung. Hier stehen vielmehr die Geschäftsmodelle per se auf dem Prüfstand. die bank: Wie wird sich dieses Teilsegment der Bankenbranche künftig entwickeln? Henke: Auch hier steht zukünftig die sog. User Experience im Vordergrund. Auch Captives werden sich hier trotz der bereits sehr engen Beziehung zum Kunden weiterentwickeln müssen. Angebote müssen enger verzahnt sein und sich völlig an den Bedürfnissen der Kunden orientieren. die bank: Herr Henke, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Eli Hamacher. 03 // 2017 27

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