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die bank 03 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT VORSICHT VOR

MARKT VORSICHT VOR SOCIAL-MEDIA-DATEN IM KREDITGESCHÄFT Nutzer wehren sich mit gezielten Manipulationen Nicht erst seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist die Auswertung von Social-Media- Daten zu einem intensiv diskutierten Thema geworden. Die Finanzbranche überlegt seit längerem, diese Daten im Kreditgeschäft einzusetzen. Das Thema ist heikel, aber trotzdem ist ein richtiger Hype ausgebrochen, die Auswertungen aus den sozialen Medien für kommerzielle Zwecke auszubeuten. Allerdings ist Vorsicht vor der Reaktion der Nutzer angesagt. Eine Grundstufe dieser Ausbeutung stellt die einfache Analyse der eigenen Social- Media-Angebote mittels sogenannter Key Performance Indicators dar. Automatisch arbeitende Programme verfolgen, wer die Angebote nutzt und welche Reaktionen erfolgen. Es werden Nutzerzahlen, Beziehungsgeflechte, aktive Personen (Influencer) und Stimmungen (customer sentiment) erfasst. Die Befunde werden mit Ergebnissen ähnlicher Angebote verglichen und ermöglichen eine einfache Performance-Analyse. Meist können nur Korrelationen, aber keine Kausalitäten festgestellt werden, sodass kaum normative Handlungsanweisungen möglich sind. Der nächste Schritt ist deshalb die genauere Erforschung möglicher Kausalitäten. Berühmt geworden ist dabei Cambridge Analytica. Das Unternehmen nutzt ein psychographisches Modell („Ocean“ 1 ), um die Daten von Social-Media-Nutzern zielgerichtet auszuwerten. Cambridge-Chef Alexander Nix erklärte, das Unternehmen sei im Besitz von jeweils tausend Datenpunkten zu 220 Millionen US-Bürgern. Mithilfe von Social-Media- Daten und dem psychografischen Modell werde versucht, die Menschen bestimmten Typen zuzuordnen, denen dann ganz gezielt handlungsleitende Informationen zugespielt werden können (Microtargeting). Im Bankenbereich kennt man die Kundensegmentierung seit Jahrzehnten. Sie ist aber grob und basiert bisher nicht auf Social- Media-Daten. Mit Methoden, wie sie Cambridge Analytica vewendet, kann es – so die Hoffnung – gelingen, zu einer Segmentierung zu gelangen, die fein und zielgerichtet ist. Eine Frage, die bisher weniger behandelt wurde, ist, wie die Menschen auf dieser Entscheidung umgehen. Wie reagieren sie auf die Feststellung, dass ihre Social-Media-Daten von Dritten für kommerzielle Zwecke verwendet werden? Nehmen sie das passiv hin, beschweren sie sich, entwickeln sie Abwehrstrategien? Oder begrüßen sie die Entwicklung? Diese Fragen sind besonders relevant für das Kreditgeschäft, für das sich Banken Vorteile in der Kreditwürdigkeitsprüfung mittels Social-Media-Daten erhoffen. Forschungsfragen Es wurden zwei Forschungsaspekte genauer untersucht: Als erstes wurde gefragt, wie Menschen ein auf Social-Media-Daten gestütztes Kreditgeschäft grundsätzlich einschätzen und was sie davon halten, wenn ihre Bank auf ihren Facebook-Seiten nach Daten sucht. Als zweites wurde untersucht, ob Menschen die Durchforstung ihrer Social-Media-Daten durch ihre Bank passiv hinnehmen oder ihrerseits anfangen würden, Daten aktiv so zu manipulieren, dass die Bank einen vorteilhafteren Eindruck bekommt. An der Untersuchung im Jahr 2016 nahmen 271 Personen teil. Ihr durchschnittliches Alter liegt bei 26 Jahren mit einer Streuung von 18 bis 64, Frauen und Männer sind gleichermaßen vertreten, alle sind internetaffin, betreiben Online- und Mobile Banking und nutzen Facebook. 2 Die Probanden wurden nacheinander in drei verschiedene Ausgangssituationen versetzt, die anschließend jeweils zu bewerten waren: Situation I: Den Probanden wurde in Aussicht gestellt, sie könnten in einem Einkaufszentrum ohne Geld und Kreditkarte nur mithilfe ihres Handys und dank des Zugriffs des Händlers auf ihr Facebook-Profil ein attraktives und teures Gerät innerhalb von wenigen Minuten ohne Probleme auf dem Kreditweg erhalten. Situation II: Dabei wurde den Probanden verdeutlicht, wie die schnelle und unkomplizierte Kreditvergabe aus Situation I funktionierte, dass nämlich eine Auswertung des eigenen Facebook-Profils erfolgte und bestimmte, sehr private Daten verwendet wurden, sowohl von den Betroffenen selbst als auch von deren Freunden. Im Rahmen der Bewertung sollten die Probanden skizzieren, wie sie auf diese Art des Kreditgeschäfts reagieren würden. Situation III: Schließlich wurden die Probanden „geframt“ in dem Sinn, dass ihnen weitere Details und Konsequenzen der Kreditwürdigkeitsprüfung mittels Social- Media-Daten drastisch vor Augen geführt wurden. Auch hier sollten die Teilnehmer ihre wahrscheinliche Reaktion angeben. 16 03 // 2017

MARKT Reaktionen und Ergebnisse Betrachten wir zunächst die Ausgangssituation. Die Menschen verstehen, dass man mit Big-Data-Analysen den Kreditprozess verbessern kann. Allerdings erachten sie die Möglichkeit, Kredite noch schneller und noch unkomplizierter erhalten zu können als jetzt schon, als keinen besonders bedeutenden Vorteil. 46 Prozent finden das Angebot grundsätzlich interessant. Als persönliche Vorteile erwarten sie bessere Kreditkonditionen, größere Schnelligkeit und mehr Bequemlichkeit. Fast ein Drittel kann sich vorstellen, dadurch überhaupt erst kreditwürdig zu werden, 45 Prozent befürchten dagegen schlechtere Bedingungen für sich selbst. Die Antworten sind normalverteilt. Erklärt man den Probanden nun, dass die Bank ganz persönliche Daten aus Facebook- Profilen auswerten, beginnen sich die Meinungen aber zu spalten, und das Thema wird kontrovers beurteilt. Die Zahl der Menschen, die das Angebot jetzt noch interessant finden, halbiert sich auf nur noch 23 Prozent. Das Geschäft bekommt an dieser Stelle einen moralischen Touch: Nur 24 Prozent halten die Technik für fair. Dass negative Daten aus den Facebook-Profilen die Kreditkonditionen negativ beeinflussen (müssen), sehen zwar 40 Prozent ein. Aber ebenso viele denken, dies sollte nicht passieren. In ihrer Vorstellung soll die freiwillige Weitergabe persönlicher Daten einen Nutzen, aber keine Nach- 03 // 2017 17

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