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die bank 03 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BERUF & KARRIERE Wie

ó BERUF & KARRIERE Wie eine Hydra INTERVIEW Die Europäische Bankenaufsicht EBA hat zur Regulierung der Vergütungspraxis von Finanzdienstleistern neue Richtlinien vorgelegt. Im Gespräch mit unserer Redaktion finden die Vergütungsexperten Petra Knab-Hägele und Michael Kramarsch von der Management-Beratung Hkp-Group dafür deutliche Worte. diebank: Mit den „Guidelines on sound remuneration policies and disclosures“ hat die EBA am 21. Dezember letzten Jahres Finanzdienstleistern in Europa ein besonderes „Präsent“ unter den Weihnachtsbaum gelegt. Wie bewerten Sie die neue Regelung? Michael Kramarsch: Was als vernünftige Regulierung exzessiver und krisenstimulierender Vergütungspraxis im Investmentbanking begann, wird nun zu einer Hydra, der mit jeder neuen Regulierungswelle weitere Köpfe wachsen. Es ist bemerkeneswert, dass dafür nicht die EBA die Verantwortung trägt, sondern die EU: Das Korsett der CRD IV erlaubt es der EBA nicht, Proportionalität in vernünftigem Masse anzuwenden. Petra Knab-Hägele: Hier wird deutlich über das Ziel hinausgeschossen, indem tatsächlich alle Finanzdienstleister, die sich in der EU engagieren, einbezogen werden, also auch Sparkassen, Volks- und Raiffeisen-Banken, Asset-Management- und Leasing-Gesellschaften, Nicht-Institute im Gruppenverbund und letztlich auch Niederlassungen von Instituten aus Drittstaaten wie der Schweiz oder den USA. Die EBA hat versucht, das zu vermeiden und in einem Positionspapier sogar den Widerwillen mit der eigenen Regulierung zu erkennen gegeben. diebank: Von der erweiterten Regulierung betroffen wären also nicht mehr nur die sogenannten bedeutenden Institute und Finanzdienstleister mit einer Bilanzszumme von über 15 Mrd. €. Knab-Hägele: Genau, der Kreis der betroffenen Gesellschaften würde allein in Deutschland von 50 auf bis zu 3.000 Finanzdienstleister anwachsen. Auch die Sparkasse um die Ecke müsste demnach alle Mitarbeiter, die ihr Risikoprofil wesentlich beeinflussen, als Risikoträger identifizieren und sie gemäß der anspruchsvollen Mindestanforderungen an variable Vergütung entlohnen. Kramarsch: Konkret sehen die neuen Leitlinien für diese Risikoträger ohne Ausnahme Folgendes vor: Mindestens 40 Prozent ihrer variablen Vergütung müssen für mindestens drei Jahre aufgeschoben werden, erst dann dürfen die Beträge überwiesen werden – und das auch erst nach einer Malusprüfung. 50 Prozent der Boni müssen in eine Nachhaltigkeitskomponente übertragen werden. Das Ganze gilt dabei ab 1 € – die Freigrenze von 50.000 €, die bislang für die variable Vergütung besteht, würde entfallen. diebank: Bei der Regulierung gilt gleiches Recht für alle … Knab-Hägele: Die anspruchsvollen Mindestanforderungen an Vergütung gelten in der Tat für alle Institute. Für bedeutende Institute und bestimmte Personengruppen in diesen Instituten gelten nochmal verschärfte Anforderungen. diebank: Wird hier noch das Proportionalitätsprinzip gewahrt, dass sich die EU- Kommission auf die Fahnen geschrieben hat? Systemrelevante Banken und kleine Institute sollen schließlich nicht über einen Kamm geschoren werden. Kramarsch: Formal bleibt das Proportionalitätsprinzip erhalten. Nur sind die Mindestanforderungen bereits unproportional. Kleine Institute in eine hochkomplexe Vergütungsregulierung zu treiben, macht einfach keinen Sinn. Die Unterschiede in der Regulierung sind nur mehr marginal. diebank: Aber auch in kleinen Banken und Sparkassen gibt es Risikoträger. Kramarsch: Das stimmt, aber das Risikound Schadenpotenzial ist doch sehr unterschiedlich. Jetzt sollten sich alle realistischerweise auf eine härtere Regulierung einstellen, selbst wenn die Richtlinien an der einen oder anderen Stelle noch entschärft werden. Die Vergütung für Geschäfts- und Bereichsleiter bedeutender Institute muss nicht mehr wie bisher mindestens drei Jahre lang aufgeschoben werden, sondern mindestens fünf Jahre lang. Der Anteil der Nachhaltigkeitskomponente muss dabei über 50 Prozent liegen. Knab-Hägele: Risikoträger mit einer besonders hohen variablen Vergütung müssen sogar auf mindestens 60 Prozent ihrer Boni warten. Die jeweiligen Beträge dürfen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht mehr in Jahrestranchen ausbezahlt werden, sondern komplett erst nach drei bzw. fünf Jahren und müssen dann auch noch ein weiteres Jahr gehalten werden. diebank: Wenn also heute einem Geschäfts- oder Bereichsleiter ein Bonus zugesprochen wird, sieht der ihn erst in fünf Jahren auf seinem Konto? Knab-Hägele: Auf dem Konto durch die verpflichtende einjährige Haltefrist eigentlich erst nach sechs Jahren – wenn von diesem Betrag noch etwas übrig ist. Denn während Vergütungsrückforderungen, sogenannte Claw Backs, in Deutschland rechtlich problematisch sind, kann die aufgeschobene va- 68 diebank 03.2016

BANKING ó Michael H. Kramarsch ist Managing Partner und Gründer der auf Performance-, Vergütungs- und Talent-Management spezialisierten Unternehmensberatung Hkp-Group mit Sitz in Frankfurt am Main, Zürich und Amsterdam. Petra Knab-Hägele ist Senior Partner und Leiterin des Geschäftsbereichs Banks & Insurances der Hkp-Group. fi INTERVIEW riable Vergütung im Rahmen der Malusprüfung durchaus reduziert werden. Kramarsch: Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung, für das die variable Vergütung eigentlich stehen sollte, wird durch diese Entkopplung vom Bemessungszeitraum außer Kraft gesetzt. Zudem: Eine attraktive Vergütung ist nach wie vor ein wichtiges Instrument, um Top-Leute zu gewinnen und zu binden. Aber attraktiv wird die neue Regelung wohl kaum jemand empfinden. diebank: Wäre es eine Lösung, ganz auf variable Vergütungsbestandteile zu verzichten? Knab-Hägle: Nein, das würde nur die Fixkostenbasis der Institute erhöhen und keinerlei Eingriffsmöglichkeiten bieten, wenn die Geschäftslage dies erfordert. Im Übrigen lässt die Aufsicht diesen Weg nicht zu. diebank: Es soll also kein Institut mehr daran vorbeikommen, einen Anteil der variablen Vergütung „auf die lange Bank“ zu schieben und in Nachhaltigkeitskomponenten einzubringen. Knab-Hägele: Richtig, und gerade kleine Institute würden hier an ihre Grenzen stoßen. Denn sie müssten entsprechende „Deferred Instruments“ wie Anleihen, virtuelle Schuldverschreibungen oder Unternehmenswertberechnungen für ihre Geschäftsleiter und Risikoträger entwickeln und laufend verwalten. diebank: Jetzt ist die neue Leitlinie auf dem Tisch. Wie geht es weiter? Kramarsch: Wenn alles nach den Vorstellungen der EU-Kommission läuft, müssen die neuen EBA-Guidelines bis zum 1. Januar 2017 in nationales Recht umgesetzt werden – in Deutschland im Rahmen des Kreditwesengesetzes und der Institutsvergütungsverordnung IVV. Als Verordnungsgeber ist das Bundesministerium der Finanzen zuständig. Knab-Hägele: Wir gehen davon aus, dass bereits im ersten Quartal 2016 ein entsprechender Entwurf der IVV kommuniziert wird. Nach der üblichen Konsultationsfrist wird er dann mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitte dieses Jahres final vorliegen. diebank: Lassen sich die Auswirkungen des neuen Regulierungsvorstoßes quantitativ beziffern? Mit welchem Aufwand müssen die Institute rechnen? Knab-Hägele: Für die deutschen Institute stellen die neuen Vorgaben eine echte Belastung dar. Im Durchschnitt rechnen sie mit einer Vollzeitstelle mehr, das belegen unsere Studien. Kramarsch: Allein die Kosten für die Implementierung der Neuregelungen würden nach unseren ersten Berechnungen etwa 500 Mio. € betragen – einschließlich Personalaufwand, Rechts- und sonstiger Beratung, IT-Umstellungen etc. – ohne dass dadurch der Finanzmarkt stabiler werden würde. diebank: Noch ist es nicht zu spät, die Richtlinien zu entschärfen. Welche Möglichkeiten sehen Sie dafür? Knab-Hägele: Die EBA kann nicht gegen EU- Vorgaben wie CRD IV handeln. Sie hat jedoch ihren eigenen Richtlinien ein Positionspapier zur Seite gestellt, in dem sie diese kritisch bewertet – ein einmaliger Vorgang! So schlägt sie vor, kleinere Institute und – wie bisher in Deutschland praktikziert – Kleinstbeträge in der variablen Vergütung von der Regulierung auszunehmen. Eine entsprechende Anpassung der CRD IV-Richtlinie halten wir jedoch für wenig wahrscheinlich. Der dafür nötige politische Konsens wird in der nötigen Zeit nur schwer zu erzielen sein. Kramarsch: Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass die Bundesregierung ausreichend politischen Mut aufbringt und mit dem kritischen EBA-Positionspapier im Rücken die Ausnahmen für kleine Institute beibehält. Das kann im Rahmen der „comply or explain“-Stellungnahme noch im ersten Quartal 2016 erfolgen oder bei der Umsetzung in nationales Recht. Immerhin geht es darum, den deutschen Bankensektor zu schützen. Kleinen Instituten könnte auch gestattet werden, auf eine variable Vergütung zu verzichten. Knab-Hägele: Brüssel sollte sich an den eigentlichen Zweck der entsprechenden Vorstöße erinnern, bei großen systemrelevanten Instituten und riskanten Geschäftsmodellen Vergütung als Teil eines stabilisierenden Risikomanagements zu regulieren. Es geht also um Risikomanagement und nicht um personalpolitische Vergütungsfragen. Regulierung muss wieder auf diesen Kern zurückgefahren werden. diebank: Frau Knab-Hägele, Herr Kramarsch, vielen Dank für dieses Interview. 03.2016 diebank 69

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