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die bank 02 // 2021

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT RECHTLICHE

MARKT RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN UND STRATEGIEN Anlagerisiken für Stiftungen steuern und eingrenzen Stiftungen sind für Banken eine interessante Klientel, denn sie verfügen regelmäßig über größere Kapitalbeträge, die anzulegen sind. Die mit diesen Kapitalanlagen erwirtschafteten Erträge sollen nach dem Zweck der Stiftung dem jeweiligen Stiftungszweck dienen. Aufgrund der andauernden Niedrigzinsphase kommen Stiftungen vermehrt in die Not, Erträge aus derzeit nahezu nullverzinslichen Wertpapieren erwirtschaften zu müssen. Deshalb stellt sich für sie immer dringender die Frage nach sinnvollen Alternativen zu festverzinslichen Wertpapieranlagen. Ende 2019 zählte der Bundesverband Deutscher Stiftungen hierzulande 23.300 Stiftungen. Sie fördern gesellschaftliche Zwecke, dienen der Bildung, Kunst, Kultur und Wissenschaft sowie zahlreichen weiteren Zielsetzungen, etwa aus den Bereichen Umwelt, Religion oder Sport. Seit dem Beginn der 2000er-Jahre hat sich die Zahl der Stiftungen in Deutschland damit mehr als verdoppelt. Es ist daher nicht übertrieben, von einem „Stiftungsboom“ zu sprechen. Der von einer Stiftung verfolgte Zweck ist im sogenannten Stiftungsgeschäft festgelegt (vgl. § 81 Abs. 1 BGB). Typisches Kennzeichen einer Stiftung ist ihre Anlage „auf die Ewigkeit“, obwohl es mittlerweile auch andere Stiftungsformen gibt. 8 02 // 2021

MARKT Dieses unbegrenzte Bestehen einer Stiftung erfordert, dass das vom Stifter eingebrachte Stiftungskapital nicht verzehrt, sondern erhalten wird. Der Stiftungszweck wird mithin nur aus den Erträgen finanziert, die der Kapitalstock der Stiftung erbringt, der Kapitalstock selbst bleibt erhalten. Was eine Stiftung generell auszeichnet Die rechtsfähige Stiftung ist eine mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Vermögensmasse, die durch einen Stiftungsvorstand verwaltet wird. Die drei wesentlichen Merkmale einer Stiftung sind: (1) der vom Stifter festgelegte Stiftungszweck, (2) das Vorhandensein eines Stiftungsvermögens sowie (3) eine Stiftungsorganisation. In früheren Zeiten erwirtschafteten Stiftungen aus der Anlage des Kapitalstocks vornehmlich in festverzinsliche Wertpapiere Renditen, die als Erträge der Stiftung den Stiftungszwecken zugeführt werden konnten. Aufgrund der seit Jahren niedrigen Zinsen ist die traditionelle Anlage des Stiftungsvermögens in sichere (Staats-) Anleihen zunehmend versperrt. Zwischenzeitlich beklagt gut ein Fünftel aller Stiftungen im Rahmen einer Umfrage des zuständigen Bundesverbands, dass sich ihre Erträge aus der Vermögensverwaltung negativ entwickelt haben. Das Stiftungswesen in Deutschland wird durch Bundes- wie durch Landesgesetze geregelt. So finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 80 ff BGB) sowie in der Abgabenordnung (§§ 51 ff AO) Vorschriften, die für alle deutschen Stiftungen gelten. Daneben regeln die Landesstiftungsgesetze (LStiftG), wie Stiftungen im Einzelnen zu führen sind. Namentlich das ausdrückliche Gebot zum Erhalt des Bestands des Stiftungsvermögens findet sich in nahezu sämtlichen LStiftG wieder. Sofern ein LStiftG dies nicht vorsieht, ergibt sich ein solches Substanzerhaltungsgebot regelmäßig indirekt aus dem Stiftungszweck (vgl. § 81 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 BGB). Daraus leiten Stiftungsvorstände vielfach die Verpflichtung ab, ausschließlich in festver- zinsliche Wertpapiere erster Bonität sowie ggf. in Immobilienvermögen zu investieren. Dass dies in Zeiten von Nullzinsen mittel- bis langfristig zu Problemen bei der Finanzierung der Stiftungszwecke führen muss, liegt auf der Hand. Im Folgenden werden zunächst die zivilrechtlichen Rahmenbedingungen für Stiftungen untersucht. Dabei wird der Frage nachgegangen, inwieweit Stiftungen ihr Vermögen, sofern sie in Wertpapiere investieren, außerhalb des Bereichs festverzinslicher Wertpapiere anlegen dürfen. Danach wird die Umsetzung in Form einer mittel- bis langfristigen Anlagestrategie für Stiftungsvermögen in Zeiten niedrigster Zinsen erörtert. Steuerliche Fragestellungen, wie z. B. die Thematik der Gemeinnützigkeit, werden hierbei ausgeklammert. Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Übrigen auf die Anlage in Wertpapieren; Immobilienanlagen werden nicht in die Betrachtungen einbezogen. Das Gebot, Erträge zu erwirtschaften Stiftungen verfolgen nach dem Leitbild des Gesetzgebers den vom Stifter vorgegebenen Stiftungszweck. Diese Zweckverfolgung ist grundsätzlich – anders als bei einer Verbrauchsstiftung, die hier jedoch nicht betrachtet werden soll –auf eine lange Zeitdauer ausgerichtet. Das BGB spricht hier von der „dauerhafte(n) und nachhaltige(n) Erfüllung des Stiftungszwecks“ (vgl. § 80 Abs. 2 S. 1 BGB). Da die Zweckverfolgung der Stiftungen zumeist kapitalgebunden erfolgt, unterliegt die Stiftung damit dem Gebot, das Stiftungskapital möglichst ungeschmälert zu erhalten. Deshalb griffen und greifen Stiftungsvorstände zumeist auf festverzinsliche Wertpapiere zur Anlage zurück, da diese eine gesicherte, berechenbare und damit vorhersehbare Rendite zur Umsetzung der Stiftungszwecke erbringen. Die Grundzüge des Vermögensmanagements von Stiftungen zeigt die Darstellung ÿ 1. Aufgrund der seit Jahren andauernden Niedrigzinslage laufen ältere, höher verzinsliche Wertpapiere des Anlagevermögens von Stiftungen Schritt für Schritt aus, ohne dass diese durch ähnlich rentierliche festverzinsliche Wertpapiere ersetzt werden könnten. Damit kommen die Stiftungen in das Dilemma, das jeder Wertpapieranleger kennt: Sie müssen einen Weg finden, um bei vertretbarem Risiko eine ausreichende Rendite zu erwirtschaften, da ansonsten die Verfolgung der Stiftungszwecke gefährdet ist. Grundsätzlich könnten die Stiftungen in höher verzinsliche Anleihen investieren, das Angebot am Markt ist vorhanden. Doch kommt hier die Korrelation von Rendite und Risiko zum Tragen: Die für die Überlassung von Kapital gezahlte Rendite honoriert das mit dieser Kapitalüberlassung verbundene Risiko des Anlegers, d. h. je höher das Risiko für den Kapitalgeber ist, desto höher ist grundsätzlich auch der Zins (und damit regelmäßig die Rendite) der jeweiligen Kapitalanlage. Daraus folgt für die Stiftungen ein Spannungsfeld zum Gebot der Kapitalerhaltung. Dieses scheint aufgrund des dargelegten Risiko-Rendite-Zusammenhangs zunächst unauflöslich zu sein. Die Hierarchie der Handlungsobliegenheiten Aus den dargelegten Zusammenhängen ergibt sich für Stiftungsvorstände eine Hierarchie von sechs grundsätzlichen Handlungsobliegenheiten bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens, wie in der Darstellung ÿ 2 ersichtlich: 1. Erhalt des Stiftungsvermögens Damit eine Stiftung dauernd und nachhaltig ihren Stiftungszweck erfüllen kann, ist ihr Kapitalerhalt oberstes Gebot. 2. Erwirtschaften von Erträgen Aus dem zu erhaltenden Stiftungsvermögen (Grundstockvermögen) sollen Erträge erwirtschaftet werden. 3. Erfüllung des Stiftungszwecks Die aus dem Grundstockvermögen erwirtschafteten Erträge werden vom Stiftungsvorstand zur Erfüllung der Stiftungszwecke eingesetzt. 02 // 2021 9

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