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die bank 02 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

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MARKT SERIE FINTECHS Nur Bares ist Wahres Das Ziel ist ehrgeizig: Langfristig will das FinTech „Barzahlen“ nicht weniger, als die klassische Bankfiliale ersetzen. Bei 12.000 Filialen im Einzelhandel können die Kunden der Berliner bereits Rechnungen bezahlen sowie Geld vom Girokonto abheben und auch einzahlen. Mit einem neuen Mehrheitsaktionär aus Japan will das Start-up jetzt die Internationalisierung in Europa vorantreiben. Über die Pläne des 2011 gegründeten Unternehmens sprach unsere Autorin mit Barzahlen- Gründer Sebastian Seifert. In der Höhle des Barzahlens herrscht schon am frühen Morgen beste Stimmung. Mitarbeiter der Berliner Cash Payment Solutions GmbH, besser bekannt unter ihrem Markennamen Barzahlen, verabschieden heute Praktikanten. Neben Kicker, Dartboard und einem XXL- Bildschirm für die Playstation haben sie im engen Großraumbüro provisorisch eine lange Tafel aufgebaut, Kuchen und Kekse mitgebracht, Kaffee und Tee gekocht. Geschäftsführer und Gründer Sebastian Seifert scheint mit dem Abschiedsfest während der Arbeitszeit kein Problem zu haben. „Wir können nur als Team gewinnen, wenn die Mitarbeiter gern zur Arbeit kommen“, sagt der Chef. Wie Seifert das erreichen will, zeigt ein Chart im Besprechungsraum, das die wichtigsten Unternehmenswerte – Wertschätzung, Professionalität, Empowerment und Transparenz – nennt und erklärt, was jeder Einzelne beachten sollte. Dass sich diese junge Truppe mit zahlreichen IT-Experten mit einer Bezahlmethode beschäftigt, die selbst der Gründer als eher „unsexy“ einstuft, verwundert. An den alten Spruch, wonach nur Bares Wahres sei, glauben die wenigsten Player der innovativen Finanzszene und richten ihre Geschäftsmodelle deshalb konsequent bargeldlos aus. Im Gespräch mit Seifert wird allerdings schnell klar, dass auch dieses FinTech ziemlich digital unterwegs ist. „Online bar bezahlen“ Barzahlen, 2011 gegründet und seit Anfang 2013 am Markt aktiv, gehört zu den vielen Fi- nanz-Start-ups, die sich im Zahlungsverkehr tummeln. Mit welcher Geschäftsidee sie in der Branche mitmischen wollten, das kam den Gründern eher durch Zufall in den Sinn. Während eines Praktikums bei einem Entwickler von Online-Spielen beobachteten Sebastian Seifert und seine Mitgründer Achim Bönsch und Florian Swoboda, dass Nutzer, die für zusätzliche Features bezahlen sollten, oftmals kurz vor der Wahl einer Bezahlart (meist Kreditkarte oder Lastschrift) absprangen. „Wir waren überzeugt davon, dass die Deutschen mehr im Netz kaufen würden, wenn sie bar bezahlen könnten“, so Seifert. Daraus entstand die Idee „online bar bezahlen“, was erst einmal anachronistisch klingt. Dafür braucht der Kunde weder Konto noch Kreditkarte, er muss keine Finanzdaten hinterlegen, nur Mail-Adresse oder Telefonnummer. Nach dem Online-Shopping schickt Barzahlen einen Barcode, den der Käufer – ausgedruckt oder auf dem Smartphone – bei einer von mittlerweile 12.000 Partnerfilialen in Deutschland an der Kasse vorzeigt, um dann mit Scheinen und Münzen den Betrag zu begleichen. Dazu geht der Kunde nicht etwa in eine Bank, sondern zum Beispiel zu Rewe, dm, Penny, Rossmann, real, toom oder Budnikowsky. Die jeweils drei nächstgelegenen Zahlstellen mit Adresse und Distanz finden sich gleich unter dem Barcode, zusammen mit einem Hinweis auf die Zahlungsfrist. Zielgruppe bei den Privatkunden sind Menschen mit hohem Sicherheitsbewusstsein sowie Geringverdiener, die stärker Bargeld nutzen, um besser die Kosten kontrollieren zu können, oder auch Jugendliche, die Cash von Eltern, Oma oder beim Nebenjob bekommen. „50 Prozent der deutschen Haushalte haben ein Nettoeinkommen von unter 2.000 €. Deren Anteil wird oft unterschätzt“, sagt Seifert. Nicht nur für den E-Commerce, sondern auch für zahlreiche andere Branchen mit Massenkundengeschäft hat das FinTech mittlerweile Lösungen entwickelt, darunter Banken wie die DKB, die erste deutsche Smartphonebank N26 sowie die Sparda-Banken. Deren Kunden wählen in der App ihrer Bank den Betrag, den sie ein- oder auszahlen wollen, bekommen von dem Institut den Barcode, den der Kassierer schließlich im Supermarkt scannt. „Zur Bargeldversorgung können die Institute so Deutschlands größte Zahlungsinfrastruktur nutzen“, sagt Seifert, der jüngst auch die Targobank als Partner gewann. Deren Senior Projektmanager Holger Herzberg beschreibt die Vorteile für sein Institut: „Durch die Kooperation mit Barzahlen vereinfachen wir die Bargeldversorgung unserer Kunden und erweitern unsere neu gestaltete Banking-App um eine weitere nützliche Funktion.“ Die Möglichkeit, Bargeld einzuzahlen oder sich auszahlen zu lassen, nutzen vor allem die Digital Natives, um so Bankser- 8 02 // 2020

MARKT vices in ihren Alltag zu integrieren und den Extra-Weg zur Bank zu vermeiden. Dazu brauchen sie ein Konto bei einer der Partnerbanken von Barzahlen. Noch sind die Auszahlungen bei allen Partnern laut Barzahlen gebührenfrei, die Einzahlungen jedoch oftmals nicht. Schon bald könnte es teurer werden. Laut einer Umfrage des Verbraucherportals Biallo unter 1.300 Geldhäusern hatten gut 400 ihre Preise für das Girokonto 2019 erhöht. Bei einer Befragung der Beratungsfirma EY kündigten 4 Prozent der Institute an, das Abheben von Bargeld verteuern zu wollen. Mahnen, Mofaschild und Notauszahlungen Weitere Branchenlösungen hat Barzahlen zum Beispiel für Versicherungen, Energieversorger, Wohnungsbaugesellschaften, Telekommunikation, Tourismus und Öffentliche Verwaltung entwickelt. Die Assekuranz etwa nutzt Barzahlen im Mahnprozess, für Auszahlungen als Scheckersatz oder für Kunden unter 18, die ein Mofa-Kennzeichen zahlen müssen und ihr Taschengeld meist in Cash bekommen. Die Agentur für Arbeit setzt das System für Notauszahlungen ein. Online-Reiseportale verschicken Zahlscheine mit einem Barcode, der Kunde begleicht die Rechnung bei einer Partnerfiliale im Handel. Wohnungsbaugesellschaften senden Barcodes für die Jahresendabrechnung oder Kautionszahlungen, Telekommunikationskonzerne bieten ihren Kunden mit Barzahlen eine weitere Zahlungsoption für ihre Monatsrechnungen an. Insgesamt 600 Unternehmen zählt das FinTech inzwischen zu seinen Partnern. Das Geschäftsmodell, mit dem die Gründer mittlerweile auch in Österreich, der Schweiz und seit Mai 2019 in Italien aktiv sind, soll künftig auch in Frankreich, Spanien, Polen, Großbritannien und Griechenland Erträge abwerfen. „So bargeldverrückt wie man hierzulande immer berichtet, sind die Deutschen gar nicht, sondern liegen in Europa eher im Mittelfeld“, sagt Seifert. Laut einer Studie der EZB von 2017 gibt es in Süd- und Osteuropa zahlreiche Staaten, in denen 80 Prozent und mehr Transaktionen in bar getätigt werden. Selbst im Mittelfeld belegen die Zahlen, dass die Deutschen wohl nicht so schnell auf Münzen und Scheine verzichten werden. Laut EHI Retail Institute wurden in Deutschland zwar im Jahr 2018 erstmals mehr Einkäufe im stationären Einzelhandel per Karte beglichen (209 Mrd. €) als mit Bargeld (208 Mrd. €). Schaut man auf die Zahl der Transaktionen statt auf den Umsatz, liegt der Anteil von Cash aber immer noch bei 75 Prozent, was Experten nicht zuletzt mit Sicherheitsbedenken bei elektronischen Zahlungen begründen. Neuer Investor an Bord Das Geld für die europaweite Expansion holte sich Barzahlen im Oktober 2019 bei dem japanischen Investor Glory, dessen deutsche Tochter in Neu-Isenburg bei Frankfurt sitzt. Dem neuen Mehrheitseigner, nach eigenen Angaben ein weltweit führender Anbieter von Bargeldmanagement-Lösungen, gehören seitdem 53 Prozent der Unternehmensanteile. Den Rest halten die beiden Gründer Bönsch und Seifert sowie die Grenke Bank aus Baden-Baden (25,1 Prozent). Das Finanzinstitut hatte bereits vorher investiert und agiert als Partner. Nach Informationen des Newsletters „Finance Forward“, hinter dem das Wirtschaftsmagazin „Capital“ steht, lag die Unternehmensbewertung für den Deal bei 42,5 Mio. €; demnach hat Glory für die Anteile etwa 22 Mio. € gezahlt. Weiter soll es laut Finanzkreisen sogenannte Earn-out- Vereinbarungen geben. So könnte der Wert der Firmenanteile der beiden Gründer noch einmal steigen, wenn das Unternehmen bestimmte Ziele erreicht. Seifert wollte sich zu dem Kaufpreis nicht äußern. Alt-Eigentümer, wie die Alstin Group von Carsten Maschmeyer, sind nicht mehr an 02 // 2020 9

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