REGULIERUNG DAS NEUE VERBANDSSANKTIONENGESETZ Unternehmen dürfen nicht mehr mit passiven Behörden rechnen Wenn Finanzinstitute eigene Missstände aufdecken, dann sind interne Untersuchungen, also Nachforschungen im eigenen Institut, ein erster Schritt in Richtung Aufklärung. Das kürzlich angekündigte Verbandssanktionengesetz dürfte dafür sorgen, dass dieses Instrument in Zukunft häufiger eingesetzt wird. Die Wechselwirkungen zwischen deutschen und ausländischen Aufsichtsbehörden sowie Strafverfolgungsbehörden werfen Fragen auf.
REGULIERUNG Die neue Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht, kündigte kürzlich die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland an. Auch wenn das Ministerium betont, dass es sich gerade um kein Strafrecht für Unternehmen, sondern „nur" um Verbandssanktionen handele, sieht der noch nicht offiziell vorgestellte Entwurf zur Einführung eines Verbandssanktionengesetzes faktisch die Bestrafung von Unternehmen vor. Dabei betonte die Ministerin in einem Interview, dass sie im Zug des Gesetzesentwurfs vor allem die Möglichkeit schaffen möchte, hart gegen Unternehmen durchgreifen zu können, die sich nicht an Recht und Gesetz halten. Aufgabe des Rechtsstaats sei es gerade, rechtstreue Unternehmen vor Wettbewerbsnachteilen durch rechtswidrig agierende Unternehmen zu schützen. Für die stark regulierte Finanzindustrie, die bereits jetzt verpflichtet ist, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, damit Straftaten möglichst verhindert werden, erhöht sich durch das angekündigte Gesetz unter anderem die Strafandrohung. Während nach dem derzeit geltenden Ordnungswidrigkeitengesetz Geldbußen auf maximal 10 Mio. € beschränkt sind, kann nach dem Gesetzesentwurf die Höhe der Sanktionen für große Wirtschaftsunternehmen, also jene mit mehr als 100 Mio. € Jahresumsatz, bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes betragen. Für kleinere Unternehmen bleibt es beim bisherigen Sanktionsrahmen von maximal 10 Mio. €. Darüber hinaus müssen sich Finanzinstitute und andere Unternehmen zukünftig – wenn der Gesetzesentwurf verabschiedet wird – vermehrt mit Strafverfolgungsbehörden auseinandersetzen. Führen Finanzinstitute beispielsweise interne Ermittlungen durch, um den Anforderungen nationaler und internationaler Aufsichtsbehörden gerecht zu werden, sollte zukünftig die sich erhöhende Gefahr eines Ermittlungsverfahrens gegen das Finanzinstitut berücksichtigt werden. Dies gilt sowohl für rein inländische als auch für grenzüberschreitende aufsichtsrechtlich relevante Sachverhalte. Internationale Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden Die BaFin beaufsichtigt und kontrolliert in Zusammenarbeit mit der EZB und der Deutschen Bundesbank das gesamte deutsche Finanzwesen, geht im Zug des kollektiven Verbraucherschutzes Verbraucherbeschwerden auf den Grund und bekämpft Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, um ein funktionsfähiges, stabiles und integres deutsches Finanzsystem zu gewährleisten. Dabei kooperiert sie bei internationalen Sachverhalten in großem Umfang mit ausländischen Aufsichtsbehörden, wie zum Beispiel der britischen FCA (Financial Conduct Authority), der SFC in Hongkong (Securities and Futures Commission) oder der USamerikanischen SEC (Securities and Exchange Commission). Bei internationalen Sachverhalten sind die Aufsichtsbehörden auf die internationale Kooperation angewiesen. Führt etwa eine ausländische Aufsichtsbehörde gegen ein in Deutschland ansässiges Unternehmen Untersuchungen durch, kann aber über das eigene nationale Recht keine Maßnahmen gegen das Unternehmen ergreifen, so kann sie die BaFin im Rahmen der Amtshilfe um Unterstützung ersuchen. Die BaFin kooperiert dann mit der ausländischen Aufsichtsbehörde unter den gesetzlichen Vorgaben des Kreditwesengesetzes (KWG) und des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Bei Anfragen von Behörden aus Mitgliedsländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist die BaFin sogar gesetzlich verpflichtet, bei rechtmäßigen Anfragen zu kooperieren. Die BaFin ermittelt dann die nötigen Informationen und Dokumente. In der Regel lässt sie sich die Informationen jedoch durch die Institute übermitteln, die ihrerseits interne Ermittlungen durchführen müssen, um die Sachverhalte aufzuklären. Die BaFin arbeitet aber auch mit zuständigen Aufsichtsbehörden aus Ländern außerhalb des EWR zusammen. Sie hat hierbei jedoch einen großen Ermessensspielraum, ob sie diese Anfragen bearbeitet. In der Regel schließt die Aufsichtsbehörde deshalb mit Regulatoren aus Drittländern bilaterale Kooperationsvereinbarungen. Zusätzlich ist die BaFin Mitglied der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions, IOSCO) und hat eine Absichtserklärung unterzeichnet (IOSCO Multilateral MOU).1 Darin sichern sich die zuständigen Aufsichtsbehörden aus über 120 Ländern eine Kooperation bei Ermittlungen im Zug der verwaltungsrechtlichen Aufsicht des Finanzsystems zu. Damit beteiligt sich die Ba- Fin an der internationalen Kooperation zur Einhaltung und Durchsetzung der Gesetze und Vorschriften für Wertpapiere und Derivate. Rechtlich erfolgt die Kooperation zwischen der deutschen BaFin und den anderen Aufsichtsbehörden auf dem Weg der Amtshilfe. Die BaFin ist bei der Durchführung der Amtshilfe berechtigt, von ihren gesamten gesetzlichen Befugnissen Gebrauch zu machen. So kann sie ihre Maßnahmen mit Verwaltungszwang gegen Unternehmen durchsetzen, um die für die ausländische Anfrage benötigten Erkenntnisse zu sichern. Folglich ist es der BaFin auch möglich, im Rahmen der Ermittlung einer ausländischen Anfrage Zwangsgelder bis zu einer Höhe von 2,5 Mio. € zu verhängen, sollte sich ein Institut ihrem Ersuchen widersetzen. Die so gewonnenen Ergebnisse übergibt die BaFin an die ausländischen Aufsichtsbehörden. Spiegelbildlich erhält die Behörde von diesen Ergebnisse für eigene Verfahren. Stellt sie dabei Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben fest, kann sie dem Finanzinstitut Geldbußen auferlegen und die Abstellung der Verstöße verlangen. Strafrechtliche Beschuldigtenrechte – in engen Grenzen Ergibt sich aus den zur Verfügung gestellten oder selbst gewonnenen Informationen der Verdacht einer inländischen Straftat, so leitet die BaFin die Ermittlungsergebnisse bereits nach dem heute geltenden Recht an die zuständige deutsche Strafverfolgungsbehörde weiter. An dieser Regelung dürfte sich auch in Zukunft nichts ändern, obwohl das geplante Ver- 02 // 2020 51
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