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die bank 02 // 2020

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT TRAGFÄHIGE

MANAGEMENT TRAGFÄHIGE SANIERUNGSINSTRUMENTE Sanierung statt Liquidierung Das Sanierungsinstrument der Eigenverwaltung hat sich seit Inkrafttreten des ESUG 1 im Jahr 2012 rasant entwickelt und wird mittlerweile bei sechs von zehn großen Insolvenzen eingesetzt. Mit diesem Verfahren lassen sich viele Sanierungsschritte im Sinne aller Beteiligten erheblich beschleunigen. Um die Qualität und Verantwortung in der Sanierung zu fördern, hat das „Forum 270“ Grundsätze für die ordnungsgemäße Eigenverwaltung aufgestellt. Mithilfe des ESUG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, Unternehmen den Zugang zur Eigenverwaltung zu erleichtern, dadurch früh- und rechtzeitige Insolvenzanträge zu fördern und so die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung zu erhöhen. Seit seiner Einführung im Jahr 2012 hat das Instrument der Eigenverwaltung erheblich an Bedeutung gewonnen. Immer weniger Insolvenzanträge erfolgen als Regelverfahren in der Fremdverwaltung, also in einer Insolvenz. Dies gilt zumindest dann, wenn das Unternehmen bei Antragstellung noch „lebt“ und eine gewisse Mindestgröße – in aller Regel mehr als 50 Mitarbeiter – aufweist. Früher galt: Insolvenz bedeutet das Ende eines Unternehmens. Mit der Eigenverwaltung hat das Insolvenzverfahren in der Außendarstellung nun jedoch weitestgehend seinen Schrecken verloren und wird bei den meisten Stakeholdern als legitimes Mittel zur Sanierung eines Unternehmens angesehen. Die Eigenverwaltung wird in der Öffentlichkeit mehr und mehr mit einer Sanierung des Unternehmens verbunden. Nicht zuletzt auch aufgrund prominenter Verfahren in den vergangenen Jahren ist in den Köpfen angekommen, dass die neu geschaffenen Möglichkeiten der Eigenverwaltung und des Schutzschirms zum dauerhaften Erhalt eines Unternehmens beitragen können. Auch für die Gläubigerseite sind diese Verfahren nach neueren statistischen Erhebungen sinnvoll. In Eigenverwaltungsund Schutzschirmverfahren liegt die durchschnittlich ausgezahlte Quote mehr als doppelt so hoch wie bei der Fremdverwaltung. Zudem können auf diesem Weg mehr Arbeitsplätze erhalten werden, und die Lieferanten und Finanzierer behalten ihre Kunden, mit denen sie auch weiterhin Geld verdienen können. In diesem Sinn sollte in Krisensituationen stets die Möglichkeit der Durchführung eines Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung oder mit einem Schutzschirm verantwortungsvoll geprüft und gegebenenfalls rechtzeitig in die engere Auswahl einbezogen werden. Ein Drittel der Verfahren scheitert Aber leider führen lange nicht alle dieser Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren auch zum Erfolg. Etwa ein Drittel der Verfahren scheitert und kippt dann doch in die Fremdverwaltung, sodass in vielen Fällen nur Teilbereiche von Unternehmen erhalten werden können oder letztlich ganz abgewickelt werden müssen. Die Erklärungen dafür sind vielfältig: Aus der Praxis ist bekannt, dass die Insolvenzordnung oft aus Unkenntnis falsch angewendet wird oder Missbrauch und Verletzung von Glä ubigerinteressen zum Scheitern führen. Aus diesem Grund hat das „Forum 270 - Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung“, ein Zusammenschluss renommierter Restrukturierungsberater und Insolvenzpraktiker, einen Standard für eine ordnungsgemäße Eigenverwaltung erarbeitet. Darin sind die langjährigen praktischen Erfahrungen aller Mitglieder aus der Insolvenzverwaltung sowie der Restrukturierungsberatung eingeflossen. Ferner wurden die Ergebnisse aus einer Expertendiskussion mit führenden Branchenvertretern, der Insolvenzgerichtsbarkeit, der Wissenschaft, der Arbeitnehmerseite sowie gläubigerseitig aus der Finanzierung, den Kreditversicherern und der Bundesagentur für Arbeit berücksichtigt. Damit sind erstmals für Deutschland Grundsätze definiert, die wesentliche Anforderungen an eine Durchführung von Eigenverwaltungsverfahren enthalten. Gegenstand dieses Standards sind Regelungen für die Voraussetzungen, die Organisation, den Ablauf und die Kosten von Eigenverwaltungsverfahren sowie die Kriterien für die Person des Eigenverwalters und des Sachwalters. Tragfähiges Sanierungskonzept Grundlage einer erfolgreichen Eigenverwaltung sind im Wesentlichen ein tragfähiges Sanierungskonzept, eine professionelle Begleitung des Verfahrens sowie eine ehrliche Kommunikation mit allen Beteiligten. Im Sanierungskonzept eines Unternehmens müssen nicht jeder Schritt und jede Maßnahme im Einzelnen schon detailliert ausgearbeitet sein. Ist ein Sanierungskonzept nach IDW S6 2 vorhanden, ist dies hilfreich – zwingend erforderlich ist es aber nicht. Es muss aber eine Maßnahmenplanung vorhanden sein, die erkennen lässt, was das Unternehmen verändern möchte, um nachhaltig wieder Gewinne erwirtschaften zu können, und in welchem Zeitraum und mit wel- 44 02 // 2020

MANAGEMENT chem Aufwand diese Maßnahmen umgesetzt werden sollen bzw. können. Dieses Sanierungskonzept sollte dann von einem auf Eigenverwaltungen spezialisierten Sanierungsberater auf seine Umsetzbarkeit in einem Eigenverwaltungsverfahren überprüft und gegebenenfalls auf die insolvenzspezifischen Möglichkeiten angepasst werden. Da es sich bei einem Eigenverwaltungsverfahren um ein Sanierungsverfahren nach der Insolvenzordnung handelt, ist es möglich, auch sämtliche darin vorhandenen Sanierungsinstrumente zur Anwendung zu bringen. Der Werkzeugkasten der Insolvenzordnung bietet beispielsweise die Möglichkeit, sich kurzfristig von ungünstigen Vertragsverhältnissen zu lösen. Das gilt sowohl auf der Lieferanten- als auch auf der Kundenseite. Mietverhältnisse über Immobilien können einfach und schnell beendet werden. Ein gegebenenfalls erforderlicher Personalabbau kann in aller Regel zu etwa einem Drittel der Kosten durchgeführt werden, die außerhalb eines Verfahrens anfallen. Zudem sind die rechtlichen Möglichkeiten, gegen Personalmaßnahmen vorzugehen, reduziert. Die Tatsache, dass die Agentur für Arbeit durch das Insolvenzgeld für drei Monate die Lohnzahlung übernimmt, führt zu zusätzlicher Liquidität, die die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen unterstützen kann. Professionelle Begleitung Daneben muss das Management aber auch professionell bei der Anwendung des vorgenannten insolvenzrechtlichen Werkzeugkastens beraten werden. Dies kann nur durch Sanierungsexperten erfolgen, die die erforderliche Erfahrung im Umgang mit den wesentlichen Verfahrensbeteiligten besitzen. Die wesentlichen Stakeholder sind in aller Regel die Hauptgläubiger wie Bankinstitute, Lieferanten und Arbeitnehmervertreter, aber auch das Insolvenzgericht, der Sachwalter und der Gläubigerausschuss. Ohne Erfahrung im Umgang mit diesen Gruppen kann ein Verfahren unnötig kompliziert werden oder sogar scheitern. Wichtig ist es dabei, dass deutlich wird, dass der Sanierungsberater selbst an den Erfolg glaubt und die Sanierung mitgestaltet. Er sollte daher selbst im Organ des Unternehmens tätig oder zumindest als Generalbevollmächtigter bestellt sein, um das Unternehmen auch nach außen vertreten zu können. Kommunikation Das Eigenverwaltungsverfahren birgt allerdings auch Gefahren für das Unternehmen. Allein die Tatsache, dass das Unternehmen sich in einem Insolvenzverfahren befindet, hält Kunden unter Umständen von einer Bestellung ab. Mitarbeiter werden unruhig und suchen sich gegebenenfalls einen neuen Arbeitgeber. Die regelmäßige und transparente Kommunikation mit allen Beteiligten muss daher ebenfalls gewährleistet sein. Kunden und Mitarbeiter müssen ebenso von dem Sanierungsplan überzeugt werden, wie die direkt an der Sanierung beteiligten Gläubiger. Die Geschäftsführung muss bei allen beteiligten Stakeholdern zwingend für Vertrauen in die nachhaltige Fähigkeit, am Markt zu bestehen, werben. Ist der Sanierungsberater in die Geschäftsführung eingebunden und besitzt einen hinreichenden „Track-Record“ von erfolgreich begleiteten Eigenverwaltungsverfahren, wird er die Geschäftsführung dabei unterstützen und insbesondere helfen, unsichere Stakeholder mit ins Boot holen. FAZIT Unterschiedliche Interessen Die Interessen der Gläubiger müssen innerhalb dieses Prozesses immer im Fokus der Sanierung stehen. Das verlangt schon § 1 der Insolvenzordnung. Sie können aber in der Eigenverwaltung in aller Regel mit den Interessen der Geschäftsführung und der Gesellschafter in einen guten Einklang gebracht werden. Für die Gläubiger bietet das Verfahren ja zudem den Vorteil, dass es in aller Regel wesentlich kostengünstiger ist als ein Verfahren in Fremdverwaltung, und sich bereits hierdurch die Quotenerwartung verbessert. Zudem ist die Dauer der Eigenverwaltungsverfahren mit in der Regel unter einem Jahr wesentlich kürzer und sichert den Gläubigern damit oftmals auch eine schnelle Befriedigungsmöglichkeit. Autor Dr. Dirk Andres ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Partner der Kanzlei AndresPartner, Gründungsmitglied des „Forum 270“ sowie Mitglied des Gravenbrucher Kreises. Er berät Unternehmen bei ihrer Restrukturierung und insbesondere bei Eigenverwaltungsverfahren. 1 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen. 2 Das Institut der Wirtschaftsprüfer hat mit dem IDW S 6 „Anforderungen an Sanierungskonzepte” einen Standard herausgegeben, der sich mittlerweile weit über die Grenzen des Berufsstands durchgesetzt hat. Im August 2018 wurde die Neufassung des IDW S 6 zu Sanierungskonzepten veröffentlicht. Die Eigenverwaltung ist weiter auf dem Vormarsch. Wird das Unternehmen richtig auf die Eigenverwaltung vorbereitet, besitzt es ein zukunftsfähiges Sanierungskonzept und wird professionell durch das Verfahren begleitet, ist das Instrument der Eigenverwaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür geeignet, ein dauerhaftes Bestehen am Markt zu ermöglichen. Ungenügende Vorbereitung und fehlerhafte Begleitung des Verfahrens sowie ein nicht vorhandenes oder unzureichendes Sanierungskonzept sind aber leider immer noch allzu häufig Ursache für ein Scheitern von Eigenverwaltungsverfahren. Die Standards, die das Forum 270 definiert hat, helfen dabei, eine professionelle Eigenverwaltung sicherzustellen. 02 // 2020 45

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