Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 02 // 2019

  • Text
  • Banken
  • Unternehmen
  • Kams
  • Digitalisierung
  • Deutschen
  • Deutschland
  • Abwicklung
  • Insbesondere
  • Banking
  • Institute
  • Diebank
die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MARKT IBOR-REFORMEN ALS

MARKT IBOR-REFORMEN ALS ERZWUNGENE CHANCE Das Universum umbauen Spätestens mit der Lehman-Krise und dem LIBOR-Skandal kam einer der zentralen Taktgeber des internationalen Finanzsystems aus dem Tritt: das Universum der Referenzzinsen. Die Finanzindustrie steht nun vor der anspruchsvollen Aufgabe, dieses Universum umzubauen – wohlgemerkt bei laufendem Betrieb. Wir möchten hier einen Diskussionsbeitrag liefern, der der Frage nachgeht, welches Zielbild im Rahmen dieser erzwungenen Chance erreicht werden kann bzw. sollte. Eine der folgenschwersten Reformen der letzten zehn Jahre rückte erst jüngst in das Zentrum allgemeiner Aufmerksamkeit: Mittels der zentralen Verordnung 2016/1011 (der sogenannten Benchmark-Verordnung), die seit dem 1. Januar 2018 gilt, soll in der EU sichergestellt werden, dass bereitgestellte und verwendete Referenzzinssätze zukünftig robust, zuverlässig und für den angestrebten Einsatzzweck geeignet sind. In Kombination mit verwandten internationalen Bestrebungen wurde letztlich mit regulatorischen Mitteln erreicht, dass das aktuelle Universum der Referenzzinsen grundlegend umgestaltet werden muss. 1 Hierbei wurde jedoch nicht festgelegt, wie ein zukünftiges Universum an Referenzzinsen aussehen könnte und konsequenterweise ebenso wenig, wie der Wechsel vom aktuellen Universum in das zukünftige gestaltet werden soll. Das neue Universum sowie der Wechsel sollen nach der Vorstellung von Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden im Wesentlichen durch die Marktteilnehmer selbst definiert, erschaffen und durchgeführt werden – eine Aufgabe, der sich die im Kern privatwirtschaftlichen Arbeitsgruppen der Finanzindustrie aktuell annehmen. Der Umsetzungsstand hängt hierbei vom konkreten Referenzzins ab, eine grobe Skizze des Weges findet sich in der Abbildung ÿ 1. Tragweite und Ernsthaftigkeit der Aufgabe sind unbestreitbar. Es ist bereits bei oberflächlichem Blick zu erkennen, dass Geldwerte von vielen hundert Milliarden Euro, US-Dollar usw. in vielen Millionen an Einzelverträgen, die auf einschlägige Referenzzinssätze verweisen, betroffen sind. Was ist konkret zu tun? Für jeden betroffenen Referenzzins sind im Wesentlichen die gleichen Schritte zu prüfen bzw. durchzuführen (siehe dazu auch ÿ 2 für eine schematische Darstellung): ZZ Reform der Methodologie des Referenzzinses prüfen / herbeiführen, ZZ Identifizierung eines zukunftssicheren Referenzzinses als Alternative, ZZ ggf. Skizzierung eines gangbaren Übergangspfads zu dieser Alternative (sog. „Transition“), ZZ Entwicklung robuster Vertragsklauseln insofern, als dass bei Wegfall des Referenzzinses eine rechtlich valide Auffanglösung besteht (sog. „Fallbacks“). Die Festlegungen für die genannten vier Schritte werden im Wesentlichen durch besagte Arbeitsgruppen erarbeitet. Die tatsächliche Umsetzung obliegt den Marktteilnehmern, um schlussendlich sowohl insgesamt als auch jeder für sich zu einem Business as Usual zurückkehren zu können. Betrachtet werden im Kern zwei Typen von Referenzzinsen: Erstens die Overnight-Sätze für Interbanken-Tagesgelder in allen Hauptwährungen (bspw. EONIA, EFFR, TONAR), die durch sogenannte „Alternative Risk-Free Rates“ (RFR) ersetzt werden. Sowie zweitens die Term- Sätze für Interbanken-Termingelder (LIBOR, EURIBOR, STIBOR etc.), die durch sog. „Alternative Term Rates“ (ATR) ergänzt werden. Die Benchmark-Verordnung stellt im Wesentlichen auf die Methodologie, Daten, Prozesse und Strukturen ab, die genutzt werden, um die jeweiligen Referenzzinsen zu bestimmen. Wie sehen jedoch die Auswirkungen auf die weitere Charakteristik des Zinsuniversums aus? Kann hier nicht auch eine erzwungene Chance darin liegen, die Komplexität des Zinsuniversums zu reduzieren und damit Effizienz und Vertrauen zu steigern? Und wenn ja, was könnten Auslöser und Treiber für eine solche Entwicklung sein? Overnight-Sätze Im Bereich der Overnight-Sätze findet im Wesentlichen der Ersatz einer Rate durch eine reformierte bzw. alternative Rate (RFR) statt. Insofern ist unmittelbar einleuchtend, dass in isolierter Betrachtung bestenfalls eine Wiederherstellung des Status quo in puncto Komplexität erreicht werden kann. Idealerweise wird eine lange Übergangszeit mit zwei gleichberechtigten, unabhängigen Sätzen vermieden, um damit Aufwand für den Aufbau von umfänglichen Übergangslösungen zu umgehen. Mithin rückt der Übergangspfad in den Fokus, der eine zügige Etablierung der RFR am Markt ermöglichen soll. Aufgrund der Neuigkeit der Aufgabe wundert es den Betrachter jedoch nicht, dass derzeit keine zwei identischen Pfade für die verschiedenen Währungen beschritten werden. Für den Übergang von EONIA auf ESTER wurde vorgeschlagen, den EONIA-Satz als Hülle zu erhalten, indem er durch einen statischen Spread fest an ESTER gekoppelt wird (EZB 2018). Die Folge wäre, dass der EONIA-Satz weiterhin veröffentlicht sowie als Referenzzinssatz in Alt- und Neuverträgen verwendet werden darf. 8 02 // 2019

MARKT Mag diese Koppelung von zwei Referenzzinssätzen auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, so ist sie auf den zweiten Blick doch ein eleganter Weg, um zum einen eine unkontrollierbare „Big-Bang- Lösung“ für die Einführung des ESTER zu vermeiden und zum anderen gleichberechtigte, parallele Sätze mit marktgetriebenem Liquiditätsübergang zu umgehen. Es ist zu erwarten, dass die Publikation des EONIA mittelfristig eingestellt wird (im Raum steht der 31. Dezember 2021). Auch in Bezug auf die Vermeidbarkeit von umfänglichen Übergangslösungen erscheint der Pfad daher ein Kompromiss zu sein. 2 Bemerkenswert ist auch, dass für die unterschiedlichen Währungen besicherte (wie SOFR) und unbesicherte (wie ESTER) Overnight-Sätze gewählt wurden. Es bleibt abzuwarten, inwiefern bspw. in krisenhaften Szenarien hierdurch Bonitätseffekte relevant werden, z. B. in einem zukünftigen RFR-basierten Cross-Currency-Markt. Term-Sätze Der im Sinn der Eingangsfrage eigentlich interessante Aspekt ist die Reform der Term-Sätze („IBORs“). Aktuell zeichnet sich das IBOR- Zinsuniversum durch dynamische und materielle Basen zwischen den 02 // 2019 9

die bank