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die bank 02 // 2017

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

BERUF & KARRIERE

BERUF & KARRIERE PERSONALABBAU Heißes Eisen Wie viele andere Branchen trifft es auch Banken: Tiefgreifende Veränderungen der Märkte sowie Anpassungen im Geschäftsmodell machen Einschnitte in den Personalstrukturen erforderlich. Im Unternehmen erzeugt dies vor allem Unsicherheit und Stress. Vorstände und Führungskräfte sehen sich oft gezwungen, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen und Personal in hohem Tempo abzubauen. Sie müssen schlicht auf die veränderten Gegebenheiten reagieren und Ertragsschwund sowie Kostendruck etwas entgegensetzen. In Deutschland bangen derzeit mehr Bankangestellte um ihre Arbeitsplätze als zu Zeiten der Finanzkrise. Dies lässt eine Umfrage des Centre for Financial Studies (CFS) erahnen, das seit dem Jahr 2007 vierteljährlich rund 400 Finanzinstitute und ihnen nahestehende Dienstleister befragt. Noch nie haben dabei so viele Unternehmen wie jetzt angegeben, dass sie aktuell Stellen abbauen. Dieses Phänomen reflektiert die Strukturveränderungen in der Produktionsweise der Bankindustrie, insbesondere die steigende Kapitalintensität und die Digitalisierung von Dienstleistungen. 2015 arbeiteten nach Angaben des Arbeitgeberverbands des privaten Bankengewerbes (AGV) 2 Prozent weniger als im Vorjahr im deutschen Bankensektor. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich damit beschleunigt: Seit 2000 wurden im Durchschnitt 1,3 Prozent pro Jahr abgebaut. Und der Wandel dürfte sich noch weiter beschleunigen. Weitere 20.000 Stellen könnten in diesem Jahr noch folgen. Wechselwirkungen sind nicht berechenbar Nicht immer können die Einschnitte sozialverträglich erfolgen, die Mitarbeiter in den Vorruhestand oder in Teilzeit gehen. Dies ist meist für alle Betroffenen anstrengend, denn hinter einem Einzelschicksal verbergen sich Kolleginnen und Kollegen, treue Mitarbeiter, manchmal Freunde. Sie zu entlassen, fällt nicht nur schwer, viele empfinden eine regelrechte Lähmung und Skrupel bei dem Gedanken. Vor allem in einer aufgeheizten Situation kommt professionellem Personalabbau deshalb eine tragende Rolle zu. Denn die Wechselwirkungen der Maßnahmen lassen sich kaum berechnen und Risiken nur schwer quantitativ erfassen. Dies ist oft ungewohnt für Banken, die aufgrund ihrer hohen Risikomanagement-, Compliance- und Regulatory- Anforderungen ausgewiesene Projektmanagement- und Strategiekompetenzen besitzen. Neben den Betroffenen selbst sind vor allem zwei Faktoren im Prozess wichtig: erstens das öffentliche Image und zweitens die Stimmung im Unternehmen. Selbst wenn sich um Gehende intensiv gekümmert wird, ist immer noch offen, welche Stimmung im Unternehmen zurückbleibt. Denn es sind die Bleibenden, die die Zukunft des Kreditinstituts gestalten müssen, gerade in turbulenten Phasen. Was ist zu beachten für Projektmanagement und Kommunikation? Offene Kommunikation und Fairness Für die handelnden Vorstände und Führungskräfte ist eine ehrliche Selbstreflektion von Bedeutung. Wichtig ist dabei, die Fragen zu beantworten, was das Management anstelle der gehenden Mitarbeiter erwarten würde, wie mit ihnen selbst im Fall einer Trennung umgegangen werden sollte, wie das Unternehmen generell zu den Veränderungen steht, und warum diese zwingend nötig sind. Zudem spielt die Motivation der verbleibenden Kollegen sowie eine Neuverteilung der zu bewältigenden Arbeit eine Rolle. Wer solchen Fragen Raum gibt, vor allem im Führungskreis, der reduziert von vorneherein die möglichen Unsicher- 66 02 // 2017

BERUF & KARRIERE heiten im Prozess. Die größte Schwierigkeit für Führungskräfte ist die enorme Emotionalität in so einem Prozess. Niemand möchte sich und seine Mitarbeiter in einer Trennungssituation oder unsicheren Zukunft sehen. Dies löst bei vielen einen allzu menschlichen Reflex aus: Flucht vor der Situation. Es bedarf manchmal eines konkreten Kraftaufwands, sich der Situation dennoch zu stellen. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, wäre in Workshops verschiedene Szenarien zu erarbeiten und dabei die wahrscheinlichen Reaktionen zu diskutieren. So können sich Führungskräfte Gedanken machen, wie sie selbst damit umgehen. Durch den gemeinsamen Austausch finden sie auch einen Raum für ihre eigenen Befürchtungen, und sie schärfen ihr Bewusstsein. Trennung als Projekt mit besonderen Vorzeichen Banken sind in der Regel Projektmanagementprofis. Gleichzeitig erfordert der Trennungsprozess deutlich mehr. Bereits die Planung einer Veränderungsarchitektur setzt Erfahrung mit Trennungsprozessen voraus, es handelt sich eben nicht um einen beliebigen Change, sondern um eine Mischung aus Emotion und betriebswirtschaftlichem Handeln. Externe Firmen mit der Erarbeitung von Empfehlungen zu beauftragen und diese dann intern zu kommunizieren, ist der falsche Weg und führt nur dazu, dass die Beteiligten mit den auftretenden Komplikationen überfordert sind. Wichtiger ist ein gleicher Informationsfluss im gesamten Haus, um Gerüchten in der Belegschaft vorzubeugen. Auch die Wahl der Projektleiter ist von großer Bedeutung. Treten in anderen Projekten die fachlichen Fähigkeiten in den Vordergrund, ist es hier die soziale Kompetenz. Projektmitarbeiter müssen in der Lage sein, auch in sozialen Veränderungsszenarien zu denken und so jederzeit wach reagieren zu können. Teil dieser sozialen Kompetenz ist ein ausgereiftes Stakeholdermanagement. Neben der Führungsebene sind Anwälte, Betriebsräte, und Schlüsselmitarbeiter ebenso wichtige Partner im Prozess und müssen auf ihre ganz eigene Weise eingebunden sein. Und schließlich ist es entscheidend, wie schnell gehende Mitarbeiter wieder Chancen im Arbeitsmarkt haben. Dafür ist eine wichtige Voraussetzung die Wertschätzung, die ihnen entgegengebracht wird – für ihre Arbeit und ihre Person. Werden sie noch in den Arbeitsalltag einbezogen, haben sie noch Aufgaben? Können sie ihre Projekte noch abschließen und übergeben? Haben sie einen aktiven Part im Team und werden nach wie vor zu den Sitzungen eingeladen? All das ist wichtig, um das Selbstbewusstsein der gehenden Mitarbeiter zu erhalten – was sie dringend brauchen, um im Bewerbungsprozess zu überzeugen. Sie benötigen Mut und Selbstbewusstsein, um ihre eigene Zukunft aktiv anzupacken. Doch nicht nur den Gehenden muss die Aufmerksamkeit des Unternehmens gelten, denn die verbleibenden Mitarbeiter bestimmen maßgeblich die Zukunft. CapGemini berechnet in einer Studie einen Rückgang von 21 Prozent der Produktivität bei schlechtem Trennungsmanagement. Existenzängste wie Angst vor Arbeitslosigkeit, Positions-, Statusverlust oder weniger Einfluss sind typische Begleiterscheinungen bei umfangreichen Personalmaßnahmen, ebenso Angst vor Mehrarbeit, Überlastung, Überforderung und Versagen. Diesen Ängsten lässt sich nur durch eine offene Kommunikation begegnen. Dabei ist Kommunikation deutlich mehr als bloße Information. Nur wer versteht, wo das Unternehmen in Zukunft stehen will, warum es zum Personalumbau gezwungen war, was die Rolle des Einzelnen ist, wie seine Kompetenzen gebraucht werden, der kann auch aktiv an einer solchen Zukunft mitarbeiten. Weiterhin nötig ist eine klare Zukunftsperspektive und die dazugehörige Außensicht. Dafür bieten sich größere Planungsformate an wie etwa Zukunftskonferenzen oder „Real Time Strategic Change“-Methoden. Dabei kommt ein repräsentativer Querschnitt der Betroffenen im Unternehmen zu Diskussionen, Planungen und Lernübungen zusammen und kann sich auf diese Weise einbringen. Gleichzeitig werden die Perspektiven von Kunden, Marktteilnehmern oder Wettbewerbern aufgegriffen. Bei aller aktiven Kommunikation ist die Vorbildfunktion von Vorständen, Führungskräften und anderen Stakeholdern oft emotionsbestimmend. Mitarbeiter beobachten sehr genau, wie sich Führungskräfte im Trennungsprozess verhalten, wie souverän sie wirken und wie realistisch die Zukunftsvisionen sind. FAZIT Personalabbau ist wirklich ein heißes Eisen. Umso wichtiger ist das richtige Bewusstsein für den Prozess und seine handwerklichen Besonderheiten. Ein trainierter Umgang mit Emotionalität, eine klare Kommunikation, ein anlassbezogenes Projektmanagement, der Blick auf eine faire Trennung sowie auf die Zukunft des Unternehmens – das sind wesentliche Erfolgskomponenten für ein Verfahren, an dessen Ende zwar niemand „Hurra!“ ruft, das aber von Führungskräften, Mitarbeitern, Stakeholdern und der Öffentlichkeit als fair und verantwortungsbewusst erlebt wurde. Und genau das muss das Ziel sein. Autorin: Anja Schauenburg ist Expertin für Personalumbau und begleitet seit 15 Jahren komplexe Umbauprojekte. 02 // 2017 67

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