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die bank 02 // 2016

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó IT & KOMMUNIKATION

ó IT & KOMMUNIKATION Robo Advisory auf dem Vormarsch BANKBERATUNG Börsengehandelte Indexfonds – im Fachjargon meist als Exchange Traded Funds (ETF) bezeichnet – erfreuen sich bei Anlegern einer wachsenden Beliebtheit, insbesondere, weil sie im Kontrast zu aktiv gemanagten Aktienfonds relativ kostengünstig zu haben sind. Deutschland hinkt dem Wachstumstrend in den USA allerdings noch deutlich hinterher. Ohnehin dominieren nur wenige Anbieter den Markt, der in jüngster Zeit durch neue Varianten von automatisierten Anlagerobotern und Werkzeugen bereichert wird. Lothar Lochmaier Keywords: Digitalisierung, Risikoprofiling, FinTechs Die Kundennachfrage nach transparenten Finanzprodukten setzt sich ungebrochen fort. Mit Blick auf das Börsengeschehen stoßen gerade Indexfonds auf ein wachsendes Interesse der Anleger, aufgrund ihrer meist leicht verständlichen Konstruktion und der im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds niedrigeren Gebühren. Als zentrale Ursache für diesen Trend weisen Experten jedoch weniger auf das bessere Chancen-Risiko-Verhältnis hin, sondern rücken insbesondere die jährliche Gesamtkostenquote der aktienbasierten ETF-Konstrukte in den Mittelpunkt. Diese fällt in der Regel nur halb so hoch aus wie die von aktiv gemanagten Aktienfonds, so zumindest das Credo der Anbieter. Bislang sind es vor allem die amerikanischen Anbieter, die vom Wachstumsmarkt rund um das Thema ETF profitieren, so etwa der zur US-Fondsgesellschaft Black Rock gehörende Marktführer iShares. Auf Deutschland lässt sich dieser Trend allerdings nur bedingt übertragen. Ein wesentlicher Grund für die zögerliche Verbreitung derartiger Anlagekonstrukte – nicht nur in Deutschland – liegt in der risikoaversen Einstellung der Anleger, die in ihrem privaten Anlageuniversum einen höheren Anteil an Aktien meiden. In Zahlen ausgedrückt: Weniger als jeder achte Bundesbürger besitzt überhaupt ein Wertpapierdepot, und nur etwa ein Prozent der Bevölkerung hält überhaupt ETFs. Und selbst wenn eine Minderheit der Anleger derartige Produkte ordert, so geht die gegenüber aktiv gemanagten Produkten vermeintlich höhere Rendite oftmals durch schlechtes Timing beim Ein- oder Ausstieg wieder verloren. So verwundert es in diesem Kontext kaum, dass die Verbreitung der ETF-Produkte hierzulande immer noch durch grundsätzliche Akzeptanzprobleme gebremst wird. In Zahlen: In den USA taxieren die Experten den Marktanteil bereits auf 13 Prozent, immerhin mehr als doppelt so hoch wie in Europa. Neben iShares gehören in Europa die Deutsche Asset & Wealth Management und die zur Société Générale gehörende Lyxor zu den führenden Anbietern. Diese drei Spieler decken rund zwei Drittel des Marktvolumens ab. FinTechs gehen voran Gerade neue Anbieter aus der FinTech- Szene setzen nun auf die technische Innovation im Netz. Nicht zuletzt dürfte den Indexfonds das zunehmende Interesse in Richtung automatisierter Anlagesysteme – auch Robo Advisory genannt – weiteren Auftrieb verleihen. Gemeint sind damit online-basierte Formen der Vermögensberatung, die anhand eines klar definierten Fragenkatalogs dazu beitragen, die individuellen Bedürfnisse und Ziele des Anlegers zu ermitteln, in Kombination mit der Risikobereitschaft. Da gerade das Marktsegment der ETF mit günstigen Gebühren auf sich aufmerksam macht, spricht das Gros der Experten diesem Segment neuer FinTech-Lösungen ein großes Entwicklungspotenzial zu. Nicht jedes neue Konstrukt hält indes das, was es an der Oberfläche verspricht. Denn oftmals basieren auch ETF-Produkte auf einer aktiven Anlagestrategie und sind kumulativ gesehen kaum günstiger zu haben als klassische Indexfonds. Auch gibt es unterschiedliche Formen und Kombinationen von Indexfonds und börsengehandelten Indexfonds, bis hin zu diversen Mischkonzepten. Gerade bei „hybriden“ Varianten ist für unerfahrene Anleger häufig die Zielrichtung nicht klar erkennbar. Im Bereich der ETFs/Indexfonds geht der Trend deshalb zunächst dahin, die Produkte weiter zu entwickeln, um die verschiedenen Prämien am Kapitalmarkt möglichst effizient abzubilden (Market, Size, Value und Profitability). Davon 58 diebank 02.2016

IT & KOMMUNIKATION ó könnten vor allem die Anbieter von kundenzentrierten FinTech-Lösungen profitieren. Ihr Vorteil: Der Anlageprozess und das laufende Portfoliomanagement sind vollautomatisiert, der Kunde wird bezüglich seiner Anlageziele, -präferenzen und -restriktionen lediglich befragt – und stimmt danach einem automatisch generierten Portfoliovorschlag zu. Derartige Robo-Advisory-Plattformen weisen in den USA und in Großbritannien bereits eine beachtliche Erfolgsgeschichte auf. In den USA verwaltet die noch junge Szene der Anbieter mehr als 12 Mrd. US-$. In Deutschland schälen sich entsprechend vergleichbare Angebote gerade heraus. Dazu zählen beispielsweise Scalable Capital, Vaamo und Ginmon. Ob die Durchschlagskraft der neuen Protagonisten ausreicht, um eine signifikante Rolle zu spielen, ist fraglich. Die weitere Expansion der amerikanischen Anbieter nach Deutschland könnte aber auch den großen Anbietern von Publikumsfonds weitere Marktanteile streitig machen. Beleuchten wir die Chancen für neue Anbieter. Die Kunden hätten mittlerweile gelernt, sowohl Berater als auch Produktanbieter zu hinterfragen, um die von ihnen georderten Finanzprodukte selbst besser zu verstehen, argumentiert beispielsweise Lars Reiner, CEO und Gründer beim ETF-Spezialisten Ginmon. Der Trend führe dazu, dass komplexe Produkte wie Derivate deutlich unbeliebter geworden seien. In diesem Kontext treten FinTechs wie Ginmon mit einem Produkt auf den Markt, das niedrige Eintrittsbarrieren aufweist und sich laut Anbieter auch für Personen ohne Finanzbildung eignet. Konkret setzt das Unternehmen dabei auf die Abbildung der gesamten Weltwirtschaft durch kostengünstige und transparente Indexfonds. Ein Zielkonflikt zur klassischen Finanzberatung bei einem Einstieg im niedrigen fünfstelligen Bereich ergebe sich dabei jedoch nicht. Vertrieb und Transformationsmanagement der direkte Wettbewerber Wealthfront. Das Thema Robo Advisory werde sich hierzulande jedoch langsamer entwickeln als in den USA, ist Lars Reiner von Ginmon überzeugt. Grundsätzlich lässt sich der Bereich Robo Advisory in die „reinrassigen“ Robo Advisors wie Wealthfront sowie Instrumente zur persönlichen Finanzplanung wie Personal Capital unterteilen. Genannte Größen in diesem Markt sind neben Wealthfront und Betterment Personal Capital, Future Advisor, SigFig, Leanvest, Acorns, Vanguard und Charles Schwab. Weitere neue Spieler könnten aufgrund der Attraktivität des Markts auf den Plan treten. Hierzulande sähen sich Banken häufig nicht in der Lage, vergleichbar gute Lösungen im eigenen Haus zu entwickeln, gibt Lars Reiner von Ginmon zu bedenken. Es sei daher davon auszugehen, dass sich FinTechs und etablierte Banken zusammenschließen, um so weitere Kundengruppen für die Robo- Advisors zu gewinnen. Letztlich sind die Anbieter hierzulande vor allem mit dem Imageproblem als größtem Hindernis konfrontiert, um es mit amerikanischen Anbietern aufzunehmen. Der Reifegrad der Anbieter oder Profl Kunden hätten mittlerweile gelernt, Berater und Produktanbieter zu hinterfragen, um die von ihnen georderten Finanzprodukte besser zu verstehen. Definition Robo Advisory Das „revolutionäre“ Element bei den automatisierten Produktbausteinen der ETFs liegt somit nicht nur in der höheren Transparenz und Kosteneffizienz der Produkte, sondern vor allem in der Massentauglichkeit, um dieses Marktsegment gegenüber breiteren Kundenkreisen im Retail-Banking zu öffnen. Zum Vergleich: Die Robo Advisory in den USA ist bereits deutlich weiter vorangeschritten als hierzulande. Die zwei großen Anbieter Wealthfront und Betterment verwalten mittlerweile über 3 Mrd. US-$ an Vermögen und wachsen weiterhin stark. Experten gehen davon aus, dass in den USA bis 2020 das Gesamtvolumen auf über 500 Mrd. US-$ anwächst. Mit ihren umfangreichen Services befinden sich die amerikanischen Robo Advisors – verstärkt durch die positive Entwicklung auf den Aktienmärkten seit dem Jahr 2011 – auf Wachstumskurs. Die US- Variante Betterment sammelte bereits im Gründungsjahr 2010 anhand der onlinebasierten Vermögensanlage 10 Mio. US-$ ein. Mittlerweile ist das jährliche Anlagevolumen auf 2,8 Mrd. US-$ und die Kundenzahl auf 115.000 angewachsen. Ebenso erfolgreich entwickelt sich nach Einschätzung des TME Instituts für 02.2016 diebank 59

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