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die bank 01 // 2023

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT AGILES

MANAGEMENT AGILES BANKING ZWISCHEN ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT Großen Worten auch Taten folgen lassen Das Buzzword Agilität ist bei Managern von Banken und Sparkassen seit Jahren in aller Munde. Indes, ein ehrlicher Blick offenbart nach wie vor eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Nur wenige Institute in Deutschland sind bisher tatsächlich nachhaltig agil aufgestellt. Doch was zeichnet agile Banken und Sparkassen aus? Welche Chancen und Herausforderungen birgt die agile Transformation? Und wie könnte ein geeignetes Vorgehensmodell für den Einstieg in die agile Arbeitswelt aussehen? 36 01 | 2023

MANAGEMENT Die allermeisten Banken in Deutschland haben das Thema Agilität für sich als Chance erkannt. Und so finden sich unter hiesigen Bankmanagern kaum noch Vertreter, die nicht für sich proklamieren würden, dass ihre Geldhäuser entweder bereits agil arbeiten würden oder das zumindest für die nahe Zukunft geplant hätten. Tatsächlich haben bislang aber nur wenige Unternehmen im Finanzsektor agile Strukturen und Arbeitsweisen konsequent in ihren Organisationen verankert. Während viele Institute zwar erste agile Maßnahmen – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg – getestet haben, fehlt in den meisten Fällen ein strukturierter Ansatz, um die agile Transformation ganzheitlich voranzutreiben. Ein Blick auf die agilen Vorreiter der Branche verdeutlicht, wie agiles Banking konkret aussehen kann. Eine internationale Großbank schreitet voran Die ING proklamiert für sich selbst, die „erste agile Bank Deutschlands zu sein“ . Bereits im Jahr 2018 haben erste Einheiten des Instituts damit begonnen, sich konsequent agil aufzustellen. Doch das sollte erst der Anfang sein: Bis zum Sommer 2019 sind schließlich alle Organisationseinheiten der ING in einen agilen Arbeitsmodus gewechselt. Seitdem ist das Haus nach dem Vorbild des Musik-Streaming-Anbieters Spotify in rund 350 kleinen, selbstorganisierten und schlagkräftigen Teams, sogenannten Squads, organisiert. Squads mit ähnlichen Aufgaben und identischen Zielgruppen wurden wiederum zu insgesamt 13 unternehmensweiten Tribes zusammengefasst, während Mitarbeiter mit vergleichbaren Fachkenntnissen oder Kompetenzen zusätzlich in übergreifenden Chaptern mitwirken. Um den Transformationsprozess zu unterstützen, hat die ING in zahlreiche Agile Coaches investiert, die jeweils für die agile Weiterentwicklung mehrerer Squads verantwortlich sind. Im Leitfaden „One Agile Way of Working“ wurden die organisatorischen und strukturellen Eckpfeiler des agilen Arbeitsmodus zusammengefasst. Sie dienen den Mitarbeitern und Teams als übergreifender Orientierungspunkt zur agilen Arbeitsweise der ING. Aufgrund des radikalen unternehmensweiten Umbaus sank die Mitarbeiterzufriedenheit zunächst drastisch auf einen historischen Tiefstwert. Das war in einem so umfassenden Change-Prozess nicht anders zu erwarten und wurde auch in einem Branchen- Newsletter 2019 aufgegriffen. Mit Fortschreiten des Transformationsprozesses stellte sich dann jedoch tatsächlich die vorhergesagte Trendumkehr ein, die auf die steigende Akzeptanz der neuen Arbeitsweise in der Belegschaft hindeutete. ÿ 1 Inzwischen werden die meisten Projekte in mehrwöchigen Sprintzyklen geplant und Projektergebnisse in iterativen Prozessen erarbeitet. Der Erfolg der agilen Arbeitsweise äußert sich bei der ING unter anderem in Form von verkürzten Software-Update-Zyklen sowie einer höheren Kundenzufriedenheit. Auch Regionalbanken setzen auf Agilität Auch im Regionalbankenumfeld spielen agile Arbeitsmethoden eine zunehmend größere Rolle. Die Sparkasse Bremen gilt als agiler Vorreiter im Sparkassensektor und hat eine selbstorganisierte Netzwerkorganisation etabliert, die in einer hauseigenen Verfassung verankert ist. Damit einhergehend wurden jenseits von regulatorischen Anforderungen sämtliche Hierarchieebenen innerhalb der Bank aufgelöst. Entscheidungen werden nun nicht mehr durch weisungsbefugte Führungskräfte, sondern von selbstorganisierten Teams mit gleichberechtigten Mitgliedern getroffen. Die organisatorische Aufstellung weist einige Parallelen zur ING auf: So wird das Tagesgeschäft der Sparkasse Bremen in sogenannten Kernteams geplant und abgewickelt. kernteamübergreifende Funktionsteams stellen den Austausch und die Koordination von Mitarbeitern mit gleichartigen Aufgaben sicher. In der Netzwerkorganisation gehört jeder Mitarbeiter mindestens einem Kern- und einem Funktionsteam an. Eine Besonderheit stellen sogenannte Changeteams dar, die zeitlich befristet gebildet werden, wenn „teamübergreifende Veränderungen oder Neuerungen umgesetzt werden sollen“ . In den jeweiligen Kernteams wird beispielsweise autonom über den Personalbedarf, die Notwendigkeit von Neueinstellungen sowie die passende tarifliche oder außertarifliche Eingruppierung einer Stelle entschieden. Tarifverträge und einschlägige Betriebsvereinbarungen bilden den Rahmen für eine fundierte Entscheidung. Gleichzeitig sorgt ein Personalausschuss dafür, dass sich die Gehälter unternehmensweit fair und angemessen entwickeln. Entscheidungen werden innerhalb der Netzwerkorganisation grundsätzlich mithilfe eines integrativen Entscheidungsprozesses im Konsens getroffen. Dabei wird ein Entscheidungsvorschlag durch die Integration vorhandener Einwände derart angepasst, dass am Ende des Prozesses eine „einwandfreie“ Entscheidung getroffen werden kann. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass „einwandfreie“ Entscheidungen keineswegs einstimmig getroffen werden müssen. Durch die agile Aufstellung fördert die Sparkasse Bremen u. a. aktiv neue Geschäftsideen und -modelle auch jenseits ausgetretener Pfade. Seit Einführung der agilen Netzwerkorganisation konnte das Institut so mit einer Reihe innovativer Lösungen aufwarten. Die hauseigene Baufi-App, über die sich die mögliche Kreditsumme für eine Immobilienfinanzierung denkbar einfach nutzerindividuell berechnen und via Zertifikat gegenüber Maklern und Verkäufern nachweisen lässt, oder flexi, eine Tochtergesellschaft, die Kaufinteressenten das „Wohnen auf Probe“ in der Wunschimmobilie mit Vorzugsrecht bei einem anschließenden Erwerb ermöglicht, sind zwei Beispiele. 01 | 2023 37

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