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die bank 01 // 2018

die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

MANAGEMENT

MANAGEMENT ANLAGEBERATUNG UND VERMÖGENSVERWALTUNG Private Geldanlagen lassen sich vollständig digitalisieren Wie ist es um die Digitalisierung der Geldanlage privater Anleger bestellt? Unser Autor zeigt auf, dass insbesondere für die Risikoprofilierung, das Onboarding der Anleger und die ereignisbasierte Portfolioänderung großes Digitalisierungspotenzial besteht. Vor allem die Risikoprofilierung profitiert dabei vom Einsatz künstlicher Intelligenz. Eine vollständige Digitalisierung der Geldanlageberatung und der Vermögensverwaltung für private Kapitalanleger verwandelt diesen Vorgang in eine reine Ausführung von Software. Deren Eigenschaft ist es, variable Kosten von nahezu Null aufzuweisen. In der Konsequenz werden die Unterschiede zwischen mehr oder weniger vermögenden Anlegern deutlich geringer, weil die Investitionen in komplexere Software für anspruchsvollere Kundengruppen Fixkosten darstellen, die Ausführung der danach vorhandenen Software auch für weniger anspruchsvolle Kundengruppen aber keine zusätzlichen Kosten verursacht. Wie ist also der Stand der Digitalisierung dieses Vorgangs 2017 in Deutschland? Der Blick fällt zuerst auf die überall entstehenden Robo Advisors, die pilzartig aus dem Boden schießen. Mit unterschiedlichen Motiven: Frühen FinTech Advisors lässt sich durchaus unterstellen, dass ein nicht unbedeutendes Anliegen darin bestand und noch besteht, gewissen anlegerunfreundlichen Verwerfungen der Beratungspraxis z. B. in Bankfilialen etwas Neues aus der Digitalwelt gegenüberzustellen. Eine kostengünstige Alternative also zu den provisionsgetriebenen Angeboten aus der Vergangenheit. Und der Kostenvorteil entstand dabei nicht nur aus der reinen Automatisierung von Prozessen, sondern auch aus einem Shift im Selbstverständnis und einem daraus erwachsenden Geschäftsmodell: von der Provision zum Beratungshonorar bzw. der Verwaltungsgebühr. Natürlich fordert die Onlinewelt auch mehr Transparenz, sodass sich Kosten nur mehr schwer verstecken lassen – also gehen die neuen Anbieter offen mit ihnen um und sind somit kundenorientierter. Die Motive der Nachzügler mögen andere sein, z. B. das angestammte Geschäft den neuen Playern nicht unbestritten allein zu überlassen oder bei diesem offensichtlichen Wachstumsmodell auf jeden Fall dabei zu sein. Eins aber eint die Anbieter von Robo Advice: Sie müssen sich aktiv mit der Digitalisierung ihres Geschäfts auseinandersetzen. Für FinTechs keine Schwierigkeit, sollte man meinen, eher noch für die Nachzügler aus der Bankenwelt. Bei näherer Betrachtung fällt aber auf, dass die Herkunft der meisten Robo Advisors einen starken Finanzbackground aufweist und nur selten einen technischen. Und so ist folgerichtig das Gros der Angebote eher im Bereich „Lowtech“ anzusiedeln. Hübsche Benutzeroberflächen und eine durchaus ansprechende User Experience erscheinen als Kernleistung. Völlig zu Recht. Denn dieser Teil des zu digitalisierenden Prozesses ist der Schwierigste: Er muss den Anleger in den Prozess integrieren, was stets große Risiken birgt. Hightech lässt sich in Runde zwei implementieren oder in nachgelagerten Teilprozessen, wobei gerade für die Phase der Kundenintegration großes Potenzial in einem Mehr an Technik steckt, dazu später mehr. Digitalisierung einzelner Wertschöpfungsschritte Für die notwendige Digitalisierung kann die Wertkette in ihre wesentlichen Einzelprozesse zerlegt werden. Diese Betrachtung erlaubt 28 01 // 2018

MANAGEMENT eine fokussierte Analyse möglicher Digitalisierungsschritte und die Entwicklung konkreter Vorschläge. ÿ 1 Typisch für Dienstleistungen ist, dass der Kunde an mehreren Stellen integraler Bestandteil der Leistungsprozesse wird und einen relativ großen Anteil an der Wertschöpfung hat. Seine Mitwirkung ist notwendig, ohne diese kann die Leistung nicht erbracht werden. Risikoprofilierung Bei der Risikoprofilierung bietet derzeit vor allem der Benutzerdialog Ansatzpunkte zur Digitalisierung. Im Wesentlichen geht es darum, das Gespräch zwischen dem Anleger und seinem Berater oder Vermögensverwalter digital abzubilden. Im Robo-Advisor-Markt haben sich zahlreiche Varianten herausgebildet, die mehr oder weniger in Form eines Online- Fragebogens die Risikoneigung und etwas seltener auch die Risikotragfähigkeit des Anlegers aufzuklären versuchen. Ein relativ großer Anteil der Robo Advisors nimmt keine Risikoprofilierung vor, sondern fragt schlicht nach der gewünschten Risikobereitschaft des Anlegers. Die Digitalisierungsaufgabe wird in diesen Fällen also umgangen. Beim Rest der Angebote ist die Anzahl der für die Risikoprofilierung eingesetzten Fragen mit vier bis 27 sehr unterschiedlich. Ob alle Antworten letztlich für die Risikoprofilierung verwendet werden, ist zumindest fraglich. 1 Vereinzelt sind programmierte Verzweigungen im Frageablauf feststellbar, die Software reagiert also in gewisser Weise auf die Antworten des Anlegers. Von einem echten 01 // 2018 29

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