Aufrufe
vor 5 Jahren

die bank 01 // 2017

  • Text
  • Banken
  • Ifrs
  • Frauen
  • Blockchain
  • Deutschland
  • Anforderungen
  • Unternehmen
  • Institute
  • Deutschen
  • Januar
die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

DIGITALISIERUNG

DIGITALISIERUNG ZAHLUNGSVERKEHR Das Rennen um die digitale Zukunft FinTechs denken das traditionelle Bankgeschäft radikal neu und bringen intelligent konzipierte, vom Anwender her gedachte Lösungen auf das Gerät, das bereits 63 Prozent aller Deutschen über 14 Jahren immer bei sich tragen: das Smartphone. Mit chicem Design und guten Ideen gewinnen sie digital affine Nutzer für ihre Angebote. Die Zukunft der Digitalisierung könnte in Single-Purpose-Apps liegen, die Innovationen schnell und agil auf den Markt bringen. Mit intuitiven Anwendungen erhalten hier ehemals lästige Pflichten wie Bezahl- oder Überweisungsvorgänge einen smarten „Lifestyle-Touch“. Für Banken und Sparkassen kann dieser Prozess mitunter schmerzhaft sein. Denn obwohl nur wenige FinTechs bislang dem Girokonto – einem Kern der Bankdienstleistungen – Konkurrenz machen, greifen sie sich doch Teile des klassischen Bankgeschäfts heraus wie den Zahlungsverkehr oder die Konten- Übersicht. Haben die neuen Wettbewerber den Kunden erst einmal für sich gewonnen, lassen sich die angebotenen Leistungen schnell ausbauen. Die Macht, die ein solches Start-up im Finanzbereich mit einer Einzelfunktion entfalten kann, lässt sich gut am Beispiel des Unternehmens Paypal aufzeigen. Aus dem ehemaligen Zahlungsabwickler des Online-Auktionshauses Ebay hat sich mittlerweile bekanntlich der erfolgreichste Anbieter von Online-Bezahllösungen entwickelt, mit rund 17 Millionen Kundenkonten allein in Deutschland. Und mit GoogleWallet und ApplePay stehen internationale Großkonzerne als Anbieter für mobilen Zahlungsverkehr auch hierzulande bereits in den Startlöchern. Jedoch haben die Kreditinstitute in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben gemacht: Nicht nur das Browser-basierte Online Banking erlebt aktuell einen massiven Modernisierungsschub, auch der mobile Zugriff auf das Girokonto wird von zahlreichen Banken mittels eigener Konto-Apps bereits angeboten. Darauf sollten sich die etablierten Anbieter im Finanzbereich jedoch nicht ausruhen. Welche Herausforderungen auf Banken und Sparkassen zukommen, soll im Folgenden anhand von drei Thesen beispielhaft beleuchtet werden. Beim Einkaufen schnell mal den Kontostand prüfen oder der Freundin das ausgelegte Geld für das Kinoticket zurückerstatten? Solche in sich geschlossenen Anwendungen treffen heute nicht nur den Nerv der jüngeren User. Als potenziell aussichtsreich gilt auch ein funktionierendes mobiles Bezahlsystem, bei dem das Handy selbst im Grunde als Geldbörse fungiert. Auch wenn die Deutschen im internationalen Vergleich stark am Bargeld hängen, könnte so eine App sicher sehr erfolgreich werden. Während solche schlanken Lösungen für das Smartphone nützlich sind, haben isolierte Funktionalitäten in der Regel nur eine limitierte Nutzergruppe. Und das ist der entscheidende Faktor. Niemand möchte für fünf Standardfunktionen fünf Finanz-Apps auf seinem Smartphone speichern und für eine sechste Aufgabe doch wieder auf den PC umsteigen müssen. Während die Grundfunktion eines Girokontos sich noch verhältnismäßig gut und kundenorientiert auf dem Handy abbilden lässt, werden die Ansprüche der Kunden weiter zunehmen. Die Nutzer werden auch von diesem Angebot in Zukunft Features wie die einfache Kategorisierung ihrer Ausgaben, eine grafische Aufbereitung der Ergebnisse und hohe Sicherheitsstandards erwarten, die zunehmend Teil der normalen Online- Banking-Erfahrung werden. Das zwingt Fin- Techs dazu, die einstmals schlanken App-Angebote immer weiter auszubauen. Damit wird die App ihren Vorteil der schnellen Ergebnisse mit wenigen Klicks zunehmend verlieren. Hinzu kommt: Auf Smartphones sind umfangreiche Funktionalitäten durch kleine Bildschirme oder Schwierigkeiten beim Wechsel des Betriebssystems nicht komfortabel abzubilden. Es gibt nicht die „eine Lösung“ Wenn von erfolgreichen FinTechs die Rede ist, werden gerne Download-Zahlen und angemeldete User genannt, um die vermeintliche Stampede der Nutzer von traditionellen Banken hin zu neuen Applikationen zu illustrieren. So gehörte die Multi-Konten-Verwaltung Numbrs im Jahr 2014 zu den Top Ten der heruntergeladenen Apps, bei N26 haben aktuell rund 200.000 Kunden ein Konto eingerichtet. Das sind beeindruckende Wachstumszahlen, aber verglichen mit den etwa 54 Mio. Girokonten bei Banken und Sparkassen stehen die neuen Lösungen noch ziemlich am Anfang. Dabei ist es nicht allein eine Frage der Zeit, bis die FinTechs mit ihren Apps an die Zahlen der etablierten Player anschließen können. Je nach Alter, Einkommen, Bildung und Einstellung gegenüber der neuen Technologie haben die Kunden sehr unterschiedliche Ansprüche an ihre Banking-Erfahrung und entsprechend sehr verschiedene Anforderungen an die ihnen angebotenen Lösungen. Junge Auszubildende werden vor allem am Kontostand und ihrem Paypal-Account interessiert sein, während die Managerin mit Eigenheim und Familie eine umfassende Übersicht über ihre finanzielle Situation benötigt. Einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Roland Berger zum digitalen Banking zufolge sind derzeit nur rund sechs von zehn Bankkunden überhaupt an mobilem Banking inter- 62 01 // 2017

DIGITALISIERUNG essiert. Das Alter ist dafür übrigens kein ausschlaggebender Faktor. Als besonders aufgeschlossen für innovative Banking-Apps gelten die Digital Trendsetter; sie machen etwa 13 Prozent der Bevölkerung aus und verfügen über rund 16 Prozent des Gesamteinkommens. Die Nutzer von Banking-Software dagegen sind eher dem Segment der „Digital Wealth Manager“ zuzurechnen, die rund 18 Prozent der Bevölkerung stellen, aber über 29 Prozent des Gesamteinkommens verfügen. Das überrascht nicht, nur wer über ein bestimmtes Vermögen verfügt, hat auch das Interesse, Konten, Aktiendepots, Hypothekenkredite, Miles-and- More-Gutschriften und die private Altersvorsorge in einer eigenen Lösung zusammenzuführen. Dagegen haben die sogenannten Young Traditionalists (22 Prozent der Bevölkerung) schon heute nur eine geringe Affinität zum Online Banking, kaufen wenig im Internet ein und sind eher keine Zielgruppe für mobile Banking-Angebote. Herausforderung Usability Eine der auffälligsten Veränderungen im Nutzerverhalten der letzten fünf Jahre ist die Erwartungshaltung, mit der die Kunden einer Software gegenübertreten. Mit dem Siegeszug der Smartphones ist auch die Nutzerführung, die intuitive Bedienbarkeit von Anwendungen und die Art der Bedienung eine ganz andere geworden. Bei der Usability können die FinTechs ihre Stärken ausspielen, sie legen meist viel Wert auf gutes Design. Hier haben die etablierten Player durchaus noch Verbesserungspotenzial. Dazu gehören auch neue Bedienfunktionen, wie sie User von ihren Smartphones gewöhnt sind. Da wird getippt und gewischt, mit Daumenabdruck oder mittels gezeichneten Mustern bestätigt. Apps müssen sich immer stärker an die Funktionalitäten und die Optik ihrer Betriebssysteme anpassen, um sich in das gewohnte Nutzerverhalten möglichst nahtlos einzufügen. Die Usability macht mindestens die Hälfte des Erfolgs aus. FinTechs und neue App-Entwicklungen profitieren davon, dass sie weit weniger an bereits vorhandene Software- Versionen oder an interne Prozesse gebunden sind. Banken und Sparkassen, die ihre Angebote mit einem Facelift an neue Kundengruppen anpassen wollen, haben es dagegen deutlich schwerer. Denn hier kennen die Kunden die Pfade, die Gestaltung und die Bezeichnungen bereits. Durch zu große Brüche zwischen den Versionen kann man mehr Bestandskunden verärgern als man durch die optische und inhaltliche Auffrischung hinzugewinnt. Gerade für etablierte Player kann es sich daher lohnen, neue Funktionen eher in der Form neuer Apps auf den Markt zu bringen, statt die Nutzer mit drastischen Änderungen zu überfordern. Zudem steht die nächste Revolution im Nutzer-Interface bereits unmittelbar bevor, denn der Trend geht weg von der manuellen Eingabe hin zu einer sprachgesteuerten Interaktion. Die Diskussion, ob und in welcher Form sich sprachgesteuerte Banking-Apps schaffen lassen oder eine Integration mit den Systemen von Apple, Google oder Amazon infrage kommt, sollte zeitnah geführt werden. Sicher ist: Wenn die Kunden es wollen, wird es Anbieter dafür geben. FAZIT Der Umbruch-Prozess im Banking wird sich in den kommenden Jahren noch beschleunigen. Anwendungen, die Bezahl- und Kontovorgänge automatisieren, steht eine große Zukunft bevor. Ein Großteil der Kunden empfindet Banking-Vorgänge als lästige Pflicht und will möglichst wenig mit dem Zahlungsverkehr zu tun haben. Entwicklungen wie Robo Advisors erfüllen daher mit automatisierten Lösungen ein zentrales Bedürfnis der Nutzer. Durchsetzen wird sich nur, was das Leben einfacher macht. Und das bedeutet eben auch: Anwendungen müssen auf allen Geräten sowie bankenübergreifend funktionieren. Die Multi-Konten-Verwaltung ist der nächste logische Schritt im Online Banking. Noch haben die Banken alle Chancen, um mit plattformübergreifenden Services das Ruder selbst in die Hand zu nehmen und für ihre Kunden echte Mehrwerte zu schaffen. Denn sie liegen nicht nur bei den Kundenzahlen deutlich vorn, die Kunden vertrauen ihren Hausbanken auch wesentlich mehr als FinTechs, amerikanischen Konzernen oder ihrem Handy-Provider. Mit intelligent vernetzten Desktop-Anwendungen und Apps, die es schaffen, Kunden in allen Lebenssituationen mit maßgeschneiderten Services auf den richtigen Kanälen abzuholen, können Banken auf Grundlage ihres riesigen Erfahrungs- und Datenschatzes ihre Stärken voll ausspielen. Autor: Jan Graffenberger ist Leiter der Entwicklung bei Star Finanz. 01 // 2017 63

die bank