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die bank 01 // 2016

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó IT & KOMMUNIKATION

ó IT & KOMMUNIKATION Strategische Relevanz von Netzwerken NETZÖKONOMIE FÜR BANKEN Kunden verlinken sich und tauschen sich viral aus, Banken organisieren sich in Gruppen und bündeln Aufgaben und IT. Interagieren mehrere Partner miteinander, spricht man von einem Netzwerk. Netzwerke sind in ihren Erscheinungsformen vielfältig und für Banken auf nahezu allen Ebenen relevant. Daher ist eine genaue Betrachtung der optimalen Ausgestaltung, ökonomischen Bewertung und richtigen Analyse von Netzwerken notwendig, um Geschäftsmodelle neu auszurichten und Produkte, Leistungen sowie Kundenschnittstellen anzupassen. Banken benötigen Netzmanager statt Administratoren oder Content-Lieferanten. Ihre Vorstände sollten das Thema Netzökonomie auf der Agenda haben, um Erkenntnisse über Netze stärker zu nutzen – so wie es bereits die Medici perfektioniert haben. Frank Niemeyer Keywords: Netzwerke, Strategie, Netzökonomie In einer vernetzten Welt sollte eine moderne und kundenfokussierte Bankstrategie Aspekte von kooperativem Verhalten auf der Ebene der Unternehmensorganisation berücksichtigen. Sie sollte Vertrieb und Marketing befähigen, Service und Produkte auf das Verhalten vernetzter Kunden anzupassen. Im Risikobereich sollte sie Herausforderungen beachten, die durch den „Fluch des Gewinners“ (engl. Winner’s Curse) oder Desintermediation entstehen. Banken sind in Netzwerken organsiert, die auf Kooperation gründen. Die Gewinne von Kooperation lassen sich auf dem Papier einfach und verlockend hoch darstellen, jedoch werden sie nicht immer realisiert. Warum scheitern Kooperationen? Zwangsehen lassen sich vertraglich zementieren. Besser ist es jedoch, wenn Verbindungen freiwillig eingegangen werden bzw. auf die Akzeptanz aller Akteure stoßen. Ein Netzwerk garantiert kein kooperatives Verhalten, ermöglicht es aber. Käme eine Kooperation ohne vertragliche Fixierung aus, wäre ein viel stabileres Gleichgewicht erreicht: Alle würden nach ihrem eigenen Vorteil streben, anstatt nur der Erfüllung eines Vertrags nachzukommen. 1 Die Vorteile von freiwilligem Verhalten sind der Grund des Erfolgs von Verbundkooperationen, denn dann handeln alle Partner aus ihrem eigenen Antrieb – zunächst einseitig optimal, aber damit gleichzeitig im Sinne des Verbunds. In der Unternehmenspraxis kommen Verbünde nicht ohne Verträge aus. Dennoch kann Freiwilligkeit durch eine vertragsunabhängige Motivation gegeben sein. In der Analyse von Netzwerken sollten Banken also weitere Aspekte als lediglich die unmittelbare Geschäftserfüllung berücksichtigten. Vernetzter Vertrieb und Marketing mit Netzwerken Im herkömmlichen Vertrieb erhält beispielsweise ein Werber für einen neuen Kunden einen Bonus. In der virtuellen Welt digitaler Kanäle werden solche Incentives nur rudimentär eingesetzt. Empfehlungen, Postings, Bewertungen und Likes sind kaum institutionalisiert, denn dazu gehört ein genaues Verständnis der Informationsdiffusion und -verarbeitung in sozialen Netzwerken. Sehr gut diffundiert Information durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Sollen sich Individuen oder Gruppenmitglieder auf Basis dieser Informationen Meinungen zu bestimmten Marken oder Produkten bilden, kommt es auf die Informationsverarbeitung einzelner an. Dabei ist es entscheidend, zentrale Spieler im Netz zu identifizieren, die als Meinungsbildner auftreten und authentisch und regelmäßig kommunizieren. Sie haben andere Eigenschaften als in etablierten gesellschaftlichen oder soziodemografischen Strukturen. Es ist nachgewiesen, dass die Bevölkerung der Welt über wenige Verbindungen miteinander verbunden ist. War es in ersten Untersuchungen in der vordigitalen Zeit noch ein Paket, dass nur durch persönliche Kontakte einer zufällig bestimmten Zielperson übergeben werden musste, kann jeder heutzutage in sozialen Netzwerken überprüfen, wie viele Verbindungen ihn von anderen trennen. Das Kleine- Welt-Phänomen sagt aus, dass alle Menschen durch nicht mehr als sechs Verbindungen getrennt sind. Banken sollten ihr Netzwerk kennen: Wer ist relevant für die eigenen Zwecke? 64 diebank 01.2016

IT & KOMMUNIKATION ó Wer kann beeinflusst werden? Wer kann beeinflussen? Ein Netzmanager sollte mit intelligenten Ansätzen aus vorhandenen und zusätzlich erhobenen Daten Kennzahlen entwickeln und gezielte Aktionen initiieren, durchführen und überwachen. Noch vor wenigen Jahren erfolgte eine Produkt- und Preisgestaltung in regionalen Bankenmärkten nahezu unter Ausschluss von Konkurrenz, doch ist mittlerweile eine größere Transparenz gegenwärtig. Eine Bank und ihre Kunden bilden ein Netz, das neue Intermediäre zusammen mit anderen Bank-/Kunde-Netzen zu einem größeren Gebilde geformt haben. Kunden haben die Möglichkeit, sich in Vergleichsportalen über Leistungen und Preise vieler Anbieter zu informieren, Bankbeziehungen einzugehen oder Einzelproduktabschlüsse zu tätigen. Zusätzlich ermöglichen solche Plattformen die Kommunikation von Kunden unterschiedlicher Banken untereinander. Auf diesem veränderten Spielfeld gilt es jetzt, Bedürfnisse und Zahlungsbereitschaften zu erheben und Segmente zu identifizieren. Risikoaspekte in einer vernetzten Welt Banken beschaffen sich an vielen Stellen Informationen, unter anderem bei der Schufa. Mithilfe dieser vernetzten Informationen passen Banken ihre Kreditzinsen individuell an. Ein risikoadjustiertes Pricing ist zwar Standard, jedoch existieren Angebote mit fixen, risikounabhängigen Zinsen. Banken drohen dem „Fluch des Gewinners“ zu unterliegen und Kunden nur dann zu gewinnen, wenn deren Bonität eher schlechter sein wird und diese an andere Stelle höhere Zinsen zahlen müssten. Kredite mit fixen Zinssätzen eignen sich allenfalls als Marketinginstrument zur Kundengenerierung. Peer Lending – wie bei der Grameen Bank, bei der eine Gruppe von Kleingewebetreibenden einen Mikrokredit erhält und über die Verwendung abstimmt, bzw. die Rückzahlung kontrolliert – macht sich netzökonomische Erkenntnisse zu eigen. Auf Peer-to-Peer-Lending-Plattformen stellen Kreditnehmer Informationen zur Verfügung, sodass sich Investoren ein besseres Bild machen können. Je mehr Informationen in Kreditentscheidung und Bepreisung einfließen, desto besser ist es. Crowdfunding kann leicht grenzüberschreitend angeboten werden. Crosslend etwa sammelt Mittel in Deutschland und Großbritannien von Privatpersonen, um beispielsweise private Projekte in Spanien zu finanzieren. Anstelle des Vorteils, der auf einer regionalen Verbundenheit von Banken fußt, treten Vorteile des Zugriffs auf digitale Informationen und der Verarbeitungsmöglichkeit. Daher sollten Banken unter Einhaltung des Datenschutzes alle verfügbaren Informationen aus dem digitalen Umfeld der Kunden nutzen. Qualität der Netzwerke Zwei Drittel der Privatkunden haben mehr als eine Bankverbindung. Bei Geschäfts- und Firmenkunden sind Anteil und Anzahl noch größer. Die strategische Frage aus Bankensicht geht über die Tatsache hinaus, dass keiner auf rentables Geschäft verzichten und seine Kunden komplett bedienen möchte. Netzökonomisch betrachtet ist es besser, mehr Verbindungen zu unterhalten als nur wenige intensive. Viele Verbindungen, vor allem an zentraler Stelle, festigen den Einfluss und die Machtposition. Die Logik dahinter erschließt sich an einem Beispiel: Eine netzökonomische Untersuchung des Einflusses und der Macht der Familie Medici im Florenz des 15. Jahrhunderts ergibt, dass durch geschickte Liaison nicht nur die Anzahl der Verbindungen, sondern auch die Zentralität unerreicht war. 2 An den Medici kam keiner vorbei, selbst wohlhabendere und etabliertere Familien nicht. Netzwerke in einer digitalen Welt Übertragbar ist dies auf die noch vorhandene Stärke von regionalen Banken im jeweiligen Heimatmarkt. Sie kennen ihre Kunden und die regionalen Branchen. Zudem sind sie über ihre Kunden mit anderen Banken vernetzt und in der Lage, Informationen über das Verhalten der anderen Banken mit ihren eigenen zu kombinieren und somit ihr Handeln anzupassen. Für die Zukunft ist es notwendig, Netzwerkstrukturen in der digitalen Welt abzubilden und nutzbar zu machen. Ein erster Schritt ist, die vorhandenen Informationen zu systematisieren, um dann im nächsten Schritt neue Strukturen zu schaffen. Generell sind Informationsnetzwerke stark auf die Qualität der Informationen und deren Übermittlung angewiesen. Praktische Handlungsanweisungen lauten also: ó Bauen Sie so viele (profitable) Geschäftsbeziehungen wie möglich auf, und sichern Sie sich auf diese Weise den Zugang zu einem Informationsnetzwerk. ó Systematisieren Sie so viel Informationen wie möglich über die gesamte Bankenaktivität der Kunden. ó Erschließen Sie darüber hinaus verfügbare Informationen digitaler und sozialer Quellen aus dem Netzwerk der Kunden . ó Nutzen Sie das Wissen für die eigene Angebotserstellung, um Produkte, Preise und Risiken zu optimieren. ó Passen Sie das Service-Level der Bedeutung der Beziehung an und erweitern bzw. reduzieren Sie die Intensität der Geschäftsbeziehung. Netzwerke haben eine hohe strategische Relevanz für Banken in unterschiedlichen Organisationseinheiten. Banken sollten jetzt ihre Netzwerke planen und gestalten. Die Zukunft der Banken ist vernetzt. ó Autor: Dr. Frank Niemeyer ist Unternehmensberater mit den Schwerpunkten Pricing, Digital Sales und strategische Netzwerke. 1 Vergleiche Niemeyer, F. (2000): „Kooperation von Unternehmen in Netzwerken“. Universität Bonn. 2 Vergleiche Padgett, J.F. und Ansell, C.K. (1993): „Robust Action and the Rise of the Medici, 1400-1434“ American Journal of Sociology, Nr. 98. 01.2016 diebank 65

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