ó BETRIEBSWIRTSCHAFT sumenten revidieren. Beispiele sind das Verschwinden der zelluloidbasierten Fotografie (Kodak), die Weiterentwicklung von Rechenmaschinen (Microsoft, Apple), das zunehmende Umweltbewusstsein (Verbot von FCKW) oder die Migration vom Land in die Stadt (Megacitys). Mehrere Megatrends können sich überlagern (Zuwanderung in Städte, Umweltbelastung durch Feinstaub) oder abmildern. Sie können unterschiedlich in Regionen der Welt wirken (Unwetter in Europa, Dürre in Afrika). Zudem reagieren soziale Milieugruppen durchaus differenziert auf sie. Die Kenntnis über den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und Antibiotika in der Tierhaltung führt zum Beispiel bei manchen Gruppen zu gesundheitsbewusster Ernährung auf Basis nachhaltiger Lebensmittelproduktion, bei anderen zu Fast-Food-Konsum mit Billigprodukten aus umweltbelastender Massentierhaltung. Im Folgenden werden fünf wichtige Megatrends und ihre Relevanz für Kreditinstitute näher beleuchtet. Demografischer Wandel Bekanntlich wird die Bevölkerung in den westlichen Industriestaaten immer älter. Ein heute in Deutschland geborener Junge erreicht nach Berechnungen des statistischen Bundesamts voraussichtlich sein 78. Lebensjahr, ein Mädchen wird 83 Jahre alt. Vor 30 Jahren (eine Generation) lag die Lebenserwartung noch um sechs Jahre niedriger. 2060 wird die Lebenserwartung bei 86 beziehungsweise 90 Jahren liegen. 2008 bestand die deutsche Bevölkerung zu einem Fünftel aus Personen über 65 Jahren. 2060 wird das bereits jeder Dritte sein. Während 2008 je 100 Personen im Erwerbsalter 34 Menschen über 65 Jahre gegenüberstanden, werden es 2060 voraussichtlich doppelt so viele potenzielle Rentenbezieher sein. Zudem schrumpfen die Bevölkerungszahlen der Industrieländer, während die Weltbevölkerung aufgrund des Geburtenbooms in Entwicklungsländern wächst. Heute bevölkern sieben Milliarden Menschen die Erde. Bis 2050 prognostizieren die Vereinten Nationen 9,6 Milliarden. In Deutschland lebten Ende 2008 82 Millionen Personen. 2060 wird die Zahl nach Angaben des statistischen Bundesamts auf 65 Millionen (bei jährlicher Zuwanderung von 100.000 Personen) sinken. Sofern die aktuelle Asyl- und Flüchtlingssituation nicht anhält, dürfte sie diese Prognose nur geringfügig beeinflussen. Die Chancen und Risiken für die Finanzbranche sind vielfältiger Natur. Einerseits vergrößert der demografische Wandel den Druck auf die umlagefinanzierten Sozialsysteme, was den privaten Vorsorgebedarf weiter erhöht. Die Aufnahme neuer Kredite durch Private wird zurückgehen. Stattdessen kommt es zu einer Verrentung von Geld- und Immobilienvermögen, z. B. mittels Umkehrhypotheken. Viele Kunden machen sich bereits mit 50 Jahren Gedanken über die Finanzierung von Umbaumaßnahmen beispielsweise für eine mögliche Pflegesituation oder das barrierefreie Haus im Alter. Auch ältere Menschen benötigen einfache und IT-anwenderfreundliche Produkte für Zahlungsverkehr und kurzfristige Geldanlagen ebenso wie komplexe, beratungsintensive Seniorenprodukte, die bedarfsgerecht auf die jeweilige Kundensituation ausgerichtet sind. Ferner erwartet die Generation der Silver Ager von ihrer Bank Beratungsleistungen zur steueroptimierten Vererbung von Vermögen. Hinzu kommt ein wachsender Bedarf an (vermittelten) Assistance-Leistungen. Das betrifft beispielsweise Versicherungsprodukte für Pflegeleistungen oder Unfallabsicherung. Die demografische Entwicklung führt auch dazu, dass wir länger gesund bleiben, was durch den medizinischen Fortschritt unterstützt wird. Steigendes Gesundheitsbewusstsein und verbesserte medizinische Versorgung fördern die Renditeaussichten für Kapitalanlagen beispielsweise in den Branchen Nahrungsmittel, Kosmetik, Biotechnologie, Medizintechnik und Pharma. Zu all dem erwartet der Kunde eine Beratung auf Augenhöhe, was die Betreuung durch einen altersadäquaten Berater mit einschließt. Die zunehmende Knappheit des Arbeitsangebots können Banken nur durch einen effizienteren Einsatz ausgleichen, indem sie ihre Prozesse weiter automatisieren und ihre Mitarbeiter besser qualifizieren. Um dauerhaft erfahrene Mitarbeiter und Nachwuchskräfte zu akquirieren, sind darüber hinaus attraktive, familienfreundliche Angebote notwendig. Studienergebnisse belegen, dass die Arbeitszufriedenheit maßgeblich vom Führungsverhalten der/des jeweiligen Vorgesetzten abhängt. Deshalb bleibt Führungskompetenz ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Personalmanagement im „Kampf um die besten Köpfe“. Urbanisierung und Individualisierung Die strukturellen Veränderungen beinhalten auch Wanderungsbewegungen über regionale und nationale Grenzen hinweg. Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung prognostiziert langfristige Migrationsströme aus den östlichen Bundesländern nach Westdeutschland. Zahlreichen Kreisen und kreisfreien Städten in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt steht ein noch stärkerer Rückgang ihrer Bevölkerungsdichte bevor. Im Gegenzug werden die Metropolregionen Berlin, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart mit ihren Einzugsgebieten weiter an Attraktivität gewinnen. Auch weltweit leben immer mehr Menschen in Städten. Die Land-Stadt-Bewegung führt insbesondere in Schwellenländern zu rapide wachsenden Megacitys. Seit langem gibt es Migrationen von Mittel- nach Nordamerika und innerhalb Afrikas sowie die zuletzt stark angestiegenen Flüchtlingsströme aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten. 46 diebank 01.2016
BETRIEBSWIRTSCHAFT ó fl Arbeitszufriedenheit hängt maßgeblich vom Führungsverhalten der Vorgesetzten ab. Deshalb bleibt Führungskompetenz ein wesentlicher Erfolgsfaktor im „Kampf um die besten Köpfe“. Bereits heute lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Experten gehen davon aus, dass es 2030 bereits fast 60 Prozent sein werden. Städte sind attraktiv, weil sie Menschen eine größere Versorgungssicherheit, ein breites Arbeitsplatzangebot, eine Infrastruktur der kurzen Wege, einen individuellen Lifestyle sowie kulturelle und Unterhaltungsangebote bieten. Um das starke Wachstum von Megacitys zu bewältigen, muss die Infrastruktur angepasst werden, was Energie-, Wasser-, Entsorgungs-, Bildungs- und Verkehrsprojekte beinhaltet. Dazu bedarf es erheblicher Finanzierungsmittel, die von der öffentlichen Hand und privaten Investoren bereitgestellt werden. Das eröffnet Kapitalmärkten und Kreditinstituten besondere Chancen (z. B. Public-Private-Partnerships). Hinzu kommt ein zunehmender Individualismus als gesellschaftliches Phänomen. Neue Wohn-, Lebens- und Partizipationsformen entstehen. Familienverbünde lösen sich auf, das Beziehungsgeflecht verändert sich hin zu wenigen engen und vielen losen Bindungen, wie die sozialen Medien zeigen. Unterstützt durch die technischen Entwicklungen dynamisiert sich die Arbeitswelt. Sie ist immer weniger orts- und zeitgebunden, Arbeitszeiten vermischen sich mehr und mehr mit der freien Zeit, beispielsweise wenn Arbeitnehmer außerhalb der regulären Arbeitszeit per Email erreichbar sind. Das erfordert von den Instituten als Arbeitgeber flexible, interaktive Arbeitsstrukturen, -prozesse und -systeme. Zudem muss sich ihr Vertrieb auf die neuen Konsummuster einstellen. Wissensbasierte Gesellschaft, ubiquitäre Verfügbarkeit von Informationen, ökonomische Eigenverantwortung aufgeklärter Kunden und – zumindest in westlichen Ländern – ökologisch geprägtes Konsumverhalten erzwingen Anpassungen aller Vertriebskanäle hinsichtlich Beratungs- und Service-Inhalten sowie zeitlicher Verfügbarkeit. Hinzu kommen notwendige Kapazitätsanpassungen wie Filialschließungen. Bildung und Wissen bleiben das Fundament für Innovation und Kreativität. In jedem einzelnen Kundengespräch sind sie wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Trotz oder gerade wegen der vermehrten regulatorischen Anforderungen müssen die Institute ihre Mitarbeiter und Führungskräfte hinsichtlich der veränderten Bedingungen sensibilisieren und für das Tagesgeschäft fortwährend trainieren. Technologiefortschritt und digitales Leben Der Wandel in der Arbeitswelt geht einher mit Technologiefortschritt und digitalem Leben. Wir sehen, dass Informationstechnologien seit Jahren konvergieren. Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsindustrie wachsen zusammen. Das betrifft nicht nur Produktions- und Fertigungsbranchen, also Firmenkunden von Banken wie beispielsweise in Maschinenbau, Automobil- und Elektrotechnik. Vielmehr ist die fortschreitende Automatisierung in Vertrieb (z. B. Electronic, Mobile und Virtual Banking) und Produktion (z. B. Scoring- und Kreditvergabeverfahren, Hochfrequenzhandel) bis hin zu künstlicher Intelligenz aus der Finanzbranche nicht mehr wegzudenken. Das ermöglicht Banken zum einen, ihre Prozesse laufend zu optimieren. Ferner können sie ihre 01.2016 diebank 47
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