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die bank 01 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT

ó BETRIEBSWIRTSCHAFT Workout von leistungsgestörten Immobilienfinanzierungen ESUG Leistungsgestörte Immobilienfinanzierungen machen noch immer einen großen Teil des Finanzierungsvolumens von Banken und Servicern aus. Mit Einführung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) bieten sich über den klassischen Insolvenzplan hinaus auch in der Immobilienbranche eine Reihe neuartiger Möglichkeiten zur zügigen Sanierung bei gleichzeitig hohem Substanzerhalt der insolventen Gesellschaft. In diesem Kontext ist die Zusammenarbeit zwischen Insolvenzverwalter und Immobilien-Asset- Manager von großer Bedeutung. Christopher Seagon | Tim Brückner Keywords: NPL, Insolvenzordnung, Asset Management Auch sechs Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers – unter anderem im Zuge des Ausfalls immobilienbesicherter Verbriefungen – ist der deutsche Markt für Immobilienfinanzierungen noch intransparent und dementsprechend schwer zu quantifizieren. Schätzungen zufolge beläuft sich das ausstehende Kreditvolumen der gewerblichen Immobilienfinanzierung in Deutschland im Jahr 2013 auf rund 250 Mrd. €. Im Vergleich zur Hochphase der Immobilienfinanzierung aus den Jahren 2005 bis 2008 stellt dieser Wert einen Rückgang von 10 bis 20 Prozent dar. Substanzielles Volumen notleidender Immobilienkredite Etwa seit dem Jahr 2012 lassen sich wieder steigende Neugeschäftsaktivitäten am Finanzierungsmarkt beobachten. Insbesondere bei Top-Objekten herrscht infolge des starken Wettbewerbs ein entsprechender Margendruck seitens der finanzierenden Banken. Bedingt durch diese Entwicklung zeigen Banken die Bereitschaft, ihre Aktivitäten erneut auf Finanzierungen jenseits des Core-Segments auszudehnen. Finanzierungsentscheidungen bezüglich Objektqualität, Lage und Standort erfolgen stark einzelfallbezogen und betreffen neben den klassischen Marktsegmenten Büro und Einzelhandel zunehmend auch Spezialthemen wie Pflege-, Hotel- oder Logistikimmobilien. Gemäß Prognosen ist im Jahr 2014 eine weitere Verschiebung der Anteile der Risikoklassen am Finanzierungsneugeschäft im Vergleich zu 2013 zu erkennen. Core-Finanzierungen nehmen deutlich zugunsten von Value-add- und opportunistischen Finanzierungen ab. Diese machen zusammen etwa ein Viertel des Finanzierungsvolumens aus. Ausfallrisiken nehmen zu Trotz gewissenhafter Due Diligence ist eine unmittelbare Folge der zunehmenden Risikoneigung ein Anstieg der Ausfallrisiken dieser Finanzierungen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich das günstige Finanzierungsumfeld in den nächsten Jahren, beispielsweise durch Leitzinserhöhungen oder Verringerung der Marktliquidität seitens der Zentralbanken, ändert. Des Weiteren besteht der Großteil des aktuellen Finanzierungsvolumens aus Altfinanzierungen der Jahre vor 2008, die in der jüngeren Vergangenheit verlängert und fortgeschrieben wurden. Da mehr als die Hälfte des aktuellen Kreditvolumens in den nächsten drei Jahren fällig wird, stehen entsprechend viele Refinanzierungen an. Daraus resultierend sind weitere Portfoliobereinigungen und Immobilien-Workouts zu erwarten. Bandbreite der Erwerber steigt Es ist davon auszugehen, dass derzeit rund zehn Prozent des ausstehenden Finanzierungsvolumens als Sub- bzw. Non Performing Loans (NPL) zu klassifizieren sind. Dies entspricht einem Kreditvolumen von ca. 25 bis 30 Mrd. €. Im Vergleich zu 2012 ist die Anzahl der veräußerten Immobilienfinanzierungen und aus unbedienten Finanzierungen übernommenen Assets in Deutschland gegenüber dem Jahr 2012 bereits angestiegen und hat ein Volumen von rund 8 Mrd. € erreicht. Auch im Jahr 2014 ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen, da es bereits einige großvolumige Transaktionen gab. Die Käufer der veräußerten Finanzierungen sind in der Regel etablierte Investoren aus dem angelsächsischen Raum. Die Bandbreite der Erwerber steigt allerdings kontinuierlich an, da volumenmäßig kleinere Loan- Verkäufe zunehmen, bei denen kleinere Akteure zum Zug kommen. Im Rahmen des auch weiterhin substanziellen Volumens notleidender Immobilienkredite kommt dem ESUG-Insolvenzverfahren eine steigende Bedeutung als Sanierungs- 44 diebank 1.2015

BETRIEBSWIRTSCHAFT ó nierung aufgegriffen und an verschiedenen Stellen ausgebessert. Der erste zentrale Bestandteil der Reform ist die Stärkung des Einflusses der Gläubiger bereits im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens. Während die InsO früher keine nennenswerte frühzeitige Einbindung der (zukünftigen) Insolvenzgläubiger vorsah, kann und muss das Gericht gem. §§ 21 Abs. 2 Nr. 1a; 22a InsO (nF) heute in vielen Fällen einen vorläufigen Gläubigerausschuss bereits unmittelbar nach Antragstellung einsetzen. Dieser unterstützt und überwacht den vorläufigen Insolvenzverwalter und wirkt an wesentlichen Entscheidungen, wie etwa der vorläufigen Unternehmensfortführung, mit. Zusätzlich kann der vorläufige Gläubigerausschuss dem Gericht ein Anforderungsprofil oder auch einen konkreten Personalvorschlag für den einzusetzenden vorläufigen Insolvenzverwalter beziehungsweise Sachwalter machen. Erfolgt ein solcher Vorschlag einstimmig, ist das Gericht an diesen gebunden, wenn der Benannte die gesetzlich geforderte Eignung (Qualifikation) aufweist. Dieses Vorschlagsrecht bietet allen Gläubigergruppen ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung einer qualifizierten, wirtschaftlichen und interessengerechten Verwaltung des Schuldnervermögens, auch über das Eröffnungsverfahren hinaus. Zwar sah die InsO bereits vor der Reform eine Mitwirkung des Gläubigerausschusses bei der Bestellung des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren vor, aus Gründen der Praktikabilität und der Kostenersparnis wird hier jedoch regelmäßig der gerichtlich bestellte vorläufige Verwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. Eine frühe richtige Personalentscheidung ist daher von herausragender Bedeutung. Nur ein Verwalter, der von Beginn an das volle Vertrauen aller Gläubigergruppen innehat, kann konsequent eine wirtschaftlich optimale Sanierung umsetzen, wo diese wirtschaftlich sinnvoll ist. Dies betrifft besonders Inhaber mit Grundlösung zu, da sie Immobiliengesellschaften und Gläubigern die Möglichkeit bietet, den Forderungsverkauf als letzte Maßnahme zu umgehen. Insolvenzordnung und Insolvenzverwalter Die Insolvenzordnung bildet den gesetzlichen Rahmen für die Verwaltung und Verteilung des Vermögens insolventer Schuldner. Auf diese ist stets zurückzugreifen, wenn ein Schuldner zahlungsunfähig oder – außer bei natürlichen Personen – überschuldet ist. Auf Antrag des Schuldners kann ein Insolvenzverfahren zudem bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit eingeleitet werden. Die Verwaltung des Vermögens erfolgt dabei entweder durch einen einschlägig qualifizierten Insolvenzverwalter oder durch das Unternehmen selbst, dann unter Aufsicht eines sogenannten Sachwalters (Eigenverwaltung). Der Insolvenzverwalter nimmt eigenverantwortlich die Interessen aller Gläubigergruppen, des Unternehmens und der übrigen Verfahrensbeteiligten wahr. Der Verwalter erhält seine Befugnisse durch gerichtlichen Bestellungsbeschluss, nicht – wie etwa ein Sanierungstreuhänder – durch privatrechtlichen Vertrag der Betroffenen. Dies sichert ihm stärkere Unabhängigkeit von Individualinteressen bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Auch vor der gerichtlichen Entscheidung über den Insolvenzantrag im Insolvenzeröffnungsverfahren wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter oder Sachwalter bestellt. Die Befugnisse eines vorläufigen Verwalters werden durch das Gericht festgelegt und reichen von denen einer reinen Überwachungsinstanz bis hin zu den umfassenden Kompetenzen des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren. Reform durch das ESUG Das ESUG hat als grundlegendstes Reformprojekt seit Erlass der InsO (Insolvenzordnung) deren wesentliche Schwachpunkte im Bereich der Unternehmenssapfandrechten gesicherter, leistungsgestörter Kredite wie beispielsweise immobilienfinanzierende Banken. Durch aktive Mitwirkung bei der Verwalterauswahl kann sichergestellt werden, dass dieser in der Verwaltung von Immobilien hinreichend qualifiziert und erfahren ist. Auf diesem Weg können etwa die hohen Kosten einer Zwangsverwaltung nach ZVG gespart werden, indem vermehrt auf den Insolvenzverwalter als „kalten Zwangsverwalter“ zurückgegriffen wird. Stärkung der Eigenverwaltung Ein weiterer Bestandteil der Reform durch das ESUG ist die Stärkung der Eigenverwaltung. Aus der Erkenntnis heraus, dass oftmals der Schuldner selbst oder dessen Unternehmensführung über besondere Kenntnis des Unternehmens und eine etablierte und respektierte Stellung bei Belegschaft, Kunden, Lieferanten und Gläubigern verfügt, hat das ESUG das Modell der Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sachwalters gestärkt und – wo dies nötig war – erweitert. Gem. § 270a InsO wurde die Eigenverwaltung bereits im Eröffnungsverfahren zum gesetzlichen Regelfall gemacht. Die Hürden gegenüber ihrer Anordnung in jedem Verfahrensstadium wurden spürbar gesenkt. Zeitgleich wurde das sogenannte Schutzschirmverfahren eingeführt, das dem Schuldner bei frühzeitiger Antragstellung gestattet, während eines gerichtlich angeordneten Vollstreckungsmoratoriums („Schutzschirm“) einen eigenen Sanierungsplan auszuarbeiten und die Zustimmung der betroffenen Stakeholder für diesen einzuholen. Auch hierdurch findet eine weitere Verschiebung der Sanierung aus dem vorinsolvenzlichen Stadium hinein in das Insolvenzverfahren statt, das im Gegenzug flexiblere Umsetzungen und bessere Mitwirkung der wirtschaftlich Betroffenen zulässt. Vermeidung von Wertverlust Für Inhaber leistungsgestörter Immobilienkredite tritt hierdurch neben die bisher 1.2015 diebank 45

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