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die bank 01 // 2015

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die bank gehört zu den bedeutendsten Publikationen der gesamten Kreditwirtschaft. Die Autoren sind ausnahmslos Experten von hohem Rang. Das Themenspektrum ist weit gefächert und umfasst fachlich fundierte Informationen. Seit 1961 ist die bank die meinungsbildende Fachzeitschrift für Entscheider in privaten Banken, Sparkassen und kreditgenossenschaftlichen Instituten. Mit Themen aus den Bereichen Bankmanagement, Regulatorik, Risikomanagement, Compliance, Zahlungsverkehr, Bankorganisation & Prozessoptimierung und Digitalisierung & Finanzinnovationen vermittelt die bank ihren Lesern Strategien, Technologien, Trends und Managementideen der gesamten Kreditwirtschaft.

ó FINANZMARKT Der

ó FINANZMARKT Der Schultheiß-Skandal UNTERNEHMENSGESCHICHTE Alle mit der Geschäftsführung, Aufsicht oder Revision im Unternehmen befassten Personen (Organe) können für den Schaden persönlich verantwortlich gemacht werden, den sie durch Verletzung ihrer Pflichten verursachen. Was als moderne Compliance-Anforderung gesehen wird, hat in Wahrheit Tradition. Bereits während der Weltwirtschaftskrise 1931 wurde der Generaldirektor des Brauerei-Konzerns Ostwerke-Schultheiß-Patzenhofer AG, Ludwig Katzenellenbogen, vor Gericht gestellt und verurteilt. Der Skandal und seine Aufarbeitung könnten als Lehrstück für gegenwärtig laufende Prozesse dienen. Eckhardt Wanner Keywords: Finanzgeschichte, Privatbanken, Managerhaftung Die Ostwerke, 1872 als Breslauer Spritfabrik von Adolf Katzenellenbogen (1834 - 1903) gegründet, waren eine Holding mit Beteiligungen in der Sprit-, Hefe-, Glasund Maschinenbauindustrie. Die 1871 in Berlin gegründete Schultheiß-Patzenhofer- Brauerei galt unter ihrem Vorstand Kommerzienrat Walter Sobernheim (*14. April 1869 in Berlin; † 15. Juni 1945 New York) als der Inbegriff der wirtschaftlichen Solidität. Begonnen hatte die Verbindung von Ludwig Katzenellenbogen (* 21. Februar 1877 in Krotoschin; † 30. Mai 1944 in Berlin) mit Sobernheim bereits 1920. Bei einem Kuraufenthalt lernten sie sich kennen. Der smarte junge Inhaber der Ostwerke sah die Sicherung seiner Unternehmen vor den Folgen der Inflation in der „Flucht in Sachwerte“ und agierte dabei außerordentlich erfolgreich. Sobernheim, dem diese Gedanken wohl fernlagen, war offensichtlich beeindruckt und nahm die Ratschläge des Jüngeren gerne an, zumal die Erfolge auf der Hand lagen. Nur so ist zu erklären, dass Sobernheim der Errichtung einer Interessengemeinschaft (IG) Ostwerke-Schultheiß zustimmte. Die IG bestand aus einem Gewinnpool, aus dem Schultheiß 60 Prozent, die Ostwerke 40 Prozent erhalten sollten. Die IG wurde für Katzenellenbogen das Mittel zum Zweck, um aus den Ostwerken und Schultheiß-Patzenhofer einen machtvollen Konzern unter seiner Führung zu formen. Der erste Teil, die Fusion der einzelnen Teile zur Schultheiß AG, wurde 1930 vollzogen. Spätestens jetzt war Katzenellenbogen eine wichtige Persönlichkeit in Wirtschaft und Gesellschaft der Weimarer Republik, zumal er mit der berühmten Schauspielerin Tilla Durieux verheiratet war. Um die Mehrheit an dem Konzern zu erreichen, ließ sich Katzenellenbogen von zwei Bankengruppen, der Kommerz- und Privat-Bank sowie der Danat-Bank, jeweils einen Millionen-Kredit zum Ankauf von Schultheiß-Aktien einräumen. Beide Gruppen wussten nichts vom Engagement der jeweils anderen Banken. Auch die übrigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder kannten die Abmachungen nicht. Das gab ihm die Möglichkeit, von zwei Seiten an der Börse zu operieren und Kurspflege zu betreiben, wobei diese ausschließlich in einer Kursstützung bestand. Vervollständigt wurde dieser Plan dadurch, dass auch die Hausbank, die Deutsche Bank, von dem Plan nichts wusste. Die Abmachungen der beiden Bankengruppen waren inhaltlich gleich. Von dem erwarteten Gewinn sollte Schultheiß 40 Prozent, die Banken 60 Prozent erhalten. Die Haftungsfrage wurde nicht explizit geregelt. Das bedeutete, dass die Haftung vollumfänglich die Schultheiß AG, aber im Endeffekt Katzenellenbogen mit seinem Privatvermögen, zu tragen hatte. Ungeklärte Haftungsfragen Unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen hätte der Plan einer Kurspflege funktionieren können. Aber in der Weltwirtschaftskrise brachen die Kurse auf breiter Front ein, und die eingeräumten Kredite reichten nicht aus, um die Kurse stabil zu halten. Durch einen Zufall gelangte eine Kontoaufstellung über die eingeräumten Kreditlinien der Danat-Bank den übrigen Vorstandsmitgliedern zur Kenntnis. Aus ihr ging hervor, dass die Bank eine Forderung aus Aktienkäufen der Gesellschaft von 14,5 Mio. RM besaß, die bis zum 1. Januar 1934 von der Schultheiß AG übernommen werden sollte. Allein diese Spekulation führte zu einem Verlust von rund 30 Mio. RM, der bei einem schnellen Teilverkauf von Schultheiß-Aktien hätte vermieden werden können. Es erscheint kaum glaublich, dass es Katzenellenbogen gelang, im Vorstand einen Beschluss herbeizuführen, dem Aufsichtsrat erst dann Mitteilung von den übernommenen Schulden zu machen, wenn die Verluste beseitigt worden wären. Aber alles Verschleiern half nichts 18 diebank 1.2015

FINANZMARKT ó die letzten Jahre ebenfalls in Berlin, wo sie 1971 starb. Die Schultheiß AG besaß noch genügend Substanz, um diese Krise erfolgreich bewältigen zu können. Die Bankenkrise von 1931 heizte die Wettbewerbssituation unter den Banken kräftig an. Gewinner waren die Großbanken, nachdem die Zahl der kleineren und mittleren Privatbanken erheblich abgenommen hatte. Der Konzentrationspromehr. Im Juli 1931 löste der Zusammenbruch der Österreichischen Credit-Anstalt die Bankenkrise aus, die mit der Schließung der deutschen Börsen ihren Höhepunkt erreichte. Es folgten die Danat-Bank und die Dresdner Bank. Die Menschen misstrauten der wirtschaftlichen Entwicklung und hoben mehr und mehr Bargeld ab. Ein Run auf die Bankschalter setzte ein. Katzenellenbogen drohte die Zahlungsunfähigkeit. In seiner Not wandte er sich an die Deutsche Bank, die die Funktion einer Hausbank ausübte, und in der Person Emil Georg von Stauß (*6. Oktober 1877 in Friedrichstal, Württemberg; † 11. Dezember 1942 in Berlin) den Vorsitzenden des Aufsichtsrats stellte. Nun musste Katzenellenbogen Farbe bekennen. Die Fakten kamen auf den Tisch. Dabei zeigte sich, dass für eine geplante Kapitalerhöhung 1931 der Börsenprospekt gefälscht worden war. Der Traum von einem großen Konzern war ausgeträumt. Da die Regierung Brüning öffentlich Druck ausübte, kam Katzenellenbogen in Untersuchungshaft und wurde in einem Aufsehen erregenden Prozess wegen Bilanzfälschung zu einer Geldstrafe und drei Monaten Gefängnis verurteilt, die durch die Untersuchungshaft abgegolten war. Die Wirkung dieses Prozesses war außerordentlich negativ: Ausländische Gläubiger begannen, ihre Depositen aus Deutschland abzuziehen und verstärkten damit die beginnende Wirtschaftskrise. Katzenellenbogen war danach ein gebrochener Mann. 1933, nach der Machtübernahme der Nazis, emigrierte er mit seiner Frau in die Schweiz. Als die Schweiz auf deutschen Druck ihre Visa nicht verlängerte, floh das Ehepaar 1938 nach Kroatien und Griechenland. 1941 wurde Katzenellenbogen – nach dem Einmarsch der Deutschen in Griechenland – von den Nazis in Saloniki verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Er starb 1944 in Berlin in Gestapo-Haft. Seine Frau, die Schauspielerin Tilla Durieux, verbrachte zess kann heute als Geburtsstunde der modernen Bankenaufsicht und der staatlichen Stützung großer Institute bezeichnet werden. Seit der Juli-Krise stützte die Reichsregierung die Danat-Bank und Dresdner Bank – bis beide zur Dresdner Bank fusioniert wurden. ó Autor: Prof. Dr. Eckhardt Wanner war langjähriger Vorsitzender des Ersten Deutschen Historic-Actien-Clubs. 1.2015 diebank 19

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